Sílvia Pérez Cruz & Salvador Sobral
Sílvia & Salvador
(Warner Music International)
Zwei der ganz Großen der Iberischen Halbinsel treffen sich zum Duo-Gipfel: Er, langjähriger Fan seiner Partnerin, hat die portugiesische Musik für den Indie-Pop und den Chanson geöffnet (und vor Uhrzeiten einmal den ESC gewonnen…). Sie, zweifelsohne die derzeitig unangefochtene Queen der katalanischen Musik, hat schon lange ein Faible für lusophone Töne, während er seit seinem Studium in Barcelona eine Verankerung in der Region hat. Sílvia Pérez Cruz und Salvador Sobral: Hier kann man nur die höchsten Erwartungen an hohe Liedkunst haben, und sie werden auch erfüllt, mit zarten Flügelschlägen aller Facetten der Música Latina, die die beiden mit befreundeten Song- und Verseschmieden zum Leben erwecken.
„Ben Poca Cosa Tens“, ein Trostpflaster für alle, die Abschied nehmen mussten von einem geliebten Menschen, mit Versen des Dichters Miguel Martí i Pol, schwingt sich in melodieseligen Terzen zu einer bewegenden, wunden Klimax auf, dann, wenn neues Leben durch „llum fresquíssimia“, frischestes Licht, einfließt. Dann regieren die Dreiertakte: Ein Wehmutswalzer von Jorge Drexler wird angestimmt, im fragilen 3/4 wird in „Hoje Já Não Tarde“ von Sobrals Schwester Luisa Fado schwebend sublimiert. Spielerisch flink mit Musette-Reminiszenzen kommt „L’Amour Reprend Ses Droits“ daher , das Sobrals Frau Jenna Thiam beigesteuert hat. Und ganz ohne Cheesyness gelingt den beiden in „Someone To Sing Me To Sleep“ ein country-esques Lullaby. Einmal nur wird es etwas physischer, wenn sich in „Muerte Chiquita“ die Rumba-Färbungen Kataloniens bemerkbar machen.
Die delikate Verletzlichkeit der beiden Stimmen -Pérez Cruz oft mit ihren berühmten zitternden Schleifen, Sobral gerne in seiner typischen Falsett-Lage – ist die Hauptattraktion der Scheibe. Sie ist aber eingebettet in ein sagenhaft intimes Instrumental-Dekor: Marta Romas lyrischer Cello-Strich, Dario Barrosos unauffällige gitarristische Ausgestaltung mit kurzen romantischen Einwürfen und vielen Flageoletts, und die Banjo-, Mandolinen- und Lap Steel-Tupfer von Sebastiá Gris. Der ruhige, hymnische Schluss, fast wie eine wortlose Bruckner-Motette im Trio mit Marco Mezquidas Klavier gestaltet, gehört dem Mitgefühl mit dem Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung. Eine Platte, die ganz auf die Innigkeit zweier Stimmen gerichtet ist und die Zeiten überdauern wird.
© Stefan Franzen