Parallelwelten

Johanna Summer
Resonanzen
(ACT/edel)

Die Plauener Pianistin Johanna Summer liebt Herausforderungen. Sie gilt als Jazzmusikerin, schlug mit ihrem „Schumann Kaleidoskop“ (2020) aber einen Weg ein, auf dem sie klassische Klavierkompositionen einer Neudefinition unterzieht, die mit dem Prädikat „verjazzt“ völlig verfehlt beschrieben wäre. Das wird umso ohrenfälliger auf ihrer zweiten Solo-Scheibe, auf der sich die 27-Jährige einem Repertoire von Johann Sebastian Bach bis György Ligeti widmet. Summer versenkt sich in die jeweilige Tonsprache, um das Baumaterial, die „Genetik“ eines Komponisten zu erfassen.

Aus dem Moment schöpfend entwirft sie dann eine neue Architektur. In ihrer Adaption der Bachschen Sinfonie Nr.11 in g-moll lockt sie spartanische Phrasen aus der Tiefe des Tonraums, die sich dann allmählich zur Polyphonie des Originals ordnen. Schuberts „Impromptu Nr.4“ gestaltet sie erst als Fantasie über seine typische Handschrift, bevor sie dann in Fragmente des bekannten perlenden Motivs einschwenkt. In einem Wiegenlied des Katalanen Federico Mompou fängt sie dessen Vorliebe für glockenartige Harmonien auf, die als Vorspiel zur Melodie dienen, und im „Prélude“ aus Ravels „Le Tombeau De Couperin“ lässt sie die Thematik sich aus irisierenden Tremoli entfalten.

Ähnlich verblüffende Entdeckungen lassen sich bei ihren Lesarten von Beethoven, Grieg und Tschaikowsky machen. Summer schafft also tatsächlich „Resonanzen“ zum Original, alternative Fakturen, Geschwister aus einer unbekannten musikalischen Parallelwelt.

© Stefan Franzen

Johanna Summer: „Grieg“
Quelle: youtube