West Trainz: Montage meets Swiss Radio

Foto: courtesy of Erik West Millette

Mein Freund Erik West Millette, Mastermind des West Trainz-Projekt in Montréal, hat mich gerade über eine wunderbare Video-Montage des Canada 150-Specials von SRF 2 Kultur in Kenntnis gesetzt, das am 16.6. lief. Man bekommt sofort Lust nach Montréal zu fahren und sich in einen der Waggons der Canadian Pacific zu setzen. Auf seiner Facebook-Seite ist das Video zu sehen, das Thierry Francis aus der West Trainz-Crew für Erik erstellt hat.

Erik hat ebenso mitgeteilt, dass er daran arbeitet, die West Trainz-Show nach Deutschland zu bringen. Wir sind gespannt.

Canada 150: Die Radioserie

Die Canada 150-Serie geht auf Sendung.


1.
Es startet mit der Passage im Schweizer Radio SRF 2 Kultur am 16.6. von 20h-21h:

Vielfalt als Stärke
Das rote Ahornblatt aus der kanadischen Flagge, auf den Jubiläumsplakaten wird es derzeit in allen Farben des Regenbogens dargestellt: So schillernd entrollt sich im Jahr 2017 auch die Musikszene. Wer durch Kanada reist, erlebt ein Land, das sich zum 150. Geburtstag am 1.Juli Geburtstag viele Fragen nach seiner Identität und dem Umgang mit seiner Vergangenheit stellt. Musiker sind dabei die sensibelsten Seismographen der aktuellen Stimmung. Ein Rail- und Roadmovie für die Ohren zum runden Geburtstag, beginnend in einem „Train-Laboratorium“ an den Gleisen der Canadian Pacific in Montréal, über die kreativen Brüchen zwischen Franko- und Anglophonem und die bittere Geschichte der First Nations und Inuit bis hin zur experimentellen Klassik und dem Pop der Immigranten.


2.
Am 21.6. wird SWR 2 Kultur um 20h03 mit dem Thema Musik folgen:

Weltgewandt und grenzenlos
„The World needs more Canada“ heißt ein beliebter Werbespruch einer Buchladenkette, den auch schon Barack Obama aufgegriffen hat. Was können wir lernen von diesem zweitgrößten Land der Erde, das am 1. Juli seinen 150. Geburtstag feiert? Einige Antworten gibt die die Vielfalt der Musikkulturen: Die Traditionen der First Nations und Inuit treffen auf urbane Klangexperimente, die Erben von Leonard Cohen und Joni Mitchell sorgen von der Prärie bis zur Ostküste für eine lebendige Songwriter-Szene. Weltgewandter Immigranten-Pop und grenzenlose Worldmusic blüht in Toronto, Québec und die atlantischen Provinzen offenbaren sich als kreative Brutstätten.


3.
Vom 26.6. bis 30.6. gestalte ich in SWR 2 Kultur jeweils von 9h05-10h morgens in der Musikstunde eine ganze Woche zur Musikgeschichte Kanadas:
Montag: I – Terra Incognita: Die klassische Musik Kanadas zwischen europäischem Einfluss und eigenständiger Sprache
Dienstag:  II – Leonard, Joni und ihre Erben: Kanada als Folk- und Songwriter-Land par excellence
Mittwoch: III – Katajaq und Powwow, Protest und Experiment: Die Musik der First Nations und Inuit im Wandel
Donnerstag: IV – Von Akadien in die Diaspora: Franko-kanadische Glanzlichter
Freitag: V – Legenden und Migranten: Von den einstigen Rock-Ikonen zu globalen Popfarben


4.
Am 2.7. ab 23h wird Radio Globo auf NDR Info die Widmungen an Kanada mit einer weiteren Reisereportage beschließen.

So wie ich es überblicke, werden sämtliche Sendungen auch online auf den Seiten der jeweiligen Sender noch 7 Tage lang nach der Erstausstrahlung zu hören sein.

Die folgenden lieben Menschen haben mit ihrem Herz, ihrer Hilfe, ihrer Kunst und ihrem Wissen diese Reise und diese Serie in Wort und Klang möglich gemacht.

Große Dankeschöns an:

in Kanada:
Alejandra Ribera und ihre Band in Montréal und Paris – Alysha Brilla – Ana-Maria Lipoczi – Andrew Morrison – Annie Aningmiuq – Claudine Roy – Cynthia Pitsiulak – David Lavergne – Éliane Lévesque – Erik West Millette & seine West Trainz-Crew – Estelle Roy – Geneviève Toupin – Gina Brault – Jace Lasek – Jaron Freeman-Fox – Jean Massicotte – Jen Eisler – Joel Henderson – Joelle Saint-Pierre – Julie Aubé – Katrine Noël – Kevin Howes – Laurent Saulnier – Marie-Eve Bourdage – Maritza Bossé-Pelchat – Matthew Fava – Matt Holubowski – Maude Laberge Boudreau – Maxime Jarry – Nicole Lizée – Renaud Lussier – Richard Flohil – Stephen Wingfield – Trent Freeman – Trevor Mann – Vivienne Roy

in Deutschland und der Schweiz:
Andrea Samborski – Angela Gobelin – Bernard Senn – Bettina Winkler – Kerstin Unseld – Minusch Afonso – Peter Bürli – Peter Disch – Sabine Trieloff – Sebastian Bargon – Ulrich Schuwey

Besonderer Dank gilt meinem Tonmeister Manuel Braun, der mit seinen feinen Ohren aus meinen Skripts kleine Kunstwerke gemacht hat.

Viel Spaß beim Hören!

Terra Incognita: Kanadas Klassik (#14 – Canada 150)

Das Torontoer Canadian Music Centre (rechts), (Foto: Stefan Franzen)


Matthew Fava & Steve Wingfield (Ontario)
The Canadian Music Centre, Toronto


In der kommenden Woche startet auf SWR 2 Kultur meine Serie zur kanadischen Musikgeschichte. Am morgigen Montag befasst sich das erste Kapitel mit der klassischen Musik Kanadas. Seien wir ehrlich: Über Glenn Gould hinaus müssen die meisten von uns da mit weiteren Kenntnissen passen, auch mir ging das so. Deshalb habe ich im März in Toronto das Canadian Music Centre (CMC) angesteuert, eine Organisation, die seit 60 Jahren kanadische Komponisten vertritt, deren Partituren und Aufnahmen verlegt.

Zwischen den Wolkenkratzern von Downtown duckt sich eine Backsteinvilla mit verspielten Türmchen, als hätte man sie aus dem viktorianischen England importiert. Hier ist das CMC zuhause – aber verstaubter viktorianischer Geist? Fehlanzeige. Matthew Fava, der Direktor der Ontario-Abteilung des CMC und sein Kollege Steve Wingfield haben sehr zukunftsgewandte Ansichten über das kulturelle Selbstverständnis Kanadas. Im vorletzten Teil dieser Blog-Interviewserie ein Auszug aus einem zweistündigen Gespräch mit vielen unerwarteten, überraschenden Seitenpfaden und Erkenntnissen.


Matthew, Steve, was sind die Aufgaben des Canadian Music Centre? Geht es um Unterstützung aktueller Komponisten oder auch um die Pflege des Vermächtnisses von Künstlern früherer Epochen?

Matthew Fava: Viele der heutigen Aktivitäten können auf die Komponisten zurückgeführt werden, die wir in einer CD-Serie namens „Ovation“ versammelt haben. Es ist die erste Generation der Nachkriegskomponisten, mit denen das CMC immer noch eine Interaktion pflegt. Vielfach geht die Grundlage der kanadischen Komponisten dieser Epoche auf den Einfluss europäischer Komponisten zurück. Das CMC diente 30 Jahre nach seiner Gründung diesen Komponisten als Service-Organisation, wo sie ihre Werke hinterlegen konnten, und dann konnte man über sie – in einer Prä-Google-Ära – recherchieren. Weiterlesen

The Quartetness of the Universe

Im März konnte ich sie in Toronto bei der Weltpremiere von Nicole Lizées Stück „Black MIDI“ sehen, wo sie öfters mal die Instrumente zur Seite legten, um lustige Schwirrschläuche und elektronische Rappelkisten zu betätigen. Ein Vierteljahr später habe ich Kronos Quartet-Gründer David Harrington an der Strippe, um mit ihm über ein denkbar gegenteiliges Projekt, das neue Album Folk Songs zu sprechen.

David, wie entstand die Idee zu Folk Songs? Kam das von Kronos oder von den beteiligten Sängern?

David Harrington: Bob Hurwitz, der Präsident von Nonesuch zu jener Zeit, hatte die Idee, den 50. Geburtstag des Labels zu feiern. Ein Bestandsteil davon sollten Konzerte sein. Er wusste, dass Kronos über die Jahre hinweg mit vielen Sängerinnen und Sängern gearbeitet hatte, von Dawn Upshaw über Asha Bhosle bis zu Tom Waits und Tanya Tagaq, viele Sänger aus den verschiedensten Ecken der Welt. Für mich klang die Idee mit dem Konzert sehr verlockend, also stellte Bob uns Rhiannon Giddens, Sam Amidon, Olivia Chaney und Nathalie Merchant vor. Die Musik von Rhiannon und Natalie kannte ich schon. Über eine Arbeitsphase von mehreren Monaten dachten wir darüber nach, was die schönsten Songs wären, und als wir die Liste kürzten, überlegten wir dann, wer der Arrangeur der jeweiligen Melodie werden sollte, wer am besten unsere Möglichkeiten in die Arbeit der jeweiligen Sänger übersetzen könnte. Weiterlesen

Neue alpine Seele

Alma
Oeo
(col legno / Harmonia Mundi)

Die Musik der Alpen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr zur Welt hin geöffnet. Man spricht in Österreich und der Schweiz, in Südtirol und Bayern von einer „Neuen Volksmusik“, die mit den alten Klischees vom Schuhplatteln und Jodeln nichts mehr zu tun und stattdessen einen jungen, frischen, kosmopolitischen Anstrich hat. Ihre Wurzeln baut diese Generation aber dennoch raffiniert in die neuen Klangwelten ein. Dass das neue Werk des Ensembles Alma Oeo heißt, also einen Jodel-Laut aufgreift, ist mit seinem Bezug zum Alten völlig natürlich. Das Quintett, vier Frauen an Gesang, Geigen, Akkordeon und Kontrabass, sowie ein Mann an der Geige, stellt neben dem Blechblas-Septett Federspiel die Speerspitze der österreichischen Alpen-Avantgarde.

Eine erdige Polka, skandinavisch angehaucht, bekommt urplötzlich einen bluesigen Anstrich. In dichtem harmonischen Satz kreist ein Sommerwalzer, und ein Ländler aus dem Salzkammergut klingt wie ein erhabener Hymnus. Experimentell, ohne Scheuklappen vor der stimmlichen Reibung und der kratzenden Fiedel wird das Titelstück zum fernen, von Jazz aufgeladenen Gruß an vergangene Jodelvokabeln. Bei einem Ausflug ins süditalienische Apulien verbindet sich Liebesschmerz mit archaisch anmutendem Trauergesang. Und in ihrer Widmung an Anton Bruckner knüpfen die fünf Musiker Volkston an sakrale Innigkeit, ebenso wie sich das meditative Wehen des Akkordeons in „Tranquilla“ mit einer zackig-swingenden Sequenz abwechselt, in der die Violine aufschreit. Einen kleinen Einblick ins Paradies gewährt das finale Stück mit dem wunderbaren Titel „Renate grüßt das Universum“, inklusive versteckter Anleihen bei der Country- und Minimal-Musik. Das alles hat neben dem Innovationswillen vor allem viel Herzblut – und viel „Seele“, was ja die eigentliche Bedeutung des beliebten Frauennamens aus dem Alpenland ist.

Alma: „Questa Mattina“ (live)
Quelle: youtube

Wall Of Sound der Wildnis (#13 – Canada 150)

Foto: Nick Davis

The Besnard Lakes (Saskatchewan)
aktuelle Alben: The Besnard Lakes Are The Divine Wind (EP) /
A Coliseum Complex Museum (beide: Jagjaguwar)


Kanadas Rockmusik ist in meiner Serie bislang etwas kurz gekommen. Vielleicht liegt das daran, dass ich ein wenig Vorbehalte habe, ist man doch als Kind der 70er und 80er durch Leute wie Bryan Adams oder Alanis Morissette nicht optimal vorgeprägt. Doch jenseits des Mainstreams ist die Rockszene des Ahorn-Landes spannend, vielfältig, untergründig, psychedelisch, sphärisch – ein bisschen von alldem findet sich im Sound der Besnard Lakes um das Ehepaar Jace Lasek und Olga Goreas, die in Montréal wirken, aber ihre tiefen Wurzeln in der Einsamkeit von Saskatchewan haben. Mit Lasek habe ich mich bereits im letzten Sommer, vor meiner Kanadareise unterhalten.

Jace, ihr habt die Band nach einem See benannt, und wenn man eure Cover anschaut, könnte man vermuten, dass die Natur euch eine sehr große Inspirationsquelle liefert.

Jace Lasek: 80 bis 90 Prozent unserer Bevölkerung sitzen ja an der kanadisch-amerikanischen Grenze, und der Rest ist einfach Wald und Wildnis. Wir haben unheimlich viel offene Landschaft, das macht es leicht, campen zu gehen. Zum Besnard Lake gehen meine Frau und ich seit 20, 25 Jahren immer wieder hin. Er hat etwas Besonderes, wie jeder Ort, an dem du den Zugang zu Kommunikationsmöglichkeiten verlierst. Es ist sehr abgelegen, du bekommst das Gefühl, dass du dort der einzige Mensch bist. Ich kann da wirklich vom Montréaler Alltag abschalten, wo ich lebe und Platten produziere. Es ist eine so schöne Landschaft, sie inspiriert mich. Wir nehmen manchmal Gitarren mit und schreiben, meistens aber gehen wir dahin, um einfach nichts zu tun und uns zu re-setten, was für jeden Menschen wichtig ist. Weiterlesen

Spaced Out Dalston


Heliocentrics
A World Of Masks
(Soundway/Indigo)

2014 konnte ich Heliocentrics-Bassist Jake Ferguson in Dalston, Nordlondon zum Interview treffen, damals kündigte er dieses Album bereits an. Die Heliocentrics, diese grandiosen Klangarchitekten der soulig-funkigen Psychedelik haben ja bereits mit etlichen großen Männerstimmen von Orlando Julius bis Melvin van Peebles gearbeitet. Dass auf Albenlänge eine Frau in den Nukleus ihrer Arbeit rückt, ist Premiere. Über die Slowakin Barbara Petkova weiß man nicht viel, muss man auch nicht, denn auch so entfaltet sie ihre Vokalmagie auf A World Of Masks. Ihre Stimme ist nie direkt und filterlos aufgenommen, sie trifft patinabesetzt aufs Ohr wie aus einer anderen Ära, klingt mal nach orientalischer Klagefrau oder schnurrender Soul-Katze, nach lasziver Jazzlady, sogar nach verträumter Folk-Elfe mit Schlafzimmerblick.

In der typisch heliozentrischen Hörlandschaft blühen die verschiedensten Kräuter, die mal nach durchgeknallter, beschwipster Marching Band aus New Orleans klingen, an anderer Stelle nach den kosmischen Free Jazz-Attacken eines Sun Ra, dann wie aus einem SciFi-Soundtrack der 1960er hinaufsteigen, oder wiederum Reminiszenzen an „Tomorrow Never Knows“ von den Beatles aufkommen lassen. Exotische Flöten, dreckige Stromgitarren, unheimlich grunzende Bassklarinetten, gurgelnde Lamellophone, verhallte Pianoakkorde, zischende Drum-Fills und ostinate Riffs auf eigenartigen Bassinstrumenten sind nur einige Bestandteile, die diese fantastischen Klanggärten bauen. Zwischen Stimme und instrumentalem Geschehen entsteht so eine unglaublich dichte Dramaturgie. Ein weiteres Kultwerk der Männer aus Dalston, die hier einen weiblichen Spannungspol gefunden haben – es bleibt zu hoffen, dass „Babs“, wie die Jungs sie liebevoll nennen, den Heliozentrischen länger erhalten bleiben wird.

Heliocentrics: „Made Of The Sun“
Quelle: youtube

Pazifisch-arabisches Powerhouse

Haram (British Columbia)
aktuelles Album: Her Eyes Illuminate (Songlines Recordings)

Gegen Ende meiner Canada 150-Serie schiebe ich außer Plan ein Sonderkapitel ein – aus freudigem und aktuellem Anlass: Das Tentett Haram um den Oud-Spieler Gordon Grdina wird in wenigen Tagen in Basel im Parterre gastieren.

Wer den außergewöhnlichen Songwriter Dan Mangan kennt, der ist auch schon mit zwei Namen vertraut, die in den Reihen dieses Kollektivs aus Vancouver Island wirken. Bandleader Gordon Grdina ist ein Weggefährte Mangans und steht hier mit seiner irakischen Oud im Zentrum der Arrangements, Drummer Kenton Loewen spielt ebenso in Mangans Reihen. Die Violinen-Position ist prominent besetzt: Jesse Zubot ist für seine experimentellen Bogenführungen bei der Inuit-Avantgardistin Tanya Tagaq bekannt und berüchtigt.

Experiment wird auch bei Haram großgeschrieben, auf der anderen Seite sind sie tief in einer Tradition verankert. Doch da es in British Columbia wenig eigene Wurzeln gibt, auf die man zurückgreifen könnte, wie schon Jaron Freeman-Fox im Rahmen dieser Serie bekräftigte, treten Haram eine ungewöhnliche Flucht nach außen an: Im Zentrum stehen ihre Versionen von Stücken der populären arabischen Musik vergangener Jahrzehnte: Sie greifen Kompositionen des Libanesen Ziad Al-Rahbani, des ottomanischen Komponisten Cemil Bey oder des syrischen Gesangsstars Farid El Attrache auf, bauen sie zu gewaltigen Kollektiv-Improvisationen aus.

Für vokale Festigkeit in der arabischen Welt sorgt der Sänger Emad Armoush, der den Folk des Nahen Ostens und die klassische Musik verklammert. Mitunter bekommen die arabischen Klangtableaus Farben aus dem Free Jazz der experimentellen Szene Vancouvers und die Energie von ungestümem Rock. Oum Kalthoum ist an Kanadas Westküste angekommen – wohl selten lagen Mittelmeer und Pazifik näher beieinander.

© Stefan Franzen

Haram live:
Parterre Basel, 15.6., veranstaltet von Eclipse Concerts

Haram In Studio
Quelle: youtube

Von der Karibik nach Québec (#12 – Canada 150)


Maritza (Québec)
aktuelles Album: Libérons-Nous (Ste-4 musique)


Maritza Bossé-Pelchats Geschichte spiegelt Kanadas multikulturelle Struktur wider: Sie stammt aus der Donimikanischen Republik und wurde von einer Familie bei Québec Ville adoptiert. Dort ist sie auch aufgewachsen und hat ihre ersten musikalischen Schritte gemacht. Maritza konnte ich vor dem Release-Konzert ihres neuen Albums
Libérons-Nous im prächtig-plüschigen Cabaret Lion D’Or beim Montréal en lumière-Festival zu einem kurzen Gespräch treffen.

Maritza, kannst du deine frühen musikalischen Einflüsse skizzieren?

Maritza: Ich wuchs in L’Ancienne-Lorette auf, das ist bei Québec Ville. Meine erste große Liebe war das Tanzen, aber ich war in einem Schulchor, einfach zum Spaß. Am meisten Spaß machte es mir aber, Choreographien zu erfinden und Shows in meiner Schule zu organisieren. Zu der Zeit hatte ich noch überhaupt keine Ambitionen, Musikerin zu werden, ich hatte auch keine musikalische Ausbildung. Aber die Musik hatte schon eine große Wirkung auf mich, denn ich war sehr introvertiert. Musik half mir, weinen zu können. Ich hörte viel Janis Joplin, ihr „Cry Baby“, Tracy Chapman, hatte auch eine Countryphase, in der ich Johnny Cash hörte…

…aber der war kein Gesangsvorbild für dich….

Maritza:…nein! Außerdem Whitney Houston und Maria Carey, und ich ahmte sie ein bisschen nach, diese 80er-Stimmen, ohne dabei daran zu denken, selbst Musikerin zu werden. Weiterlesen

Sergeant George’s Indian Band

Ich habe es versucht – und komme für mich zu einem Ergebnis, das für Millionen von Beatles-Adepten vielleicht ketzerisch anmuten wird. Da Pet Sounds von den Beach Boys und das anderthalb Jahre später, vor 50 Jahren erschienene Sgt. Pepper’s-Album der Fab Four unmittelbar aufeinander bezogen werden, als Aushebelung der bis dahin vorherrschenden Popmusik-Koventionen, habe ich sie nochmals im Vergleich angehört.

Die Glücksgefühle, die sich beim Hören von „God Only Knows“ oder „Caroline No“ einstellen, bleiben beim Beatles-Werk aus. Sicher, Pet Sounds ist die Geburt eines Einzelgängers, des Klanguniversums, das Brian Wilson in seinem Kopf hörte. Aber Sgt. Pepper’s… ist auch weit entfernt von einem Gemeinschaftswerk von vieren: Es ist kein geschlossenes Konzeptalbum mit einem homogenen Vokabular wie Pet Sounds, (und es verbindet Pop und Klassik nicht stringenter als das Werk des kalifornischen Kollegen), es ist stattdessen ein geniales Panoptikum, eine disparate Nummernrevue einer Zirkusvorstellung, und als solche war es ja auch gedacht. Was für vier unterschiedliche Planeten hier am Werk waren, wird allein beim Übergang von „Within You, Without You“ zu „When I’m Sixty Four“  ohrenfällig: Indische Spiritualität trifft auf Jazzklarinetten-Flair der 1920er. Dass sie es dann noch drei Jahre miteinander ausgehalten haben, grenzt doch an ein Wunder, oder?

Was von Sgt. Pepper’s für mich zeitlos bleibt, neben den grandiosen Fills von Ringo und dem Orchestercluster in „A Day In the Life“, dem wunderbaren modalen Ton von „She’s Leaving Home“ und den raffinierten Tonartenwechseln in „Lucy..“: George Harrisons erstes richtig konsequentes Ausscheren in die hindustanische Klangwelt. Kein Sitar-Kolorit mehr, sondern die ernsthafte Beschäftigung mit indischen Zählzeiten und Instrumenten wie der Streichfiedel Dilruba oder der Zither Swarmandal. George Harrison, ein Weltenverbinder lange vor Brian Eno oder Peter Gabriel.

The Beatles: „Within You, Without You“
Quelle: youtube