Schatzkiste #7: Bad And Sad

odonel levy - simba

O’Donel Levy: Simba 
(Groove Merchant, 1973)

Wer auf der Suche nach funky Gitarristen ist und sich von den üblichen Verdächtigen wie George Benson wegbewegt, stößt schnell auf O’Donel Levy. Der Mann hat ein paar durchwachsene Platten gemacht, aber das hier dürfte sein Meisterwerk sein. Gleich der Opener „Bad, Bad, Simba“ hört sich an wie ein grandioses Blaxploitation-Interludium, das er mit jazzy Girlanden krönt. Das melancholische Gegengift zum bösen Simba gibt es dann auf der B-Seite mit dem traurigen Simba. Die Band steckt voll mit Könnern: Lew Soloff (tp), Cecil Bridgewater (flgh), Eddie Daniels (fl, bs), Steve Gadd (dr) und tatsächlich auch Tony Levin (b).

O’Donel Levy: Bad Bad Simba
Quelle: youtube

 

Schatzkiste #6: Die Perfektion des Hauchens

astrud gilberto - i haven't got anything better to do

Astrud Gilberto: I Haven’t Got Anything Better To Do 
(Verve, 1969)

entdeckt bei ebay

Ich mag Frau Weinert eigentlich gar nicht so, und sie ist ja nur zufällig zum Singen gekommen, als sie dann Senhora Gilberto wurde und sich bei den Sessions mit ihrem Mann João, Tom Jobim und Stan Getz in New York ein wenig aufdrängte. Der Rest ist Geschichte. Doch diese Platte ist einfach die brutalstmögliche Vertonung eines Schlafzimmerblickes und sollte nie beim kleinsten Schimmer Tageslicht gehört werden. Die hohe Kunst des Dahinhauchens, sowohl in Stimme als auch in den tiefenräumlichen Arrangements von Brooks Arthur. Gekauft habe ich mir sie eigentlich wegen der Burt Bacharach/Hal David-Komposition „Trains And Boats And Planes“. Da kann schon mal eine Träne auf Reisen gehen.

Astrud Gilberto: Wailing Of The Willow
Quelle: youtube

 

Schatzkiste #5: Golden Highlife

african brothers dance band - led by paa steel ampadu

African Brothers Dance Band: Led By Paa Steel Ampadu 
(Ambassador, 1969)

entdeckt bei: Maikaefer Hifiladen Freiburg

Ab und zu wird man doch fast neben der Haustür fündig. Fast konnte ich es nicht glauben, als ich in der Afro-Grabbelkiste eines Second Hand Shops unweit des Domizils auf diese Perle ghanaischer Popmusik  gestoßen bin. In Nigeria avancierte ab Ende der 1960er durch Tony Allen, Fela Kuti und Geistesverwandte der Afrobeat zum Gebot der Stunde. Doch Ghana setzte weiterhin auf die Wurzel des Afrobeats, den Highlife.  Eine der wunderbarsten Guitar Bands des Genres waren die African Brothers, hier in synkopischer Hochform mit dem typischen „Wailing“ (auf gut Deutsch: ein wenig unsauberer Gesang) in der Vokalabteilung. Man muss eigentlich Palmwine zu dieser irrsinnig schönen, schmelzenden Tanzmusik trinken.

African Brothers Dance Band: Abusua Nnye Asafo
Quelle: youtube

Die Reise zum Kern

simin tander  - where water travels home
Simin Tander: Where Water Travels Home (Jazzhaus Records/in-akustik)
„Wo das Wasser nach Hause fließt“ – das bedeutet für die Sängerin aus Köln eine Erkundung ihrer afghanischen Gene.  Dieses Album ist ein Horchen auf ihre Wurzeln – nicht, um irgendein schickes Kolorit zu erzeugen,  sondern aus einem tiefen Bedürfnis heraus. Die Klangsprache berührt: Jazz-Improvisationen begegnet sehr persönlichem Songwriting, Gedichte auf Paschtu einer Miniatur in Fantasiesprache, gekrönt von Tanders ergreifender Adaption eines Brel-Chansons. Eine der außergewöhnlichsten Stimmen aus Deutschland derzeit und eine heiße Kandidatin für die Platte des Jahres. Simin Tander ist bis Dezember auf Tournee – nicht verpassen.

Simin Tander: De Kor Arman (live at Bimhuis Amsterdam)
Quelle: youtube

Schatzkiste #4: Bebop im All

betty carter - out there

Betty Carter: Out There With Betty Carter 
(Peacock Records, 1958; reissue: Nippon Columbia, 1978)

entdeckt auf der Plattenbörse Freiburg

Die Sputnik-Ära lässt grüßen: Weltraumspielzeuge machten damals nicht mal vor dem Bebop Halt. Aber sollte ich mal als Astronaut losgeschickt werden, könnte ich mir kaum eine bessere Begleitmusik auf der lange Reise vorstellen als diese Scheibe. Betty Carters warmer Alt im großem Bigband-Kontext, unter dem Stab von Altsaxer Gigi Gryce. Am besten gefällt mir das kokette „By The Bend Of The River“. Als Japanpressung habe ich das gefunden, auf der zwei Mal pro Jahr stattfindenden feinen Plattenbörse meines Städtchens.

Betty Carter: „All I’ve Got“
Quelle: youtube

 

Übers Wasser gehen

the gloaming

The Gloaming: The Gloaming (RealWorld/Indigo)
Allein schon das Cover hätte einen Preis verdient.  Das Bild heißt „Passage“ und stammt von Robert und Shana ParkeHarrison. Die Passage, die hier musikalisch „geklopft“ wird, führt vom archaischen zum modernen Irland. Der gälische Sänger Iarla Ó Lionáird steht mit seiner herzblutenden Stimme im Mittelpunkt dieser entschleunigten Musik, Lichtjahre von wurzeligem Irish Folk entfernt. Stattdessen rückt das US-irische Kollektiv die alten Tunes in ein meditatives Licht, fast zen-artig entschlackt, mit irischer Fiddle, norwegischer Hardingfele, Gitarre und Piano. Das ist auf eine Art schon fast futuristisch.

The Gloaming: Samradh Samradh (live in Cork)
Quelle: youtube

Schatzkiste #3: Süßer Gitarren nie klingen

zanzibara7Sikinde vs. Ndekule: Zanzibara 7 – Une Bataille D’Orchestres À Dar Es Salaam 
(Jahazi Media/Buda Musique, 2014 – aufg. 1984-87)

entdeckt beim TFF Rudolstadt

Ausnahmsweise in der Schatzkiste mal eine CD.
Ich dachte, die schönsten Gitarrenklänge Afrikas kommen aus dem Kongo, habe ja deswegen tatsächlich wieder angefangen E-Gitarre zu spielen. Doch die Herren hier schlagen ihre Nachbarn aus dem „Rumbagürtel“ noch. Ostafrika-Spezialist Werner Graebner hat für sein Label Achtzigertracks von Tanzbands aus Tansania zusammengestellt, allen voran Outtakes vom Mlimani Park Orchestra. Muziki Wa Danzi heißt dieser Stil, der schon viel mit der Rumba Congolaise gemeinsam hat. Man konnte die nun betagteren Gründungsmitglieder zusammen mit neuen Kollegen im Juli in einer Reunion-Band namens Black Warriors beim TFF Rudolstadt hören. Genau der richtige Soundtrack zur schwülen Nachmittagsdunstglocke an der Saale.

Black Warriors live beim TFF Rudolstadt, Juli 2014
Quelle: youtube

Schatzkiste #2: Schwüle Streicherorgien

el coco  - dancing in paradise

El Coco: Dancing In Paradise 
(AVI, 1978)

entdeckt bei: Flashback Records Islington

Zugegeben, ihr Name ist komplett unsexy. Doch was das Produzentenpaar Laurin Rinder und W. Michael Lewis in den Siebzigern unter dem Moniker „El Coco“ fabrizierte, gehört zu den glitzerndsten Sternstunden der Disco-Ära.  Ich jedenfalls kenne wenige Streicherarrangements, die diese hier an Schwülität übersteigen, allein der achteinhalbminütige Track „Afrodesia“ bringt einen ganzen Wald voll Glitzerkugeln zum Glühen.  Ganz zu schweigen von den drübergelegten Bläserschichten. Ein weiteres Projekt der beiden Disco-Masterminds hieß übrigens „Le Pamplemousse“. Hmm, vielleicht mache ich doch noch meine auf die lange Bank geschobene CD-Kompilation mit „Soul Strings“.

El Coco: „Afrodesia“
Quelle: youtube

Schatzkiste #1: Nicht Finne, nicht Schwede

laulau koti-ikävästä

Various Artists: OST Laulu Koti-Ikävästä 
(Kaiho Records, 2013)

entdeckt beim finnischen Händler des Vertrauens

Da geht man zu einem Filmfestival – in diesem Falle die Nordischen Filmtage in Lübeck – und dann entdeckt man Musik, über die man sonst nie gestolpert wäre.  Gezeigt wurde dort der Streifen Laulu Koti-Ikävästä (Finnish Blood, Swedish Heart) von Mika Ronkainen – ein Vater-Sohn-Roadmovie und zugleich eine bewegende Geschichte über finnische Arbeitsimmigranten. Was den Film allerdings so besonders macht, ist der Soundtrack: Gespreizt zwischen Finnentango und Rockabilly wird hier die Sechziger- und Siebzigerjahre-Atmo des hohen Nordens genauso stilecht wie melancholisch heraufbeschworen.  Stars dieser ungewöhnlichen Vintage-Revue sind die Musiker des Månskensorkestern (Mondscheinorchester).

Markus Fagervall & Månskensorkestern: „Alla Slussenin Siltojen“
Quelle: youtube

 

Walisisches Wunderwerk

9bach - tincian9bach: Tincian (RealWorld/Indigo)
Von Peter Gabriels RealWorld Studios liegt Wales überhaupt nicht weit entfernt. Trotzdem haben sich seine Talentscouter selten (oder nie?) dahin gewagt. Bis jetzt. Lange habe ich nach einem Begriff für die Musik von Lisa Jen und Martin Hoyland alias 9bach gesucht, „Industrial-Kammerpop“ ist es dann geworden. Sangliche Piano- und Fender Rhodes-Riffs, metallene Harfenschnipsel, geheimnisvoll bluesige Akustik- und sperrige Stromgitarren, ein pathetisch summender Männerchor. Der Albumtitel bedeutet „Nachhall“ – und den werden diese Tracks bei mir noch lange haben.

9bach: „Pa Le?“ (live at Ochor Un)
Quelle: youtube