Forest Music

Foto: Stefan Franzen

Wie das Mitglied der kanadischen Band Arcarde Fire bin ich derzeit täglich im Wald unterwegs.  Der Song stammt von seinem kürzlich erschienenen Werk Quiet River of Dust Vol.2: That Side of The River (ANTI-/Indigo): ein schöner Soundtrack zum Genießen des Maigrüns.
Wenn ihr auch im Wald unterwegs seid: Bitte bleibt auf den augeschilderten Wegen, übernachtet nicht im Naturschutzgebiet und – falls ihr Biker seid – bitte fahrt nicht auf Wegen, die keine durchgängige Breite von mindestens 2 Metern haben.

Richard Reed Parry: „In A Moment“
Quelle: youtube

Wall Of Sound der Wildnis (#13 – Canada 150)

Foto: Nick Davis

The Besnard Lakes (Saskatchewan)
aktuelle Alben: The Besnard Lakes Are The Divine Wind (EP) /
A Coliseum Complex Museum (beide: Jagjaguwar)


Kanadas Rockmusik ist in meiner Serie bislang etwas kurz gekommen. Vielleicht liegt das daran, dass ich ein wenig Vorbehalte habe, ist man doch als Kind der 70er und 80er durch Leute wie Bryan Adams oder Alanis Morissette nicht optimal vorgeprägt. Doch jenseits des Mainstreams ist die Rockszene des Ahorn-Landes spannend, vielfältig, untergründig, psychedelisch, sphärisch – ein bisschen von alldem findet sich im Sound der Besnard Lakes um das Ehepaar Jace Lasek und Olga Goreas, die in Montréal wirken, aber ihre tiefen Wurzeln in der Einsamkeit von Saskatchewan haben. Mit Lasek habe ich mich bereits im letzten Sommer, vor meiner Kanadareise unterhalten.

Jace, ihr habt die Band nach einem See benannt, und wenn man eure Cover anschaut, könnte man vermuten, dass die Natur euch eine sehr große Inspirationsquelle liefert.

Jace Lasek: 80 bis 90 Prozent unserer Bevölkerung sitzen ja an der kanadisch-amerikanischen Grenze, und der Rest ist einfach Wald und Wildnis. Wir haben unheimlich viel offene Landschaft, das macht es leicht, campen zu gehen. Zum Besnard Lake gehen meine Frau und ich seit 20, 25 Jahren immer wieder hin. Er hat etwas Besonderes, wie jeder Ort, an dem du den Zugang zu Kommunikationsmöglichkeiten verlierst. Es ist sehr abgelegen, du bekommst das Gefühl, dass du dort der einzige Mensch bist. Ich kann da wirklich vom Montréaler Alltag abschalten, wo ich lebe und Platten produziere. Es ist eine so schöne Landschaft, sie inspiriert mich. Wir nehmen manchmal Gitarren mit und schreiben, meistens aber gehen wir dahin, um einfach nichts zu tun und uns zu re-setten, was für jeden Menschen wichtig ist. Weiterlesen

Der Einsamkeit auf der Spur (#1 – Canada 150)

matt holubowski 01 Foto: Geneviève Ringlet

Matt Holubowski (Québec)
aktuelles Album: Solitudes (Audiogram)

Zwei Wochen nach meiner Rückkehr aus Kanada beginne ich heute eine Serie über aktuelle Musiker des Landes. Bis zum 1.7., dem 150. Geburtstag des Dominion, der oft als Wiege des heutigen Staates gesehen wird, kommen hier ungeschnitten Künstler aus vielen kanadischen Provinzen zu Wort, um ihre Arbeit vorzustellen und teils auch einen distanzierten, kritischen Blick auf die Feierlichkeiten zu werfen. Jeden Sonntag wird es ein neues Kapitel geben, bevor meine Serie dann ab Juni auch in verschiedenen Printmedien und Radios Thema ist.

Matt Holubowski macht den Anfang. Den 28-Jährigen habe ich auf dem Festival Montréal en Lumière getroffen, wo er die Eröffnung im ausverkauften Club Soda gespielt hat. Matt, Sohn eines polnischen Einwanderers und einer Quebecoise ist kein gewöhnlicher Popstar, obwohl er die kanadische Version von The Voice gewonnen hat. Der belesene Sturm- und Drang-Poet steht für die doppelte Identität Québecs und Montréal, die kreativen Brüche und Früchte, die die einmalige zweisprachige Situation von Montréal und Umgebung verursacht.


Matt, du bist in einem zweisprachigen Haushalt aufgewachsen. Wie zeigt sich das in deinem Songwriting? Ist es ein unterbewusster Prozeß sich beim Schreiben für eine der beiden Sprachen zu entscheiden? Sind spezielle Stimmungen mit der jeweiligen Sprache verknüpft?

Holubowski: Wie ich einen Song forme, hängt von der Situation ab, in der ich gerade bin. Wenn ich zum Beispiel ein englisches Buch lese und dieses mich inspiriert, dann wird der Song auf Englisch sein. Schaue ich einen französischen Film gilt das gleiche. Gewöhnlich kommen die Ideen auf Englisch leichter zu mir, ich habe einen etwas größeren Hang zum Anglophonen, was meine Vorlieben für Kultur und Literatur angeht. Aber wenn in einem Gespräch irgendetwas in einer der beiden Sprachen passiert, kann auch das ein Auslöser für einen Song sein. Weiterlesen

Die Kreativität der Prärie

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  Foto: Mike Kuby

Scenic Route to Alaska stehen derzeit in den Radiocharts der kanadischen Heimat auf Platz 1 und ist auf Deutschlandtour. Fragen an Trevor Mann, Bandleader des Trios aus Edmonton, Alberta.


Trevor, wir kennen aus Kanada vor allem die Musik aus dem Osten mit Bands wie Arcade Fire. Was ist typisch für die Rockszene eurer Heimatstadt Edmonton?

Mann: Die Leute sind hier sehr entschlossen und zäh, das fördert die Kreativität. Stilistisch gesehen gibt es viel Countryverwandtes, damit sind wir aufgewachsen, auch wenn wir deisen Sound nicht unbedingt mochten. Selbst in unserem Indierock hört man die Prärie durch.

Das heißt die Natur hat einen großen Einfluss auf euer Songwriting?

Mann: Wenn du ein Produkt dieser Umgebung bist, dann passiert das organisch. Wir leben vier Stunden entfernt von den Bergen, aber genauso fährt man vier Stunden und landet im Herzen von Nirgendwo. Diese Weite spiegelt sich in unserer Musik wider, sie macht dich einsam, aber sie ist auch befreiend und öffnet deinen Geist. Wir versuchen, unseren Sound groß und weit zu machen, so dass die Leute denken, sie hören viel mehr als ein Trio.

Allein euer Bandname hört sich an wie eine Liebeserklärung an diese Weite…

Mann: Die Scenic Route to Alaska gibt es ja tatsächlich. Als wir auf der High School waren, sind wir da immer hingefahren und dachten: Was für ein cooler Name für eine Indieband! Er beschwört eine Menge Bilder herauf. Als wir dann unseren ersten Gig hatten, haben wir ihn ausprobiert, es kam positives Feedback, also haben wir ihn behalten.

Der CD-Titel Long Walk Home deutet darauf hin, dass die Songs weit weg von zuhause entstanden sind.

Mann: Ja, in Halifax im äußersten Osten, wo ich ein Praktikum gemacht habe. Da ich niemanden in der Stadt kannte, schrieb ich in meiner Herberge nachts all diese Songs. Ich musste außerdem eine Trennung verarbeiten, es steckt viel Heimatlosigkeit in den Texten. Es war, als ob mein Unterbewusstsein die ganze Zeit Geschichten nach oben spülte. Auf einen positiven Song könnte ich 100 traurige schreiben, aber ich sehe das nicht als etwas Depressives sondern Therapeutisches. Die Melodien zu den dunklen Texten sind ja teilweise trotzdem aufmunternd und positiv – diesen Gegensatz mag ich.

Kanadas Präsident Justin Trudeau hat den Kulturétat um 100 Prozent aufgestockt. Kommt davon auch etwas bei Bands wie Scenic Route to Alaska an?

Mann: Teile davon fließen natürlich in die Hochkultur. Gleichzeitig aber kommt Geld bis auf die Provinzebene durch, wir haben hier in Alberta etliche kulturelle Organisationen, die davon profitieren und das ist für junge Musiker wie uns absolut notwendig, wenn wir auf Tour gehen oder Studioaufnahmen machen. Gerade hier in Edmonton, das immer eine Arbeiterstadt war, schwimmst du als Musiker gegen den Strom, und wenn du als Indie-Band einen Teil vom Kuchen aus diesen Fonds bekommst, erlaubt das dir, dein Leben in eine ganz andere Richtung zu lenken.

© Stefan Franzen

Als Einstimmung zu den sicherlich rockigeren Konzerten hier ein akustisches Ständchen der drei aus dem Jahr 2013:

Scenic Route to Alaska: „Mountains“
Quelle: youtube

Tourdaten:
24.11. Nachtleben Frankfurt
25.11. The Great Räng Teng Teng, Freiburg
29.11. Unter Deck, München
30.11. De Gudde Wellen, Luxembourg
1.12. Wohnzimmer, Hildesheim
2.12. POSH Teckel, Berlin