Iranische Incognito-Insel

Liraz
Roya
(Glitterbeat/Indigo)

Für ihre beiden ersten mutigen Platten wurde sie gefeiert, jetzt kehrt Liraz  zurück und traut sich nach wie vor das, was eigentlich unmöglich ist: die Vermählung von Israel und Iran, für die in einem Keller in Istanbul heimlich ausgereiste Musiker aus Teheran auf ihr Sextett aus Tel Aviv trafen.

Es ist einfach verblüffend, wie sorglos dieser Pop klingt, der in dieser Incognito-Insel entstehen musste: Fliegende Keyboard-Arpeggien, lockere Handgelenk-Riffs der Rhythmusgitarre, mit Disco-Stolz schreitende Drums. Darüber die Stimme, die das Zierwerk der Orient-Melismen mit dreamy Popattitüde paart. Das tönt zwar hin und wieder nach der gloriosen Energie der Frühachtziger, macht aber nie selbstreflexiv auf Vintage. Und ist daher einfach wunderbar zeitlos. Anspieltipps: das becircende “Doone Doone” und das kompakt-hymnische “Bishtar Behand”.

Liraz: „Roya“
Quelle: youtube

Die heutige Veröffenrlichung von Liraz‘ Album fällt in eine Zeit, in der sich der Iran aufbäumt: Nach dem gewaltsamen Tod der in polizeilichem Gewahrsam gestorbenen Mahsa Amini weiten sich die Proteste gegen das Regime im Iran durch alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen aus. Der Sänger Shervin Hajipour hat der Bewegung mit seinem Song „Baraye“ eine Hymne geschrieben, ihr Text besteht aus Tweets, in denen Demonstrierende ihre Beweggründe erklären. Hajipour wurde vorgeworfen, er würde Aufruhr stiften, er war vorübergehend in Haft, momentan ist er auf Kaution frei, seine Zukunft ungewiss.

Nicht nur Popmusiker, auch prominente Köpfe der klassischen persischen Musik solidarisieren sich mit der Protestbewegung, so etwa der bekannteste Tar-Spieler und Komponist Hossein Alizadeh, der sich per Videobotschaft auf Facebook an seine Landsleute wandte, oder der Kamancheh-Virtuose Kayhan Kalhor. Solidarität kommt auch aus der großen exiliranischen Gemeinde überall auf der Welt. Die großen Stars der US-persischen Musikszene, unter ihnen der vor seinem Gang ins Exil oft inhaftierte Dariush Eghbali und die Sängerin Leila Forouhar zählen zu denjenigen, die ihre Stimme für ihre Landsleute öffentlich erhoben haben. Meine Gedanken sind bei all den Unerschrockenen, darunter vielen Frauen, die unter Einsatz ihres Lebens gegen die Mullah-Tyrannei auf die Straße gehen.

© Stefan Franzen

Hallräume aus São Paulo

Tim Bernardes
Mil Coisas Invisíveis
(Psychic Hotline/Cargo)

Brasilien war in den späten 1960ern Vorreiter einer psychedelisch gefärbten Popsprache. Gerade die junge Szene São Paulos führt diese Tradition heute fort. Schon beim Betrachten des Covers von Mil Coisas Invisíveis (1000 unsichtbare Dinge) wird klar, dass der Songwriter Tim Bernardes aus der Zeit gefallen ist. Optisch genau wie akustisch: Sein Retro-Sound funkelt in leuchtenden Hymnen, die geschwängert sind von sonnigem Streicherflirren (“Fases”). Weiche Knackbässe sind ein unverzichtbares Mittel und Schwebeharmonien, die dem Kopf von Beach Boy Brian Wilson entsprungen sein könnten.

Dazu leben viele der Songs von einer Tiefendynamik, die man im Zeitalter des permanenten Lautstärke-Limits kaum mehr gewohnt ist. Ein fein ausdifferenzierter Atem strömt da, der auch lange Sologesangs-Passagen zu Gitarre oder Piano zulässt. Stücke wie “Meus 26” und “Olha” sind Meisterwerke, die an Scott Walker und Terry Callier zugleich erinnern. Eine fantastische Wide Screen-Soundarchitektur, die immer wieder in folkige Nischen zurückfällt (“Velha Amiga”). Und das alles krönt Bernardes durch seine oft mit der Grenze zum Falsett kokettierende Stimme. Ein Kandidat auf die Platte des Jahres?

© Stefan Franzen

Tim Bernardes:“Mistificar“
Quelle: youtube

Afro-Zukunft aus Südfrankreich

Kolinga
Legacy
(Underdog Records)

Die dunklen Piano-Akkorde im Intro gemahnen fast an Nina Simone, ein würdiger Auftakt für ein grandioses Werk: Das Sextett Kolinga um die franko-kongolesische Sängerin Rebecca M’Boungou erzählt auf Legacy von Weltbürgerschaft. Die Sprache, die M’Boungou und das Band-Mastermind Arnaud Estor dafür wählen, nährt sich aus kongolesischer Rumba, die dream-poppig untergraben wird. Aus Roots Reggae, der einen Neo Soul-Einschub bekommt. Aus Flirts mit französischem Electro-Pop, spaceigem Gitarrenrock und einer Reverenz an Jacksons “Off The Wall”, die sich aus einem schmelzenden Soukous herausmogelt: Michael auf der Tanzfläche in Brazzaville! Und plötzlich leuchten überirdische Soul-Chorsätze zur predigenden Orgel (“Fire”). Jedes Stück eine kleine und große Welt für sich in diesem im besten Sinne globalisierten Sound. Und eine Afro-Musik der Zukunft, die ganz ohne das hässliche Prädikate “urban” auskommt.

© Stefan Franzen

Kolinga: „Mateya Disko“
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Klingendes Rauchwerk

Papiers D’Arménies
Guenats Pashas
(Meredith/Broken Silence)

Haben Sie schon mal das harzige Räucherwerk Papiers D’Arménies verbrannt? Sofort stellen sich in der Nase Assoziationen an orientalische Fernreisen ein. Dass das Ensemble um den Ex-Bratsch-Chef Dan Gharibian und seine Tochter Macha sich nach diesem Duftpapier benannt hat, ergibt Sinn. Denn auf dem neuen Werk Guenats Pashas öffnet sich eine Reiseroute vom Balkan über Griechenland in die Türkei und auf den Kaukasus: mit seelenvoller Duduk und Bordun-Chor, beschwingtem Akkordeon-Motor, verträumten Piano-Phrasen zur bluesigen Viola, immer wieder gewürzt durch betörend wehmütige Vokal-Moleküle.

Papiers D’Arménies: „Gulo“
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Marimba ist der Nabel

Trio SR 9
Déjà Vu
(NøFormat/Indigo)

Der Nabel der musikalischen Welt des französischen Trio SR9 ist die Marimba. Um sie und weitere Percussion bis hin zur Glasharmonika bauen Paul Changarnier, Nicolas Cousin und Alexandre Esperet mal Neuinterpretationen klassischer Komponisten, und – wie auf dem aktuellen Album Déjà Vu – mit vielen Gästen nun auch aktuelle Popsongs. Pharell Williams’ “Happy” mit der Stimme von Camille, Rosalias “Malamente” mit Camelia Jordana oder Sias “Chandelier” in der Interpretation von Sandra Nkaké erhalten in dieser rein perkussiven Gewandung einen machtvollen, hölzernen Korpus. Die Songs – weitere Andockstationen sind Billie Eilish, Lana Del Ray und Lorde –  werden auf ihre melodische Durchschlagskraft gewissermaßen “abgeklopft”. Den Vogel schießt dabei aber der Kameruner Blick Bassy ab, der über kargen Schlagwerk-Patterns Ariana Grandes “One Last Time” mit seinen glimmenden Falsettchören afrikanisiert.

Trio SR 9 feat. Blick Bassy: One More Time“
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Lichtmusik

Federspiel
Albedo
(O-Tone Music)

Was für ein gewaltiges, aufbäumendes Crescendo im Opener “<0.90”! Österreichs grandioses Bläserseptett Federspiel widmet sich auf dem neuen Opus Albedo dem Reflektieren und Absorbieren von Licht. Klang gewordene Physik, der hier in vielen Nuancen glimmt, glüht, strahlt und gleißt. Einmal sind da noch Anklänge an austriakische Volksmusik zu vernehmen, in den “Schützentänzen” aus dem Salzkammergut, meist aber ist das zeitgenössische Brass-Musik, die nicht mal mehr in Spuren etwas mit Platteln oder Partyzelt zu tun hat.

Es geht ums Große und Ganze: “Kronos” erzählt die Schöpfung mit Mitteln, die fast schon an Holsts “Planets” erinnern, ein bewegendes Stück wie “Anthem” appelliert an unseren humanistischen Kern in Zeiten der Selbstvernichtung. Musikalische Formen setzen die Sieben sehr variabel ein: Mit “Inside-outside” experimentiert man mit wellenförmigen Echo-Strukturen, der “Freedom Waltz” dagegen beruft sich ganz auf die optimistische Kraft des Dreiertakts. Große Blasmusik für die Zukunft.

© Stefan Franzen

Federspiel: „Freedom Waltz“
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Kleinzellig und panafrikanisch


Drei Sommertipps aus der Kreativschmiede junger senegalesischer und ghanaischer Künstler*innen.

Panafrikanisch gleitet der Senegalese Alune Wade durch die zwölf Titel auf Sultan (yellowbird enja/edel). Paradebeispiel dafür, wie schillernd kleinzellig in einem einzigen Stück Wandlungen vollzogen warden ist “Donso”: ein Sahel-Groove, der mit erst trabendem, dann galoppierendem Large Ensemble mit herrlichem Laid Back-Klavier, reichem Blech und aufgekratzter Nomadenflöte ausgestaltet wird. Auch ansonsten Opulenz: Arabische Sphärenmusik (“L’Ombre De L’Âme”), ein schwerer Wüstenfunk (“Nasty Sands”), jazzig vebrämter Wolof-Rap “(Uthiopic”), eine schmelzende Ballade in “Dalaka” oder äthiopische Skalen “(Lullaby For Sultan”). Und all das taktweise fantasievoll und ganz ohne Poser-Gehabe: ein Meisterwerk.

Alune Wade: „Nasty Sands“
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Die trockenen Sounds des ghanaischen Nordens, die den süffigeren des Südens entgegenstehen, bekommen immer mehr internationale Aufmerksamkeit: Dazu dürfte auch Linda Ayupuka mit ihrem Album God Created Everything (Mais Um) beitragen. Diese Sounds, angesiedelt zwischen Afro-Gospel und den Traditionen der FraFra-Ethnie, stützen sich hier kräftig auf Auto Tune und Synth-Programming. Trotzdem sind die Melodien so aufgekratzt melismatisch, die Drums so lebendig pumpend, Ayupukas Stimme so charakterstark erdig, dass sich die Produktion nie klebrig anfühlt.

Linda Ayupuka: „Yine Faamam“
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Mit richtig großem Besteck hantiert die anglo-ghanaische Formation Isaac Birituro & The Rail Abandon auf ihrem zweiten Album Small Small (Wah Wah 45s): Hier fließen im opulenten Bigband-Bett Afrobeat und Highlife mit den eher der Mandinke-Kultur zuzurechnenden Balafon-Patterns und pentatonischen Frauenchören zusammen. Clever auch, wie großartige Percussion-Layers mit popmusik-kompatiblem Strophengesang zusammenfinden (“Ta Soo Maa Yele”), oder wie über dunkel schattierten Beats verträumte Vokal- und Violinimpros herumschwirren (“Told You So”). Gastauftritte von Dele Sosimi und Queen Ayesha würzen das satte Gebräu.

© Stefan Franzen

Isaac Birituro & The Rail Abandon: „Ta Soo Maa Yele“
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Neues Wasser geschöpft

Misagh Joolaee / Sebastian Flaig
Qanat
(Pilgrims Of Sound)

Sehr rege zeigt sich der innovative iranische Stachelgeigen-Spieler: Nach einem Duo- und einem Solo-Album, beide mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik prämiert, legt er mit Qanat zügig nach. Mit dem Perkussionisten Sebastian Flaig verfolgt Misagh Jolaee seinen Weg weiter, die Traditionen der Kamancheh, diesem filigranen, obertonreichen Instrument der persischen Klassik, zu einer Weltsprache zu weiten. Dass er hier eine Menge neuer Bogen- und Zupftechniken, ungewöhnliche Oberton-Effekte und Skalen auslotet, mag dem Fachhörer auffallen. Doch auch ohne spezialisiertes Wissen zieht einen diese CD in den Bann.

Das geschieht durch einen spirituellen Sog, der so feingewoben sein kann wie im schmerzlich dahinfliegenden “Bid-e Majnoun”, wo in jedem einzelnen Bogenstrich nuancierte Gefühlsregungen aus den Saiten gehaucht werden. Aber auch so virtuos wie im Titelstück, das durch eine Melodie aus Khorasan inspiriert wurde und dessen Titel auf das symbolträchtige Bild einer Wasserschöpftechnik in der Wüste verweist. Beschwörende Tiefe mit Vokaleinlage verströmt “Sohud”, nobles Schreiten “Bazgast”. Und in “Torbat” verschmilzt Flaigs perkussive Varianz auf der Bechertrommel Tombak mit der Kamancheh zu einem einzigen polyrhythmisch tanzenden Körper.

© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung (Ausgabe 15.07.2022)

Misagh Joolaee / Sewbastian Flaig: „Torbat
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Waldlieder aus Järna

Kolonien
Till Skogen
(Cumbancha/Exil)

Schwedischer Pop war seit den 1970ern immer ein guter Exportartikel. Die Folkfarben des Landes waren aber einer eher kleinen Liebhabergemeinde vorbehalten. Das könnte sich jetzt ändern, mit einem quirligen und zugleich umweltengagierten Quartett aus der Region Järna südlich von Stockholm. Kolonien verbinden die skandinavische Tugend, catchy Ohrwürmer zu zaubern, mit den reichen und tiefsinnigen Farben der Volksmusik, globalen Einflüssen von Westafrika bis Brasilien und einer integren Haltung im Zeichen des Kampfes gegen Klimawandel und Waldvernichtung. „Kolonien“ will der schwedische Vierer im ursprünglichen Wortsinn verstanden wissen, als „Niederlassung“ („Kolonien“ ist im Schwedischen die Einzahl), die mit den imperialen Gräueltaten auf anderen Erdteilen nichts zu tun hat: ein Ort des Kultivierens, ein Ausloten neuer Böden, ein Platz, auf dem Neues wachsen kann. Solch eine „Kolonie“ verkörpert die Band im musikalischen Sinne bestens.

In der Heimat macht die Band aus zwei Brüdern, ihrer Cousine und einem Kumpel von nebenan schon seit zehn Jahren Wirbel. Till Skogen („zum Wald“) ist ihr drittes Werk und widmet sich der Natur. Was wird passieren, wenn all unsere physischen Wurzeln durchgeschnitten und verbrannt sind?, fragen sich die Musiker angesichts der täglichen, weltweiten Vernichtung der Waldbestände und der Priorisierung schneller Erträge vor nachhaltigem Handeln. „Der Wald zuhause war immer ein Symbol für unsere eigene Familie, von der Wurzel über den Stamm bis zu den Blättern am Ende des kleinsten Zweiges.“ Diese familiäre Atmosphäre wird auf Till Skogen ganz konkret zelebriert: Über die vier Bandmitglieder hinaus haben Kinder, Enkel, Geschwister und Eltern mitgewirkt, sich dem Chor und der Bläsersektion angeschlossen.

Kolonien: „Till Skogen“
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Das musikalische Resultat ist grandios vielfältig: Es reicht vom knackigen, mitreißenden Folkpop des Openers über das seelenvolle A Cappella-Titelstück für die brennenden Wälder bis zu den afrikanischen Gitarren- und Basslinien von Arvid und Erik Rask und einer afro-brasilianischen Samba-Party mit Mischa Grinds perkussivem Arsenal. Durch Anna Möller, die Fiddlerin der Band, kommt die Tiefe der schwedische Geigentradition zur Geltung. Und das Finale widmen Kolonien dem Vordenker der Occupy-Bewegung Charles Eisenstein. 10 Prozent der Einnahmen an Till Skogen spendet die Band der schwedischen Organisation Skydda Skogen (skyddaskogen.se), die sich für den Erhalt der Wälder und der Biodiversität einsetzt.

Mit Till Skogen bauen Kolonien eine Brücke vom Worldpop zum Schwedenfolk. Sie zeigen, wie man mit handgemachten Songs Hitverdächtiges schaffen und gleichzeitig für die drängenden ökologischen Probleme sensibilisieren kann. Ein akustisches Meisterwerk für die Zukunft der Erde.

© Stefan Franzen

Kolonien: „Morgondag“
Quelle: youtube

Großes Pentatonik-Geschirr

Oumou Sangaré
Timbuktu
(World Circuit/BMG)

Vor anderthalb Jahren erst veröffentlichte die „Wassoulou-Queen“ ein Album mit Akustikversionen älterer Songs. Wer gedacht hat, sie sei zur Unplugged-Philosophie ihres Anfangs zurückgekehrt, sieht sich jetzt getäuscht. Mit komplett neuem Material spannt Oumou Sangaré auf Timbuktu wieder großes Geschirr an. Die Pentatonik und Melodien der südmalischen Region sind immer noch die Bausubstanz, aber drum herum haben sich ein paar Parameter geändert. Die Grundfarbe ist – wie im Opener „Wassulu Don“, der fast an Amadou & Mariam erinnert – oft bluesrockig, was nicht unwesentlich an den Slides und Dobros von Pascal Danaë liegt. Seine Saitenarbeit formt in unmerklichen Dialogen mit der Spießlaute den typischen Album-Sound in etlichen Stücken. „Sira“ tönt richtiggehend nach Pophymne, die in der Textur schon zu dicker Lasagne neigt.

Im federnden, traditionellen Schlagwerkgeflecht dagegen groovt „Sarama“, auch „Kele Magni“ trabt mit Balafon locker unter einer verzerrten Gitarre daher. In einer schönen Flöten-Ballade wie „Degui N’Kelena“ oder in „Kanou“ scheint noch der alte „Songbird“ Sangaré durch, als der sich die Sängerin auch in „Sabou Dogoné“ inszeniert – allerdings im sphärischen Keyboard-Bett. Textlich breitet sie weiterhin die zeitlosen, brennenden Themen Malis aus: Selbstermächtigung der Frauen, falsche Eifersucht, Aufruf zur Einheit des zerrissenen Landes, Bitte um Weisheit bei Allah. Timbuktu ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Reife.

© Stefan Franzen

Oumou Sangaré: „Wassulu Don“
Quelle: youtube