Aufbruch der Dogon

Petit Goro
Dogon-Blues from Mali
(Trikont/Indigo)

Mali ist ja nun wahrlich keine unbekannte Variable in den Weltmusikgleichungen der letzten 30 Jahre. Trotzdem birgt das Land der vielen Ethnien immer noch Überraschungen. Die Musik der Dogon im Südosten galt mit ihren unergründlichen Mythen als bisher eher unzugänglich, als Ressort der Feldforscher und Völkerkundler, die stundenlange Doku-Filme über sie gedreht haben. Mit Petit Goro hat sich in den letzten Jahren aber ein Vertreter der Dogon aus auf den Weg nach Bamako gemacht, um die rituelle Musik seines Volkes in einen Bandkontext zu übertragen – und die Kultur, die von Dschihadisten gepiesackt wird, vor dem Untergang zu bewahren.

Das Album Dogon-Blues From Mali ist das Resultat. Auf den ersten Höreindruck klingen die zehn Tracks mit ihrer fünftönigen Struktur nach einer Kreuzung aus Wassoulou-Musik, Wüstenblues und frühen Habib Koité-Songs, allerdings sind die Rhythmen erheblich widerspenstiger, geradezu „stotternd“. Dazu tritt der fremde Klang der Dogon-Sprache. Die Vocals besitzen eine eigenartige, unreine Melancholie, in den schnelleren Stücken haben sie einen Hauch beschwörenden Charakters. Eine wie durch eine alte Telefonleitung schnarrende Fiedel schleicht sich hinein, sie ergeht sich auch mal im flinken Pizzicato. Schließlich treibt eine unorthodoxe, sehr synkopische Gitarrenarbeit quer, die sich mit dem harten Bass verbündet.

Eine dornenreiche, trockene, nichts beschönigende Savannen-Musik, so schroff wie die Abbruchkante der Felsen, an denen die Dogon siedeln. In diesem Sommer ist Petit Goro unter anderem beim Rudolstadt Festival zu erleben.

© Stefan Franzen

Petit Goro: „Gnonwon“
Quelle: youtube

Saint Quarantine #18: Gegen Phantomschmerzen

Foto: Stefan Franzen

Es fühlt sich leer an. Denn normalerweise wären wir jetzt auf dem Weg nach Thüringen, wie jedes Jahr am ersten Donnerstag des Monats Juli. Doch die Jubiläumsausgabe des größten deutschen Roots-Festivals in Rudolstadt fällt der Pandemie wegen an diesem Wochenende aus. Um den „Phantomschmerz“ zu lindern, wie es die Macher nennen, gibt es an den eigentlichen Festivaltagen ein reichhaltiges Radioprogramm, das Highlights der letzten Dekade Revue passieren lässt, darunter auch vollständige Mitschnitte von Einzelkonzerten. Federführend ist hier vor allem der Sender MDR Kultur: Am heutigen Donnerstag startet er um 20 Uhr mit einem dreieinhalbstündigen Rudolstadt-Abend mit Erinnerungen, Reportagen, Talkrunden und Live-Musiken.

Am Freitag schließt sich eine zehnstündige Rudolstadt-Konzertnacht an, während der unter anderem Auftritte von Billy Bragg, Alejandra Ribera, Anoushka Shankar, Reinald Grebe, Wenzel, Sam Lee & Friends, Sophie Hunger, den Cowboy Junkies und Element of Crime zu hören sein werden. Am Samstag- und Sonntagabend blicken dann sowohl Deutschlandfunk Kultur wie auch BR Klassik auf die gesamte Festivalhistorie zurück. Die 30. Ausgabe des Rudolstadt Festivals findet dann turnusgemäß wieder vom 1. bis 4. Juli 2021 statt.

Hier ist das gesamte Radioprogramm gelistet. Und anbei außerdem ein Auftritt der kanadischen Bears Of Legend aus dem Jahr 2017, gefilmt von arte – die Band aus Québec fand sich unversehens auf der großen Heinepark-Bühne wieder, nachdem der dort vorgesehene Act kurzfristig ausfiel…

Bears Of Legend in Rudolstadt 2017 (arte in concert)
Quelle: arte / youtube

 

Listenreich III: 20 Konzerte für 2019

Sílvia Pérez Cruz, Café de la Danse Paris, 7.2.
WINTER
– Sílvia Pérez Cruz &  Marco Mezquida + Quinteto de Cordas (Katalonien) – Cafe de la Danse Paris, 7.2. + 8.2.
– Gyedu Blay-Ambolley (Ghana) – New Morning Paris, 8.2.
– Les Ballets de Monte Carlo (Monaco) – Théâtre des Champs-Elysées Paris, 9.2.
– Mayra Andrade (Cabo Verde) – Moods Zürich, 21.2.

Gyedu-Blay Ambolley, New Morning Paris, 8.2.
FRÜHLING
– JP Bimeni (Burundi/UK) – Schiff Freiburg, 19.3.
– Tonkünstlerorchester, Yutaka Sado (A/JP) – Gustav Mahler, Symphonie Nr.2 – Musikvereinssaal Wien 21.5.
– Franui & Guests (A/Verschiedene) – Festival „Gemischter Satz“, Konzerthaus Wien, 23.5.
– Anna Netrebko u.a. (Verschiedene) –  Umberto Giordano „Andrea Chénier“ – Staatsoper Wien, 24.5.

JP Bimeni, Schiff Freiburg, 19.3.
SOMMER
– Festivalensemble Boswil (Verschiedene) – Gustav Mahler, Das Lied von der Erde – Kirche Boswil 29.6.
– Ali Ghamzari (Iran) – Neumarkt Rudolstadt, 5.7.
– Ivan Vilela (Brasilien) – Theater im Stadthaus Rudolstadt, 7.7.
– Sudan Archives (USA) – Reithalle Riehen, 18.7.
– Andreas Gabriels Verändler (CH) – Museum Tinguely Basel, 30.8.

Ivan Vilela,  Theater im Stadthaus Rudolstadt, 7.7.
HERBST
– Danish String Quartet & Guests (Dänemark/Verschiedene) – Bygningskulturens Hus København, 3. – 5.10.
– Tony Allen (Nigeria/F) – Jazz No Jazz Zürich, 1.11.
– Daniil Trifonov (Russland) – Gewandhaus Leipzig, 7.11.
– Niels Frevert (Deutschland) – Jazzhaus Freiburg, 2.12.
– Arianna Savall Septett (Katalonien/N/D) – Forum Merzhausen, 7.12.
– Orchestre Philharmonique de Strasbourg, Ltg. Josep Pons (F/E) – Gustav Mahler, Symhonie Nr.6 – Palais des Congrès Strasbourg, 13.12.
– SWR Symphonieorchester, Ltg. Teodor Currentzis (D/GR) – Gustav Mahler, Symphonie Nr.9 – Konzerthaus Freiburg, 20.12.
Tony Allen, Jazz No Jazz Zürich, 1.11.
alle Fotos Stefan Franzen, außer Tony Allen Band (Marqs Kurz)

Rudolstadt-Nachlese in Bildern III: Der Sonntag

Seun Kuti & Egypt ’80

Seun Kuti

BaoBao Chen, Charles Maimarosia und Tim Cole von Small Island Big Song mit dem Autor

Quiana Parler von Ranky Tanky (USA)

Ivan Vilela (Brasilien)

Kazachya Sprava (Russland)

Margo Timmins von den Cowboy Junkies (Kanada)
(alle Fotos: Stefan Franzen)

Rudolstadt-Nachlese in Bildern I: Der Freitag

Soweto Soul (Südafrika)

Die 29. Ausgabe des Rudolstadt Festivals stand im Zeichen des Iran,
der pazifischen Kultur der Austronesier und vieler Highlights von Brasilien bis Russland.

Ein dreiteiliger Streifzug in Bildern.
(alle Fotos: Stefan Franzen)

 

Ali Ghamsari (Iran)

Ayça Miraç Quartett (Türkei-Lasistan-Deutschland)

Hamnava Ensemble (Iran)

Tribute to Márkos Vamvakáris (Griechenland)

Rudolstadt: Zwischen Südsee und Iran

Small Island Big Song

Das Rudolstadt Festival hat heute sein Programm für 2019 veröffentlicht.

Neben dem schon länger bekannten Iran-Schwerpunkt, der auch das Klassik-Idol der Jugend, Ali Ghamsari vorstellt, können sich die Roots-Pilger in Richtung Thüringen unter anderem auf ein Wiedersehen mit den kanadischen Legenden Cowboy Junkies freuen, oder auf das spannende Projekt „Small Island Big Song“:

Musiker von Madagaskar bis zu den Osterinseln haben sich zusammengefunden, um kulturelle Gemeinsamkeiten der mela-, mikro- und polynesischen Inselwelt herauszuarbeiten und auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen, die ihre Heimat bedroht.

Meine ersten drei Programmtipps für die Tage vom 4. bis 7. Juli:

1. Small Island Big Song: „Gasikara“
Quelle: youtube
2. Cowboy Junkies: „Mountain Stream“
Quelle: youtube
3. Ali Ghamsari: „Jolan“
Quelle: youtube

Weltreise an der Saale

Am Sonntagabend ging die 28. Ausgabe des Rudolstadt-Festivals zu Ende.
Impressionen von einer Weltreise zwischen Heidecks- und Ludwigsburg, Stadtkirche, Theater und Heinepark.
(alle Fotos: Stefan Franzen)

Fatoumata Diawara (Mali) – Mittlerin zwischen Afro-Roots, Rock und Funk

Die 80-jährige Legende Shivkumar Sharma aus Kashmir kam mit seinem Sohn Rahul für einen Abendraga

Der Gitano Diego El Cigala (Spanien) verband Flamenco mit Kubanischem und Tango

Betsayda Machado (Venezuela) stellte mit La Parranda El Clavo rituell gefärbte Festmusik vor und brachte den Park zum Tanzen

Mit Lula Pena kam eine moderne Troubadourin Portugals zu einem intensiven Solo-Recital an die Saale

Ganz selten in unseren Breiten zu sehen und zu hören: Salukat – ein balinesisches Gamelan-Orchester inklusive dreier Tänzerinnen

Melancholisch-mitreißenden Pop spielte die Kapverdin Elida Almeida

Die strenge Schönheit der Maqam-Klänge von einer der führenden Sängerinnen der Seidenstraße: Munadjat Yulchieva (Usbekistan)

Das von Pink Floyd- und Nick Drake-Produzent Joe Boyd zusammengestellte Ensemble Saz’iso ließ nachts die Stadtkirche mit albanischer Polyphonie schwingen

Ein Highlight auf der Heidecksburg: Der Senegalese Seckou Keita bei einem Crossover mit dem Kuba-Kollegen Omar Sosa

 

Rudolstadt: Kleine Nachlese

Das 27. Rudolstadt-Festival ging am Sonntag zu Ende. Eine der Entdeckungen: Das äthiopische Krar Collective, in dem der Mulatu Astatke-Schützling Temesegen Zeleke die Krar-Leier, deren Geschichte bis in die Zeit von König David zurückreichen soll, elektrisch verstärkt hat. Mit Trommeln, Gesang und vor allem kostümschwangerem Tanz wird die alte äthiopische Musik unwiderstehlich funky aufbereitet.


Der Südinder Chitravina N Ravikiran dürfte bislang einer der wenigen sein, der in Deutschland die karnatische, bundlose Zither Chitravina vorgestellt hat. Ihr Klang: ein bisschen wie eine Slidegitarre, der man die Mikrotonalität eingepflanzt hat.


Dass den Musikern des algerischen Châabi-Orchesters El Gusto keine Visa erteilt wurden, sorgte für Enttäuschung bei Tausenden von Besuchern, die auf arabeske Nostalgie eingestellt waren. Doch für die kanadischen Bears of Legend war es Glück im Unglück: Sie schlüpften in die Programmlücke, fanden sich unverhofft auf der großen Heinepark-Bühne wieder und kamen bei ihrem allerersten Deutschland-Auftritt überhaupt gleich ins Fernsehen.


Mit dem Trio da Kali standen gleich drei Griots aus Mali auf der Bühne, die gerade mit dem Kronos Quartet eine CD eingespielt haben. Lassana Diabaté bediente das Balafon und geleitete im Park in den heißen Finalsonntag hinein.


Völlig zurecht unter den diesjährigen Preisträgern der RUTH: Das österreichische Quintett Alma, das auf der Burgterrasse die Volksmusik aus dem Salzkammergut und dem Traunviertel in fast spiritueller Art und Weise mit Tönen aus Skandinavien und Sizilien vereinte.

alle Fotos Stefan Franzen

Rudolstadt-Vorfreude 2017

rudolstadt 2017Das Rudolstadt-Festival hat heute sein Programm veröffentlicht. Neben dem Länderschwerpunkt Schottland möchte ich schon mal drei Empfehlungen aussprechen, für die allein es sich lohnt, vom 6. bis 9. Juli nach Thüringen zu fahren:

1. Alma (Österreich): „Morocco“
Quelle: youtube
2. Bears Of Legend (Kanada): „Be Mine, All Mine“
Quelle: youtube
3. Osei Korankye (Ghana): „Adampan Ohimnu“
Quelle: youtube

https://rudolstadt-festival.de/de/

(he)artstrings #11: Verzweiflung mit Pizzicato

Glen Hansard
„My Little Ruin“
(aus: Didn’t He Ramble, 2015)

Während sich das Jahr 2016 dem Ende zuneigt, ist Zeit, Bilanz zu ziehen über die schönsten Konzerte. Seines, das Finalkonzert beim diesjährigen Rudolstadt Festival, gehört sicherlich dazu. Der Ire Glen Hansard bestritt es auf der großen Bühne im Heine-Park. „My Little Ruin“ ist für mich der intensivste Song, den er je geschrieben hat – er erzählt die Geschichte eines Freundes, der mit einem Haufen von Talenten gesegnet ist, diese aber nicht umsetzen kann, weil er eine Art Selbstzerstörungsmechanismus eingebaut hat. Hansard singt über seine Verzweiflung, darüber, wie er daneben steht, und diesem Freund helfen möchte, der immer und immer wieder in das gleiche Schlamassel hinein gerät. Die Unplugged-Version mit den Pizzicato-Streichern gefällt mir von allen am besten, eingespielt auf einem Hausdach in Paris.

Glen Hansard: „My little ruin“ unplugged
Quelle: youtube

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