Nah- und fernöstliche Suiten

hawniyazwu wei wang li - overtonesKayhan Kalhor, Aynur, Salman Gambarov & Cemil Qoçgiri
Hawniyaz
Wu Wei & Wang Li

Overtones
(Latitudes/Harmonia Mundi)

Die Philosophie der 2015 gestarteten CD-Serie „Latitudes“ von Harmonia Mundi ist es, Künstler vorzustellen, die durch eine poetische Vision „zu allen Menschen der Welt jenseits von Sprache oder Stil spricht“, so das Label. Im jungen Katalog finden sich in traditionellen Musikformen wurzelnde Interpreten des Nahen Ostens und Asiens, die sich auf zeitgenössisches Terrain wagen: Das chinesische Duo Wu Wei und Wang Li erprobt auf Overtones das Zusammenspiel der Mundorgel Sheng mit der Maultrommel Kouxian, was auch recht anstrengend wird, aufgrund der faszinierenden Lautmalerien verliert man mitunter den dramaturgischen Halt. Hawniyaz, das Quartett um den grandiosen persischen Kniegeigenspieler und die kurdische Sängerin Aynur hat sich auf dem Osnabrücker Morgenland-Festival gefunden. In langen Suiten mit Kamancheh, Stimme, Piano und Langhalslaute forschen sie nach neuen Wegen, wie sich nahöstliche Traditionen gegenseitig durchdringen können, beziehen dabei auch Strukturen abendländischer Klassik und Jazz mit ein. Ein Meisterwerk für alle Ohren, die zu Versenkung in meditative Abläufe bereit sind.

Hawniyaz live auf dem Morgenland-Festival Osnabrück
Quelle: youtube

Prost, Mireille!

mireille mathieu - sweet souvenirs of stefanBon Anniversaire, Mireille.
Man kann über sie sagen, was man will, aber sie ist eine von sehr wenigen, die mir ein Lied gewidmet haben.
Deshalb: Was meine Kollegen der Tageswoche über ihren Alkoholgenuss geschrieben haben, möchte ich in Abrede stellen. (Liebe Schweizer, ihr müsst das scharfe S wieder einführen…)

Mireille Mathieu: „Sweet Souvenirs of Stefan“
Quelle: youtube

Erdige Breitwand

the breath - carry your kin

The Breath
Carry Your Kin
(RealWorld/PIAS/Rough Trade)

Wenn der Gitarrist des Cinematic Orchestra und eine erdige nordirische Sängerin zusammen kommen, trifft Tradition auf Breitwand. Das kann gehörig in die Hose gehen, hier wird es zu einem Wunderwerk. Stuart McCallum baut mit großem Besteck neun Klanggemälde: Streichertextur, twangy Gitarren, lyrisches Piano und dynamisch gezügelte, aber vielfältige Drum-Arbeit sind die Farben, über denen die charakterstarken Vocals von Rioghnach Connolly mal solo, mal in kompakten Schichtungen schweben. Eine richtige Wall Of Sound wird weitestgehend vermieden, Transparenz ist das Gebot der Stunde. Anders als beim manchmal verkopften Cinematic Orchestra steht die Kraft suggestiver Melodik im Fokus – und die speist sich mit den sanften Kometschweifen der keltischen Seele stets aus dem Mutterboden Connollys.

The Breath: „Antwerp“
Quelle: vimeo

Crescent City-Funk des Altmeisters

aaron neville - apacheAaron Neville
Apache
(Tell It Records/Rough Trade)

75 Jahre jung, 56 Jahre Karriere, und immer noch eine schmelzende Stimme, die man vor allem aus Balladen kennt. Mit Apache jedoch feiert Aaron Neville die ganze Palette knackiger New Orleans-Sounds, vereint die Sozialkritik des Siebziger-Motownsouls mit dampfendem Funk à la Meters und Neville Brothers. Ungebremste Bläserenergie entlädt sich im Opener „Be Your Man”, die beschwipsten Horns des Südens swingen in „Stomping Ground”, und die Jamsession „Fragile World” könnte geradwegs aus einer Kneipe im French Quarter tönen. „Ain´t Gonna Judge You” verströmt den schwülen Funk der Sümpfe mit tonnenschweren Bassriffs, dicke Soul-Patina schillert im sinnlich aufgeladenen „All Of The Above” und mit „Heaven” taucht der Mann mit dem charakterstarken Falsett tief in Gospelgefilde. Und dann zaubert der Grandseigneur für seine Gattin noch ein Doo Wop-Liebesständchen hin („Sarah Ann”), bei dem jede Dame schwach werden muss. Ohne Zweifel schon jetzt eines der Soulalben des Jahres.

Aaron Neville: „Be Your Man“ (live)
Quelle: youtube

Rudolstadt-Vorfreude 2016

macmathuna - ribera - lopez

Liebe greenbeltofsound-„Folger“,

das ist mein 200. Eintrag seit ich diese Seite im Oktober 2014 an den Start gebracht habe.
Und was könnte schöner sein, als ihn mit einer kleinen Vorschau auf das Rudolstadt Festival zu feiern? An den Namen muss man sich erst gewöhnen, die Festivalleitung hat das Prädikat „Tanz- und Folkfest“ abgeschafft. Trotzdem trifft sich dort nach wie vor die Welt, um die musikalischen Facetten zu feiern, die von Rundfunk und Printmedien übers Jahr hinweg immer mehr ignoriert werden – dieses Mal auch bei zivilen Temperaturen und nicht in einer 40 Grad-Hitzeschlacht wie 2015.

Drei von den vielen Gründen, am Donnerstag Zelt und Rucksack zu packen und nach Thüringen aufzubrechen, habe ich rausgesucht. Es sind die leisen Zwischentöne des Festivals, in denen immer die größten Erlebnisse stecken.


1. Germán López (Kanarische Inseln)

Der Musiker aus Gran Canaria ist der führende Virtuose  auf der kleinen fünfsaitigen Timple, einem Instrument, das sich aus der Diskantvariante der Barockgitarre entwickelt hat, die die Spanier aufs Archipel brachten. López hat das Repertoire des Instruments rundum erneuert, spielt einheimische Tänze, Flamenco, Jazz und auch ein wenig Bob Marley darauf. Germán und seine Timple sind am Fr, 8.7. um 16h und am Sa, 9.7. um 19h auf dem Neumarkt zu erkunden.

„Imaginando Folías“
Quelle: youtube


2. Alejandra Ribera (Kanada)

Die Kanadierin argentinisch-schottischer Abstammung hat die Mixes zu ihrem nächsten Album beendet, das im Winter erscheinen wird. Kurz vorm Aufbruch zu ihrer Deutschlandtournee öffnet Alejandra eine Tür zum neuen Werk. „Orlando“ ist ein Song, der mich zu Tränen rührt – das liegt an der Musik, aber auch an der Entstehungsgeschichte. Hier spricht sie darüber. Zu hören am Sa, 9.7. um 21h in der Stadtkirche und am So, 10.7. um 13h30 auf der Burgterasse.

„Orlando“
Quelle: Soundcloud


3. Lorcán MacMathúna (Irland)

Sean Nós ist der alte unbegleitete gälische Gesang Irlands, der mittlerweile von etlichen Sängern in die Moderne überführt wurde, allen voran von Iarla Ó Lionáird, den man vom Afro Celt Sound System kennt. Sein junger Kollege Lorcán MacMathúna hat für den Sean Nós auch ein kleines Fenster zum Jazz aufgemacht und stellt diese Kombination am Fr, 8.7. um 21h in der Stadtkirche und am Sa, 9.7. um 23h auf dem Neumarkt vor.

„An Cathach“
Quelle: youtube