Lichtmusik

Federspiel
Albedo
(O-Tone Music)

Was für ein gewaltiges, aufbäumendes Crescendo im Opener “<0.90”! Österreichs grandioses Bläserseptett Federspiel widmet sich auf dem neuen Opus Albedo dem Reflektieren und Absorbieren von Licht. Klang gewordene Physik, der hier in vielen Nuancen glimmt, glüht, strahlt und gleißt. Einmal sind da noch Anklänge an austriakische Volksmusik zu vernehmen, in den “Schützentänzen” aus dem Salzkammergut, meist aber ist das zeitgenössische Brass-Musik, die nicht mal mehr in Spuren etwas mit Platteln oder Partyzelt zu tun hat.

Es geht ums Große und Ganze: “Kronos” erzählt die Schöpfung mit Mitteln, die fast schon an Holsts “Planets” erinnern, ein bewegendes Stück wie “Anthem” appelliert an unseren humanistischen Kern in Zeiten der Selbstvernichtung. Musikalische Formen setzen die Sieben sehr variabel ein: Mit “Inside-outside” experimentiert man mit wellenförmigen Echo-Strukturen, der “Freedom Waltz” dagegen beruft sich ganz auf die optimistische Kraft des Dreiertakts. Große Blasmusik für die Zukunft.

© Stefan Franzen

Federspiel: „Freedom Waltz“
Quelle: youtube

Neue alpine Seele

Alma
Oeo
(col legno / Harmonia Mundi)

Die Musik der Alpen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr zur Welt hin geöffnet. Man spricht in Österreich und der Schweiz, in Südtirol und Bayern von einer „Neuen Volksmusik“, die mit den alten Klischees vom Schuhplatteln und Jodeln nichts mehr zu tun und stattdessen einen jungen, frischen, kosmopolitischen Anstrich hat. Ihre Wurzeln baut diese Generation aber dennoch raffiniert in die neuen Klangwelten ein. Dass das neue Werk des Ensembles Alma Oeo heißt, also einen Jodel-Laut aufgreift, ist mit seinem Bezug zum Alten völlig natürlich. Das Quintett, vier Frauen an Gesang, Geigen, Akkordeon und Kontrabass, sowie ein Mann an der Geige, stellt neben dem Blechblas-Septett Federspiel die Speerspitze der österreichischen Alpen-Avantgarde.

Eine erdige Polka, skandinavisch angehaucht, bekommt urplötzlich einen bluesigen Anstrich. In dichtem harmonischen Satz kreist ein Sommerwalzer, und ein Ländler aus dem Salzkammergut klingt wie ein erhabener Hymnus. Experimentell, ohne Scheuklappen vor der stimmlichen Reibung und der kratzenden Fiedel wird das Titelstück zum fernen, von Jazz aufgeladenen Gruß an vergangene Jodelvokabeln. Bei einem Ausflug ins süditalienische Apulien verbindet sich Liebesschmerz mit archaisch anmutendem Trauergesang. Und in ihrer Widmung an Anton Bruckner knüpfen die fünf Musiker Volkston an sakrale Innigkeit, ebenso wie sich das meditative Wehen des Akkordeons in „Tranquilla“ mit einer zackig-swingenden Sequenz abwechselt, in der die Violine aufschreit. Einen kleinen Einblick ins Paradies gewährt das finale Stück mit dem wunderbaren Titel „Renate grüßt das Universum“, inklusive versteckter Anleihen bei der Country- und Minimal-Musik. Das alles hat neben dem Innovationswillen vor allem viel Herzblut – und viel „Seele“, was ja die eigentliche Bedeutung des beliebten Frauennamens aus dem Alpenland ist.

Alma: „Questa Mattina“ (live)
Quelle: youtube

Edelstein aus Krems

federspiel-smaragd

Federspiel
Smaragd
(col legno/Harmonia Mundi)

Die Wachau ist als Weingegend auch über die Grenzen Austrias hinaus bekannt, aber die Qualitätsstufen der dortigen Tropfen dürften nur Önologen ein Begriff sein. „Federspiel“ etwa heißt ein trockener Wein von ordentlicher Kabinett-Güte, Smaragd (benannt nach der Smaragdeidechse, die in den Rebmauern umherflitzt) ein edler, kraftvoller Wein, der auch international konkurrenzfähig ist. So wie das Septett aus Krems an der Donau, die in der Neuen Volksmusik ihrer Heimat momentan federführend sein dürften. Passenderweise auf dem Wiener Label col legno, die in ihrem breiten, bis in zeitgenössische Klassik reichenden Katalog immer wieder außergewöhnliche Alpinklänge fördern, erscheint ihr neues Werk. Die Musiker mit sechsmal Blech (Trompeten, Flügelhorn, Posaunen, Tuba), Klarinette und Zither bauen eine abenteuerliche Brücke von Melancholischem bis Fetzigem und teils chromatisch Aufgebrochenem aus der Heimat zur ungeraden Balkanmetrik und zum Gershwin-betupften Jazz. Als Prunkstücke zwischen all den Hörnern siedeln innig gejodelte Apfelbauern- und Klarinett-Dudler.

Federspiel: „Avsked“
Quelle: youtube