Eklektizismus ist eine Tugend

meshell ndegeocelloMeshell Ndegeocello
Kaserne Basel 04/11/14

Klein, kurzgeschoren, dicke rote Brille – und über der rechten Hand ein dunkles, flächiges Tattoo, so dass man meint, sie hätte eine Art abgesägten Handschuh an. Nichts passt hier in die Muster der „schönen schwarzen Sängerin“, genauso wenig ihr komplexer Name (Swahili für „frei wie ein Vogel“) und am allerwenigsten ihre Musik. Doch der Abend in der leider nicht gefüllten Kaserne Basel wird lange in Erinnerung bleiben, auch wenn sie kaum mit ihrem Publikum reden mochte. Weiterlesen

Die Allerheiligenwucht

ed motta yachtEd Motta
Club des Theaters der Künste Zürich, 01/11/14

Wiedersehen nach 12 Jahren. Das erste und bislang einzige Mal, dass ich ihn auf der Bühne gesehen habe, war 2002 in einem riesigen Einkaufszentrum in Brasilia mit dem magischen Namen Taguatinga. Damals war mir seine Musik noch relativ schnuppe, er hatte seinerzeit ein Album namens Dwitza rausgebracht und wirbelte einen – für mich – harmonisch überkomplexen Jazz aus seiner Wurlitzer-Orgel heraus. Fünf Stockwerke hoch hing das Publikum über den Balustraden, lagerte draußen in der Abendhitze der brasilianischen Steppe, um ihn auf Großleinwand zu verfolgen. Da wurde mir klar, dass dieser Mann in seiner Heimat ein Superstar ist.

In Europa hat es Ed Motta bis heute über Spezialistenkreise hinaus nicht geschafft. Der großartige, in aller Hinsicht kolossale Musiker und Entertainer passt nicht in die Brasilien-Schemata unserer dornröschenschlafenden Tagespresse. Umso höher muss man es dem jazznojazz-team anrechnen, dass sie ihn als Abschluss ihres Festivals nach Zürich geholt haben. Sein erster Auftritt in der Schweiz: Eine Allerheiligenwucht in schwitziger Clubatmosphäre. Motta de todos os santos. Weiterlesen

Ein Liebeslied von 80 Minuten

Foto: Rob C. Croes, Creative Commons

Olivier Messiaen
Turangalîla-Sinfonie

Konzerthaus Freiburg 14/10/14

Keinerlei Beschränkung in Besetzung, Gattung und Dauer – eine traumhafte Vorgabe für einen Komponisten, die Serge Koussevitsky, der Chef des Boston Symphony Orchestra 1945 aussprach. Und was macht Olivier Messiaen? Er schreibt eine Sinfonie in 10 Sätzen für 100 Musiker, die ein 80-minütiges Liebeslied ist. Die Themenwahl könnte eine Plattitüde sein, sie erweist sich aber als das völlige Gegenteil davon, wie ich im Freiburger Konzerthaus feststellen durfte – berührt, ergriffen, aufgewühlt. Weiterlesen

Das atemraubende Klangtheater der Kate Bush – I

hammersmith apollo

Foto: Stefan Franzen

Before The Dawn
Hammersmith Apollo London, 17/09/14

Wer dabei war, reibt sich immer noch ungläubig Augen und Ohren. Nach 35 Jahren intensivem Fremdeln mit den Bühnenbrettern ist Kate Bush ins Rampenlicht zurückgekehrt. Mit einem Gesamtkunstwerk, das sämtliche Kolleginnen ihres Alters und wesentlich jüngerer Jahrgänge auf die Plätze verweist. Kate Bushs Before The Dawn war eine Offenbarung, wie auch noch in der digitalen Ära Popmusik aus dem Theater befruchtet werden kann. Weiterlesen

Das atemraubende Klangtheater der Kate Bush – II

kb before the dawn

The Ninth Wave
Maritime Schauermär

Er könnte Maßstäbe für alle Kollegen setzen, die sich vom digital durchgestylten Zirkus absetzen wollen: der Zweite Akt aus Kate Bushs Show Before The Dawn.  Die genialste Suite der Popgeschichte überhaupt – endlich hat sie zu ihrer wahren Bestimmung gefunden. Weiterlesen

Das atemraubende Klangtheater der Kate Bush – III

aerial

A Sky Of Honey
Das pastorale Gegengift

Der letzte Akt in Kate Bush phänomenaler Bühnenshow Before The Dawn: 24 Stunden in der englischen Countryside, ein Ohrenschmaus für Ornithologen. Pan lässt grüßen. Und als Zugabe die größte Wetterhymne aller Zeiten. Weiterlesen

ELO: Knusperraumschiff über London

stage moonalle Fotos: Stefan Franzen

Jeff Lynne’s ELO
Hyde Park London, 14/09/14

Surreales Poptheater: 13 Jahre nach einer gescheiterten Tournee ist Jeff Lynne mit den alten Hits seines Electric Light Orchestras auf die Bühne zurückgekehrt, mitsamt symphonischer Streicherriege. Die Kulisse: Ein Sommerabend im Hyde Park vor 50.000 Menschen.
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Romantiker in gekacheltem Neopren

kraftwerk brillen

Foto: Stefan Franzen

Kraftwerk
ZKM Karlsruhe 13/09/14

Als die vier Herren Anfang letzten Jahres in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf ihren „Katalog“ spielten, habe ich eine These entwickelt. Eigentlich sind die Techno-Urväter empfindsame Poeten und verkörpern die beiden Antipoden der deutschen Seele: Präzision und Romantik. Das ZKM in Karlsruhe feierte jetzt 25-jähriges Bestehen und lud Kraftwerk zum Jubiläum. Gelegenheit also, diese These nochmals zu überprüfen.  Weiterlesen