SWR 2 Musikstunde Track Sounds – die Musik der Schienen
12.06. – 16.06.2023, 9h05 – 10h
von Stefan Franzen
Schnauben, rattern, pfeifen, quietschen und rauschen – für viele ist die Eisenbahn selbst schon Musik. Von den Signalhörnern der Lokomotiven bis zum rhythmischen Klappern der Schwellen sind die Sounds der Züge während der letzten 180 Jahre in Orchesterstücke, Kammermusik, Jazztunes, Minimal Music, Lied, Chanson, Folk- und Popsongs eingebaut worden.
Doch Eisenbahnmusik ist weit mehr als Klang gewordenes Geräusch. Selten geht es in ihr um eine simple Fahrt von A nach B, gerade die Nebenstrecken und Abstellgleise erzählen die reizvollen Geschichten: von Wartenden am Gleis, von Bahnarbeitern und Hobos, von geheimnisvollen Abzweigungen und verpassten Chancen, vom Rauschen durch die Nacht, vom Geraten auf die schiefe Bahn. Züge gleiten und geleiten in die himmlische Sphäre, oder sie fahren in die Unterwelt, stürzen in höllische Schlünde.
In dieser Woche zeigt die SWR 2 Musikstunde einen Railroad Movie für die Ohren – lassen wir uns überraschen, wohin die Reise auf musikalischen Schienen geht.
Rabih Lahoud von Masaa (Foto vom Künstler zur Verfügung gestellt)
Drei deutsche Jazzmusiker und ein deutsch-libanesischer Sänger-Poet: Aus dieser Kombination entsteht bei Masaa eine einzigartige Klangwelt. Die Stimme der Band, Rabih Lahoud, reflektiert im Interview über das Ankommen in Deutschland, sein Verhältnis zu einer sich verändernden arabischen Sprache und über die Kategorisierungen in Weltmusik und Jazz.
aktuell: SRF 2 Kultur strahlt meinen Beitrag mit Masaa am Dienstag, den 2.5. ab 20h in der Sendung Jazz & World aktuell aus: Radio SRF 2 Kultur – SRF
Rabih Lahoud, wenn man das neue Masaa-Album Beit (Veröffentlichung: 28.4.) hört, hat man den Eindruck, dass die Musiker sehr direkt die Hörer ansprechen, der Sound ist nah und warm. „Beit“ bedeutet ja auch „Haus“, „Heim“. Heißt das, Masaa sind nach Jahren der Wanderschaft zuhause angekommen?
Lahoud: Das würde ich bejahen, zumindest ist auch das mein eigenes Gefühl. Nach 20 Jahren bin ich jetzt hier ein bisschen mehr angekommen. Die Hälfte meines Lebens bin ich jetzt hier, mitgestaltend, nicht als Gast. Ich sage nicht mehr: „Hier bin ich woanders“. Sondern: „Jetzt bin ich hier“. Und diese Musik, diese meine Ideen tragen dazu bei, wie die Klanglandschaft hier ist.
Was bedeutet Beit als Albumthema genau, in einer Zeit, in der immer mehr Menschen gezwungen sind, ihren Schutzraum zu verlassen, in der viele Häuser zerstört werden, durch die gewaltige Explosion im Hafen von Libanon, durch den Krieg in der Ukraine? Haben diese Ereignisse Einfluss gehabt auf die Entstehung der Platte?
Lahoud: Ja, absolut. Das ist eine Überlegung, die sich intensiviert hat nach diesen Ereignissen. Ich sehe das Konzept von „Haus und Heim“ als ein doppeltes. Zum einen, das historische Sesshaftwerden der Menschheit. Zum anderen aber auch etwas Internes: Was bedeutet das wirklich, sich zuhause zu fühlen? Was für viele Menschen normal ist, jst heute für viele, viele nicht mehr selbstverständlich, sondern ein Privileg geworden. Am Ende des Titelstücks singe ich immer wieder: „Keine Häuser zerstören, Häuser bauen!“ Das kann man auch metaphorisch verstehen. „Hatdem“ heißt zerstören, „dammara“ aufbauen. Die arabische Sprache ist da sehr rhythmisch in ihrer Struktur, und daher hört sich das fast an wie ein Spiel mit Rap.
Daheim kann man sich ja auch in einer Sprache fühlen. Auf früheren Alben haben Sie auch auf Deutsch gesungen, das ist jetzt weggefallen, die meisten Ihrer Texte sind auf Arabisch, und die sind länger geworden als früher. Ist das Arabische trotz der langen Abwesenheit vom Libanon immer mehr Ihr Zuhause?
Lahoud: Ich glaube schon. Meine Beziehung zum Arabischen hat sich verändert. Ich fühle mich wohler im Sprechen, deshalb verwende ich vielleicht auch mehr Wörter. In meinem Alltag als Jugendlicher war vor allem der Klang der Sprache etwas Schönes, nicht die Bedeutung der Worte. Jetzt langsam haben für mich die Wörter neue Bedeutungen, neue Erfahrungen, ich habe das Gefühl, ich kann das zulassen. Es klingt jetzt mehr nach Rabih als nur nach Arabisch.
Wo steht die arabische Sprache heute als künstlerisches Ausdrucksmedium?
Mein Gefühl ist, dass die arabische Sprache etwas durch die osmanischen und europäischen Einflüsse eingebüßt hatte. Besonders im Libanon war dieser Einfluss ja groß und wir haben dort heute eine Mischung von Sprachen. Das ist einerseits wunderbar, denn der Mensch ist ein Wesen, das sich anpassen kann, um der Kommunikation willen Dinge transformieren kann. Das ist insbesondere ein libanesischer Wesenszug: Man verlässt Identitäten, um in Kommunikation zu bleiben, es geht darum, dass man sich versteht. Andererseits hat diese wunderbare Sprache dadurch auch ein bisschen ihr Herz verloren, indem sie sich vielleicht minderwertig oder nicht up to date fühlt. Denn es gibt viele Wörter der modernen Welt, für die das Arabische heute keine Entsprechungen hat. Das Arabische braucht meiner Meinung nach eine künstlerische Unterstützung. Es darf nicht die Fähigkeit verlieren, dass man Schönheit und Zärtlichkeit und Kraft ausdrücken kann.
Verändert sich die arabische Sprache auch durch die Umwälzungen seit dem „Arabischen Frühling“?
Lahoud: Ja, total. Ich fühle einen Umbruch, eine Wende, eine Veränderung im Bewusstsein der jungen Menschen, vor allem der Generation, die jetzt nachkommt, nach dem „Arabischen Frühling“. Die Sprache wird als etwas behandelt, das wiedergeboren werden muss. Ich habe den Eindruck, junge Leute verwenden in den Social Media Dialektausdrücke aus den einzelnen Regionen jetzt pan-arabisch, und dadurch entsteht eine neue Hochsprache, eine neue Ausdruckskraft. Das wird in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren auch in den Strukturen der arabischen Gesellschaft sichtbar werden.
Haben Sie nur zur arabischen Sprache eine neue Einstellung gewonnen, oder auch zur Musik Ihrer ersten Heimat?
Lahoud: Früher habe ich nicht mit arabischen Skalen gearbeitet, war eher auf Distanz. Inzwischen fasziniert mich die klassische arabische Musik und ich recherchiere über sie. Ich merke jetzt, wie wertvoll das ist, wenn wir diese Schatzkiste in den Masaa-Sound hineinnehmen. Ein Stück auf „Beit“, eine Widmung an den Musiker „Zeryab“ aus dem Córdoba des 8./9. Jahrhunderts, steht zum Beispiel im Nahawand-Modus. Das ist eine Skala, die mit dem europäischen Moll verwandt ist. Aber es gibt in der arabischen Musik eben viele Molls: In Aleppo hört sich Moll durch andere Mikrointervalle ganz anders an als in Kairo. Durch diese feinen Unterschiede öffnen sich ganz verschiedene Welten.
Im Stück „Nabad“ gibt es die schöne Zeile: „Nimm das Gewicht der Vorfahren weg“. Ist das ein Plädoyer dafür, dass wir uns als bloße Menschen begegnen sollten, unbelastet von politischen Altlasten der Vergangenheit?
SWR 2 wiederholt ab Montag, den 30.01. meine Musikstunde von 2020:
„Der Atem des Himmels – eine musikalische Geschichte der Düfte“
SWR 2 Kultur, 30.01. – 03.02.2023, jeweils 09h05 – 10h
„Parfums sind Symphonien und Parfumeure Komponisten. In der Kunst ist die Parfümerie die duftende Nachbarin der wohlklingenden Musik“, bemerkte einst Jean Cocteau. Zu welchen Liedern, Chansons, Songs, Symphonien oder Opernarien regten die Harze und Kräuter der Antike, die Blüten und Früchte des Mittelmeers, die Hölzer und Gewürze des Orients die musikalische Fantasie an? Welche Werke entstanden als Widmung an duftende Persönlichkeiten wie die Königin von Saba, Kleopatra, Louis XIV oder Coco Chanel? Und umgekehrt gefragt: Wie duften Puccinis Cio Cio San oder Tschaikowskys „Pique Dame“, welche Aromen verströmt ein Flamenco oder ein Tango in der Vorstellung der Parfumeure?
Um all diese nie ganz greifbaren, doch gerade deshalb immer schillernden, synästhetischen Abenteuer zwischen Nase und Ohren geht es in dieser Musikwoche, über 5000 Jahre hinweg, über fast alle Erdteile, von Babylon bis nach Buenos Aires, von den Pharaonen bis zu Kate Bush.
1. Von Myrrhe, Weihrauch und Balsam – die Wohlgerüche des Altertums (30.01.) 2. Tausendundein Aroma – die Düfte des Orients und Asiens (31.01.)
3. Vanille, Zimt, Orange und Jasmin – von den Tropen ins Mittelmeer (01.02.)
4. Könige, Romantiker und Synästheten – Streifzüge durch Europas Dufthistorie (02.02.)
5. Von Coco Chanel bis Kate Bush – Parfums der Neuzeit (03.02.)
Heute darf ich euch auf eine Passage im Schweizer Rundfunk hinweisen, in der es um den portugiesischen Liedermacher José Afonso geht:
SRF 2 Kultur – Passage Freitag, 13.01.2023 – 20-21h José Afonso – musikalischer Pionier zwischen Poesie und Politik
von Stefan Franzen Sein Lied „Grândola, Vila Morena“ gab am 25. April 1974 das Startsignal für die Nelkenrevolution. Für viele Portugiesen ist José Afonso eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Landes. Nun wird sein Werk auf dem eigens gegründeten Verlag Mais 5 neu aufgelegt.
Lehrer, Sänger, Antifaschist – die biographischen Facetten des 1987 verstorbenen Liedermachers sind vielfältig. Mit bildreicher Poesie kämpfte er gegen die Diktatur, wurde zum Sprachrohr der Arbeiter und Studenten, zur Ikone des Neubeginns. Seine Musik gilt als pionierhaft: Sie vereint Volksliedtraditionen mit afrikanischen Einflüssen, eine ausdrucksstarke Stimme mit spannenden Arrangements. Im Gespräch mit Afonsos Tochter Helena und dem Musikproduzenten Nuno Saraiva sowie anhand seiner musikalischen Meilensteine zeichnet Stefan Franzen das Bild eines Mannes, der mit seinem humanistischen Ansatz wieder hochaktuell ist.
Joyce & Mauricio Maestro in den Columbia Studios, New York 1977 (credits: Raymond Ross)
Angehender Brasil-Star trifft weltberühmten deutschen Produzenten in New York. Das Resultat: Eine legendäre Session in den Columbia-Studios. Doch die Aufnahmen erscheinen nie, gewinnen mythische Züge. Stoff für eine hochspannende Unterhaltung mit Joyce Moreno – zumal diese Sessions nun endlich, nach 45 Jahren (Natureza, Far Out) veröffentlicht worden sind.
Am 10.1.2023 wird Joyce zu ihrem bevorstehenden 75. Geburtstag gewürdigt in der Jazz Collection von SRF 2 Kultur, wo ich ab 21h Gast beim Moderator Jodok Hess sein darf.
Wer 1977 auf der New Yorker East Street im total angesagten Disco-Schuppen „Hippopotamus“ tanzen ging, konnte gleiche nebenan einen neueröffneten Chill Out-Club namens „Cachaça“ entdecken. Stolperte man da rein, stand vielleicht gerade eine junge Brasilianerin auf der Bühne, flankiert von ein paar Landsleuten, zu denen der damals schon recht bekannte Perkussionist Naná Vasconcelos zählte. „Das war ein todschicker Club, und wir, ein Haufen wilder Youngsters, waren gleich für ein paar Monate gebucht“, erinnert sich Joyce Moreno, die damals freilich noch schlicht unter „Joyce“ firmierte. 1968 hatte sie mit ihrem Debütalbum in Rio das Zeitalter der Bossa Nova-Musen beendet, die nur das sangen, was ihnen die Männer auf den Leib schneiderten.
Ein Skandal, dass da plötzlich eine junge Frau aus weiblicher Perspektive selbst textete, und ihre Protesthaltung gegenüber dem Militärregime machte ihr das Leben als Musikerin nicht leichter. Jede Verpflichtung im Ausland kam da als Befreiung. In ihrer NY-Band trommelt João Palma, unter anderem Session-Mann von Frank Sinatra und Antônio Carlos Jobim – und als der die Songs hört, die Moreno im Jahr zuvor mit dem Sänger und Multiinstrumentalisten Maurício Maestro aufgenommen hatte, hat er einen Geistesblitz: „Das sollte unbedingt mal Claus hören.“ Claus? Will heißen: der Deutsche Claus Ogerman, jener legendäre, 2016 verstorbene Produzent, Arrangeur und Dirigent, der etliche Alben von Jobim mit dezenter, orchestraler Räumlichkeit veredelt hatte, darüber hinaus mit einer Starriege von Billie Holiday bis Bill Evans arbeitete.
Ogerman erwärmt sich sofort für das Material von Joyce Moreno und beraumt in den ehrwürdigen Columbia-Studios eine Session an. „Ich starb dafür mit Claus zu arbeiten, er war für mich eine Art Held!“, so Joyce. Kein Wunder, dass sie die Warnung ihres Freundes João Gilberto in den Wind schlägt. „Er war der Ansicht, Claus hätte sein gerade erschienenes Album ‚Amoroso‘ ruiniert, da die tiefen Frequenzen seiner Stimme nicht zu hören seien, er bezeichnete ihn gar als ‚Taugenichts‘. Aber so war João eben, ein schwieriger, aber lustiger Charakter. Ich denke, er war einfach eifersüchtig, dass Claus jetzt mit mir arbeiten wollte. Er schlug sogar vor, dass er selbst mein Album produzieren wolle. João Gilberto als Produzent, kannst du dir das vorstellen? Nie im Leben!“
Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. In der Band, die Joyce zu Columbia mitbringt, spielt neben Gitarrist und Co-Autor Maestro, Vasconcelos und Palma auch ihr zukünftiger Gatte, der Drummer Tutty Moreno, den sie gerade kennengelernt hat. Die Amerikaner Buster Williams (b) und Jeremy Steig (fl) werden hinzugebucht. Was dann passiert, ist recht überraschend: „Claus griff überhaupt nicht ein“, erzählt Joyce. „Er war super respektvoll gegenüber uns und gab uns völlige Freiheit. Der Beweis dafür ist die elfeinhalbminütige Version von ‚Feminina‘. Wir wussten im zweiten Teil, der Jam-Sektion nicht, wie wir zum Ende kommen sollten, und er ließ es einfach laufen. Was du heute hörst, ist das Ergebnis eines einzigen Takes, live, ohne Overdubs, so, wie ich bis heute gerne aufnehme.“ Genau wie beim Stück „Pega Leve“ verspricht er Joyce, das Resultat sei ja perfekt, er habe nichts mehr daran zu ändern. Doch Ogerman wäre nicht Ogerman, hätte er nicht noch hier wie in den anderen Stücken allerhand Zutaten eingebracht: Nachdem die Brasilianer das Studio geräumt haben, bestellt er Michael Brecker, Mike Manieri und Urbie Green für Tenorsax, Vibes und Posaune ein, ersetzt Steigs Flötensoli durch Joe Farrell, und er textiert in einigen Tracks dann mit dem für ihn so typisch pastellfarbenen Streichorchester.
Nicht bei all diesen Eingriffen wird Joyce um ihr Einverständnis gefragt. Sie ist aus familiären Gründen mittlerweile nach Rio zurückgekehrt, bleibt mit Ogerman aber in Verbindung. Der aber will vor einer Veröffentlichung weitere Veränderungen durchsetzen. Zwei der sieben Stücken stammen aus der Feder von Maurício Maestro, melancholische Balladen im Stil der Clube da Esquina-Bewegung um Milton Nascimento. Joyce soll Maestros Leadgesang ersetzen. Und überhaupt: alle Gesangsspuren noch einmal neu auf Englisch einsingen. Eine rote Linie. „Er schlug mir als Übersetzer Michael Franks vor“, erklärt Joyce. „Aber was wäre von meinen Texten dann noch übriggeblieben? In ‚Feminina‘ geht es schließlich um den Dialog von Tochter und Mutter, die sich darüber unterhalten, was ‚Weiblichkeit‘ heißt. Ein Mann hätte das Thema völlig verändert.“ Und dann verweist sie darauf, was ihrem guten Freund Jobim passierte, der seine Bossa-Hits von Ray Gilbert und Norman Gimbel anglisieren ließ. „Auf eine Art war Jobim klüger, denn so konnte seine Musik um die ganze Welt reisen. Aber irgendwann sagte er zu mir: ‚Hätte ich das Geld, würde ich ‚The Girl From Ipanema‘ zurückkaufen.‘ Denn Gimbel, ein Typ, der übrigens nie in Ipanema war, verdiente vielmehr dran als der Urheber selbst.“
Als unüberbrückbar erweisen sich die Differenzen zwischen Ogerman und Moreno, die Sessions bleiben in der Schublade. Doch die Prima Materia aus NY, großartige Kompositionen wie „Feminina“, „Misterios“ oder „Moreno“, nimmt Joyce Anfang der Achtziger in Rio neu auf, sie begründen ihren Ruhm bei der Rare Groove-Gemeinde der 1990er. Unterdessen gelingt es selbst Verve, wo Moreno später unter Vertrag steht, nicht, einen Deal mit Ogerman hinzubekommen, der irrsinnige Summen für eine Veröffentlichung verlangt. Nur Christian Kellersmann von Universal kann sich die Rechte zweier Songs (das hymnische, im 7/4-Takt kreisende „Descompassadamente“ und „Feminina“) für die Kompilationen The Man And The Music und Trip To Brazil sichern.
„Dass diese Aufnahmen jemals komplett rauskommen, daran habe ich große Zweifel!“, sagte Joyce noch 2005, als wir sie für die Jazz thing-Homestory besuchten. Jetzt, siebzehn Jahre später, kann sie auf dem gleichen Sofa sitzend den Release verkünden. „Es ist der Beharrlichkeit von Joe Davis meines englischen Labels Far Out zu verdanken. Joe hat immer dafür gekämpft.“ Unter idealen Umständen erblicken die Natureza-Sessions das Licht der Öffentlichkeit nicht. Far Out hat die Musik von einem Cassetten-Mitschnitt runtergezogen, der in Morenos Besitz war, eine Feinabmischung war unmöglich, wohl aber ein Remastering mit den Optionen des Jahres 2022. Das reicht, um beim Anhören eine Frische und Lebendigkeit rüberzubringen, bei der man das Fehlen einer klaren Spurentrennung gerne in Kauf nimmt. Welche Alternativen ihrer Songs gefallen nun Joyce selbst besser? Ihre Antwort ist diplomatisch: „Die Versionen aus Rio klingen klarer, keine Frage. Aber die New Yorker Aufnahmen fangen einen ganz besonderen Moment in meiner Karriere ein.“ Der Mythos, er wurde endlich zum zweiten Leben erweckt.
am 10.1.2023 wird Joyce zu ihrem bevorstehenden 75. Geburtstag von mir gewürdigt in der Jazz Collection von SRF 2 Kultur, wo ich ab 21h Gast beim Moderator Jodok Hess sein darf.
SWR 2 Musikstunde Sänger, Magier und Prophet – auf den musikalischen Spuren von Orpheus
04.07. – 08.07.2022, 9h05 – 10h
von Stefan Franzen
Er ist der Urahne aller Barden, die mythische Gestalt der Musik schlechthin. Dichter, Filmemacher, Choreographen und natürlich Klangkünstler hat er über Jahrhunderte angeregt. Seine Spur zieht sich von der Antike über den Barock und die Klassik bis in die Moderne, den Jazz, das Musical, die Popkultur: Orfeo, Orphée, Orpheus.
Was für eine Geschichte! Ein Sänger, der mit seiner Stimme das stürmische Meer bändigt, Felsen zum Weinen bringt, dem wilde Tiere und sogar die sonst selbst so betörenden Sirenen lauschen. Vom Sonnengott Apollo direkt hat er die Lyra erhalten und mit ihr will er furchtlos seine Geliebte, die Nymphe Eurydike aus der Unterwelt zurückholen – doch dabei verliert er sie für immer. Kein Wunder, dass dieser Plot von jeher feine Künstlernerven stimuliert hat.
Auf den Spuren von Orpheus erkunden wir seine rätselhafte Identität im antiken Mazedonien, machen uns auf die Suche nach seiner Lyra, den ominösen Orphikern und gelangen zu einer Rittersage. Wir hören uns an, wie sich der Mythenheld über die Jahrhunderte auf der Opernbühne und Leinwand schlägt, von Monteverdi bis Kaurismäki. Dem Orfeu Negro folgen wir in die Tropen, wo er Karnevals-Star und Schamane ist. Seiner Verehrung in Liedkunst lauschen wir von Shakespeare bis Nick Cave nach. Und staunen schließlich über den Entwurf eines neuen Orpheus in der Moderne, bei Strawinsky, Weill und Glass.
Teil 1: Orpheus in der Opernwelt (04.07.) Teil 2: Vom Göttersohn zum Ritter (05.07.) Teil 3: „Der Nachen dröhnt“ – Orpheus im Lied (06.07.) Teil 4: Orfeu Negro – Orpheus in der Tropenwelt (07.07.) Teil 5: Der Orpheus der Moderne (08.07.)
Beheimatet in zwei Welten – so beschreibt Júlio Resende sein künstlerisches Selbstverständnis. Bereits 2013 brachte der Pianist aus Lissabon ein Tribut an die größte Fadista aller Zeiten, Amália Rodrigues heraus. Seit Jahren hat er sich mit Fado genauso wie mit Jazz intensiv auseinandergesetzt. Der Pianist aus Lissabon hat das spannende Experiment unternommen, den üblicherweise gesungenen Fado aus seinem traditionellen Korsett zu befreien. Er spielt ihn rein instrumental und verbindet ihn mit der Improvisation des Jazz. Die Entstehung seines neuen Albums war für ihn daher ein ganz organischer und natürlicher Prozess.
Meinen Interview-Beitrag über Júlio Resende und sein neues Werk Fado Jazz strahlt SRF 2 Kultur am Dienstag, den 5. April ab 20h in der Sendung Jazz & World aktuell mit Roman Hosek aus. Wiederholt wird die Sendung am 8. April ab 21h, in der Schweiz ist sie auch nach der Ausstrahlung online zu hören.
Seit etlichen Jahren bereichern experimentierfreudige Frauen mit globaler Perspektive die Jazzszene der Schweiz, von Erika Stucky über Lisette Spinnler bis Elina Duni. In der Sendung JazzFacts im Deutschlandfunk stelle ich die auf diesem Blog schon bekannte Yumi Ito aus Basel vor, die in ihren frühen Dreißigern bereits ein immenses Spektrum an Talenten ausspielt. Sie bereichert den Jazz um Nuancen aus der Klassik, aus dem Pop und aus dem Songwriting.
„Weltbürgerin aus Basel“ – ein Interview-Porträt der Sängerin, Pianistin, Komponistin, Arrangeurin und Orchesterleiterin Yumi Ito, am Donnerstag, den 10.3. ab 21h05, und danach auch im Podcast:
Heute würde Miriam Makeba 90 Jahre alt. Als Afrikanerin in New York hat Somi Kakoma seit fünfzehn Jahren atemberaubende und komplexe Visionen von Black Music entwickelt. Mit „Zenzile – the reimagination of Miriam Makeba“, ihrem Tribut an die große Südafrikanerin, setzt Somi ihren Dialog zwischen den Kontinenten fort. Und sie arbeitet zugleich ihre eigene Geschichte auf – mit Gästen von Gregory Porter bis Angélique Kidjo.
SRF 2 Kultur sendet meinen Beitrag in der Sendung Jazz World aktuell am Dienstag, den 8.3. ab 20h, zu hören im Live-Stream, in der Wiederholung am 11.3. ab 21h oder in der Schweiz auch im Podcast nach der Sendung.
Somi & Gregory Porter: „Love Tastes Like Strawberries“
Quelle: youtube
Die Berner Bassistin und Bandleaderin Eva Kesselring, die sich als Künstlerin Eva Kess nennt, hat mitten in Zeiten des Social Distancing ein Kunststück fertiggebracht: In den Winterthurer Hard Studios spielte sie mit 14 Musikern innerhalb von drei Tagen ein Large Ensemble-Album ein. Die Botschaft dieses Albums ist einfach, die Musik aber spannend und komplex. Mit Eva Kess habe ich über den „Inter-Musical Love Letter“ für die Sendung Jazz & World aktuell auf SRF 2 gesprochen. Ausstrahlung ist am Dienstag, den 08.02. ab 20h, Wiederholung am 11.02. ab 21h. Die Sendung ist im Live-Stream zu hören, in der Schweiz auch im Podcast danach.