Side Tracks #2: Mit Fello am Fuji

springintgut & blumm - rthe bird and the white noise flagge-japan-flagge-button-50x75flagge-deutschland-flagge-button-50x83Springintgut & F.S.Blumm: The Bird And White Noise
(Pingipung, 2014)

Mich begeistern die organischen Elektronikklänge, die auf dem Label Pingipung eine Heimstatt finden. Der neueste Streich ist jetzt entstanden, während der Akustikgitarrist F.S.Blumm und der Cellist Springintgut alias Andi Otto auf einer Tournee in Japan kreative Höhenflüge erlebt haben. Und Bahnfahrten! Beim Track „In Zügen“ kann man sich aus dem Fenster lehnen, und der Bildschirm verwandelt sich in ein fernöstliches Waggonfenster. Dazu die rhythmisierte, „atmende“ Videokunst von Noriaki Okamoto: kongenial. Auch noch sehenswert: Hier erklärt Springintgut, wie er sein Instrument in ein „Fello“ verwandelt hat.

Springintgut & F.S.Blumm: „In Zügen“
Quelle: youtube

 

Schatzkiste #11: Cooler Retro SciFi-Flow

greg foat group - girl and robot with flowersGreg Foat Group: Girl And Robot With Flowers
(Jazzman Records, 2012)

entdeckt bei: Stadtmusik-Festival Basel

In unserem Sonnensystem kann das Coverbild nicht entstanden sein, man erkennt das schon mit astronomischem Halbwissen. Denn die Welt, die der britische Tastenmeister hier erschafft, ist wirklich out there. Das Ding fängt an wie Miles Davis in seiner besten Cool-Phase und hangelt sich langsam an hauchigem Flügelhorn, melancholischem Flügel, brüllendem Saxophon und flubbernden Analog-Synthesizern zu einem unverschämt lässigen Space-Soundtrack zwischen Disco und Blues mit viel Siebzigerflair empor. Ultimativer Anspieltipp „Have Spacesuit Will Travel“! Schade, dass es das Stadtmusik-Festival im Innenhof des Kunstmuseums Basel nicht mehr gibt. Dort habe ich den Mann am Keyboard 2012 entdeckt.

The Greg Foat Group: „Have Spacesuit Will Travel (part II)“
Quelle: youtube

Klingendes Kleeblatt

tiltan - a road less traveled
Tiltan: A Road Less Traveled (Kululush Records/www.tiltanmusic.com)
Ganz großartige Texturen mit Klarinette, Bratsche, russischem Akkordeon und Gitarre schafft dieses niederländische Quartett um den Saitenmeister David Golek. Irgendwo an der Schnittstelle zwischen dem Neoklezmer des Krakauer Trios Kroke und dem Folkjazz eines Tin Hat Trio siedeln diese Klanglandschaften. Da steigen akustische Traumbilder empor, die sich aus jüdischem Melos, slawischer Schwermut, bluesigen Einsprengseln und der harmonischen Opulenz des Modern Jazz nähren. Wie eine delikat ausgearbeiteter Soundtrack zu einem hintergründigen Autorenfilm in Sepia. „Tiltan“ bedeutet im Hebräischen übrigens vierblättriges Kleeblatt – von genauso rarem, „glücklichem“ Zuschnitt ist diese Kammermusik.

Tiltan live at the Bimhuis Amsterdam: „Machar Hatuna“
Quelle: youtube

 

 

Ein kolossaler Nerd

ed motta - aor

Wein, Vibes und Gesang
– ein Interview mit Ed Motta

Er wirkt seit Ende der 1980er als die Referenzgröße des Soul und Funk in Brasilien schlechthin. Ed Motta, der Neffe des früh verstorbenen Soulgiganten Tim Maia, ist eine Ausnahmeerscheinung in der Musikszene des Riesenlandes. Es gibt keine Musikepoche, in der sich der Vinylfreak nicht auskennt, kaum einen Stil, den er nicht schon mit eigenen Kompositionen selbst beackert hat. Ed Motta: ein umtriebiger Hedonist und in jeder Hinsicht kolossaler Nerd, der zudem auch noch grandioser Hobbykoch, Tee-, Bier- und vor allem Weinkenner ist. Vor seinen Konzerten beim Zürcher Jazznojazz-Festival (1.11.) und im Club des Bahnhofs Ehrenfeld in Köln (5.11.) habe ich ihn befragt. Weiterlesen

Side Tracks #1: Geisterfahrt durch Mexiko

el tren fantasmaflagge-mexiko-flagge-button-50x75flagge-grossbritannien-flagge-button-50x75Chris Watson: El Tren Fantasma
(Touch/Membran,2011)

Pünktlich (!) zu einem Termin, an dem jeder vernünftige Mensch auf die Bahn einen  Riesenhals hat, möchte ich meine neue Abteilung „Side Tracks“ starten: Musik, Klangcollagen und Geräusche aus dem Reich der globalen Railways, ganze Alben oder einzelne Songs, manchmal auch nur ein schönes, Eisenbahn-affines Plattencover.

Den Anfang macht  ein Tondokument der Extraklasse: Der Klangkünstler und Gründer von Cabaret Voltaire Chris Watson hat sich für die BBC-Serie Great Railways Journeys einen Monat lang an der transkontinentalen Zugstrecke zwischen dem mexikanischen Los Mochis und Veracruz herumgetrieben. Grandiose Sounds aus dem Zuginnern, aber auch weit entfernt von den Gleisen, zwischen heulendem Wind und sirrenden Insekten addieren sich nach entsprechender Bearbeitung im Studio zu einer symphonisch-psychedelischen Suite aus Metall und Steinen, Hitze und Einsamkeit. Heute ist diese Strecke stillgelegt – was die Klangreise (dringend über Kopfhörer!) zu einem nostalgischen Abenteuer macht.

Danke an Wolfgang, der mich mit dieser Aufnahme bekannt gemacht hat!

Mehr von Chris Watsons Klangexpeditionen gibt’s hier oder hier.

Chris Watson: „El Divisadero“
Quelle: youtube

Ein Liebeslied von 80 Minuten

Foto: Rob C. Croes, Creative Commons

Olivier Messiaen
Turangalîla-Sinfonie

Konzerthaus Freiburg 14/10/14

Keinerlei Beschränkung in Besetzung, Gattung und Dauer – eine traumhafte Vorgabe für einen Komponisten, die Serge Koussevitsky, der Chef des Boston Symphony Orchestra 1945 aussprach. Und was macht Olivier Messiaen? Er schreibt eine Sinfonie in 10 Sätzen für 100 Musiker, die ein 80-minütiges Liebeslied ist. Die Themenwahl könnte eine Plattitüde sein, sie erweist sich aber als das völlige Gegenteil davon, wie ich im Freiburger Konzerthaus feststellen durfte – berührt, ergriffen, aufgewühlt. Weiterlesen

Feinmechaniker

Der Hamburger Perkussionist Sven Kacirek ist ein grandioser Feinmechaniker. Sein ungewöhnliches Schlagwerkarsenal nutzt er, um mit Musikern in Kenia, Okinawa oder daheim in seinem Studio in Wilhelmsburg ein Universum zu schaffen, in dem Marimba und Porzellanvasen, ein Spielzeugklavier auf Glas und Papier trifft. Kacirek baut eine Klangwelt, die von Steve Reich und John Cage ihren Nährboden bezieht, aber genauso von den groovigen Patterns afrikanischer Rhythmen – und von der ganz bewusst eingesetzten Stille. Mitte November erscheint auf dem kleinen, feinen Label Pingipung Records sein neues Album, auf dem er Tschaikowkys „Nussknacker“ auf seine Art und Weise behandelt. Themengerecht sage ich schon mal: Ich freue mich wie ein Mäuse- und Schneekönig.

Sven Kacirek: „Pas De Deux“
Quelle: youtube

Wolkenmädchen

lianne-la-havasFoto: okayplayer.com

2013 erzählte sie mir im Interview, sie arbeite mit Prince, wollte aber nichts Genaues verraten. Seit wenigen Tagen ist nun mit der Geheimniskrämerei vorbei. Dass das Teamwork von Lianne La Havas und Mr. Nelson in eine so pure, himmeljauchzende Schönheit münden würde, wie mit der Single „Clouds“ – hätte ich nicht erwartet. Zumal ich mit dem Herrn über Paisley Park öfters Probleme hatte.  Diese paar Minuten aber möchte ich derzeit auf Endlosschleife hören.

Prince feat. Lianne La Havas: „Clouds“
Quelle: musicplayon

Ich bin gespannt, ob sich Minneapolis bei London revanchieren wird, dann, wenn das neue Album der griechisch-jamaikanischen Songstress erscheinen wird. Unterdessen geizt Miss La Havas noch mit neuem Material, covert lieber Radiohead und Little Dragon. Mal vor Leuten, mal vor Kühen.

Lianne La Havas live at Glastonbury 2013: „Weird Fishes“
Quelle: youtube
Lianne La Havas, Barn Sessions: „Twice“
Quelle: youtube

Freiburg – Bloemfontein – NY

Ralf Schmid & Daniel Hope
A Distant Drum

Zu einer spannenden Zusammenarbeit treffen sich ab kommenden Mittwoch der Freiburger Jazzprofessor Ralf Schmid und der Weltklasseviolinist Daniel Hope. Schmid hat zu einem Libretto von Hopes Vater Christopher eine Partitur für ein Musiktheater geschrieben, das nach Proben und Vorpremiere im südafrikanischen Bloemfontein am 28.10. in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführt wird. Im Zweipersonen-Stück geht es um das Schicksal des Journalisten Nat Nakasa, der wie Christopher Hope während der Zeit der Apartheid seine Heimat verlassen musste. Regie führt der bekannte Schauspieler Jerry Mofokeng. Schmids Komposition für das fünfköpfige Ensemble umfasst klassische Themen, jazzige Improvisation und das Spiel mit Versatzstücken südafrikanischer Chor-Traditionen. Im Ensemble kann er neben Daniel Hope auf den Cellisten Vincent Ségal und den Schlagzeuger Jason Marsalis bauen.

Das atemraubende Klangtheater der Kate Bush – I

hammersmith apollo

Foto: Stefan Franzen

Before The Dawn
Hammersmith Apollo London, 17/09/14

Wer dabei war, reibt sich immer noch ungläubig Augen und Ohren. Nach 35 Jahren intensivem Fremdeln mit den Bühnenbrettern ist Kate Bush ins Rampenlicht zurückgekehrt. Mit einem Gesamtkunstwerk, das sämtliche Kolleginnen ihres Alters und wesentlich jüngerer Jahrgänge auf die Plätze verweist. Kate Bushs Before The Dawn war eine Offenbarung, wie auch noch in der digitalen Ära Popmusik aus dem Theater befruchtet werden kann. Weiterlesen