Mister Makossa ist verstummt

Dieser Nachruf ist ein besonders bitterer.

Für viele ist Covid-19 immer noch ein Abstraktum, und ich sehe beim Waldspaziergang oder beim Einkaufen, wie nachlässig viele Freiburger aus allen Altersgruppen mit den derzeitigen Verhaltensregeln umgehen, sich sogar darüber lustig machen. Die Bedrohung ist sehr real, und wir als Musikbegeisterte können sie vielleicht ein bisschen besser mit Händen greifen, wenn wir jetzt vermelden müssen, dass ein prominenter Musiker das Corona-Virus nicht überlebt hat.

Am Dienstag ist im Alter von 86 Jahren der kamerunische Saxophonist Manu Dibango an Covid-19 gestorben. Bereits am 18. März hatte er via Facebook seine Infizierung öffentlich gemacht, war da aber noch guten Mutes, die Krankheit zu überstehen. Freiburg hatte 2016 noch das Glück, den Musiker im Jazzhaus zu empfangen. Mit seiner Soul Makossa Gang spielte er ein tiefenentspanntes Konzert, scherzend und plaudernd zwischen seinem typischen Nuschelgesang, lyrisch und zart swingend auf seinem Altsax wie niemand sonst im Afrojazz.

Als Emmanuel N’Djoké Dibango 1933 in der Stadt Douala geboren, kam er schon als Jugendlicher nach Frankreich, wo ihn sein Landsmann Francis Bebey, Vorreiter in der Verknüpfung von Jazz und afrikanischer Musik, unter die Fittiche nahm. Manu erlernte das Piano, begeisterte sich aber bald schon mehr fürs Saxophon. In Brüssel schlug er sich als Kneipenmusiker durch, ging dann afrikaweit mit dem kongolesischen Rumbastar Joseph Kabasele auf Tour.

Zurück in Paris startet er 1969 seine Solokarriere. Eines seiner frühen Stücke wurde auch gleich sein Markenzeichen – bis heute: Der 1972 veröffentlichte „Soul Makossa“ (Makossa leitet sich ab vom Tanz „Kossa“ aus Dibangos Heimatregion Douala) avancierte zu einem der ersten Disco-Stücke überhaupt, wurde weltberühmt. Am grandiosen Groove von Dibangos Tanzhymne bediente sich auch Michael Jackson in „Wanna Be Startin‘ Somethin‘“: Der Urheber verklagte den Soulstar und erhielt nach zähem Ringen Tantiemen.

Als Gigant des Afrojazz arbeitete Dibango in der Folge mit Größen von Fela Kuti bis Hugh Masekela. Dabei blieb er im weiteren Laufe seiner Karriere immer zeitgemäß. „Home Made“, „Africadelic“, „Waka Juju“ und „Afrijazzy“ heißen einige seiner herausragenden Werke, auf denen er stilbildend traditionelle Rhythmen mit Funk und HipHop verknüpft. Für „Electric Africa“, sein Flirt mit der Fusion, holte er sogar Herbie Hancock ins Boot. Und zu seinem Sechzigsten schenkte er sich selbst die Platte „Wakafrika“, die Gäste Youssou N’Dour, Angélique Kidjo, King Sunny Ade und Salif Keita lesen sich wie ein Kompendium der afrikanischen Popmusik.

Kulturminister Jack Lang dekorierte den Musiker bereits 1986 mit der Medaille des Arts et des Lettres, und die UNESCO zeichnete ihn 2004 als „Künstler für den Frieden“ aus. Betagt und trotzdem quicklebendig stand er auch in den letzten Jahren auf der Bühne: mit einem Rückblick auf seine Karriere, einem Sydney Bechet-Programm und mit dem Projekt „Safari Symphonique“, einer Verbindung von Jazz und Klassik, mit der er 60-jähriges Bühnenjubiläum feierte.

© Stefan Franzen

Manu Dibango & Soul Makossa Gang: Live At Jazz In Marciac 2019
Quelle: youtube

Amour avec le grand A

Heute beginnt die senegalesisch-französische Sängerin Awa Ly ihre Deutschlandtournee. Ihre Wurzeln gründen im Senegal, aufgewachsen ist sie jedoch in Paris und gelebt hat sie in Italien. Kein Zweifel, Awa Ly ist eine Kosmopolitin, und das hört man ihrer Musik auch an. Die 40-Jährige mit dem dunklen Timbre entwirft Songs, die Soul und Pop vereinen, mit jazzigem Flair spielen und hin und wieder auch die Zart- und Einfachheit des Folk zulassen. Für ihr viertes Album, mit dem sie erstmals in Deutschland in Erscheinung tritt, hat sie eine Band um sich geschart, die mit Bassist Greg Cohen sowie Produzent Jean Lamoot (Nneka, Salif Keita) internationale Größen ins Boot holt. Inspiriert zu diesem Zyklus wurde sie durch einen Traum, in dem ihr eine Schamanin erschien und die Ideen für Liedtexte einhauchte. Vom erdig-gospeligen „Storyteller“ über den leichtfüßigen Afro-Pop „Here“ mit dem senegalesischen Gast Faada Freddy bis zur fragilen Akustik von „Sunflowers“: Awa Lys Lieder entfalten sich mit Bedacht, offenbaren mal eine ruhige Pianolinie, hier eine chinesische Kniegeige, dort eine flirrende Linie auf der Stegharfe. Am besten gefallen hat mir die genauso schlichte wie sanfte Hit-Hymne „Wide Open“, die sie selbst als „Amour avec un grand A“ bezeichnet. Die Tourdaten gibt es hier.

Awa Ly: „Wide Open“
Quelle: youtube

 

Side Tracks #6: Buffet-Groove

rail band
flagge maliOrchestre Rail-Band de Bamako:
Rail-Band Orchestra Of Bamako
(Reissue Mississippi Records, orig. 1970)

Es ist eine der legendärsten Aufnahmen der frühen afrikanischen Popmusik. Als Mali noch ein sozialistischer Staat war, unterhielt die Regierung verschiedene Unterhaltungsorchester. Dieses hier stellte der Direktor der malischen Eisenbahngesellschaft zusammen, naturgemäß hatte es im Bahnhofsgebäude der Hauptstadt Bamako seine Residenz. In seinen Reihen: ein sehr junger Salif Keita, der ab 1972 dann durch den Griot Mory Kanté aus Guinea ersetzt wurde. Tatsächlich wurzeln in dieser Band, die die ganzen Siebziger hindurch das Bahnhofsbuffet für die Fahrgäste an der Linie Dakar – Niger in einen groovenden Hexenkessel verwandelte, viele Komponenten des späteren weltmusikalischen Booms Westafrikas. Melismatische Gesangslinien, raues Sax und klackernde Gitarrensoli – der Sound der Rail-Band hat bis heute an Faszination nicht verloren.

In verschiedenen Metamorphosen hat die Rail-Band (als Super Rail Band) bis ins neue Jahrtausend überlebt. Der Bahnstrecke dagegen geht es nicht so gut: Die 1300km lange Trasse zwischen dem Atlantik und der Wüste bröckelt schon lange vor sich hin, die wenigen Züge, die noch zwischen der malischen Grenzstadt Kayes und Bamako verkehren, entgleisen des öfteren, die Waggons sind in einem erbärmlichen Zustand. Man hört in regelmäßigen Abständen von Renovierungsplänen und Investoren aus dem Ausland. Die Strecke zu bereisen, war mal ein Traum von mir – im Moment ist es eher fraglich, ob der noch wahr wird. Halten wir uns also an die Musik.

Orchestre Rail-Band de Bamako: „Mali Cèbalenw“
Quelle: youtube