Senegal-News II

Faada Freddy
Golden Cages
(Think Zik!/Word&Sound) 

Die Wahlen im Senegal sind gelaufen, erstmals konnte sich im ersten Wahlgang mit Bassirou Diomaye Faye ein Oppositionskandidat durchsetzen. Wir wünschen dem senegalesischen Volk eine friedvolle Machtübergabe. Und was könnte der Soundtrack zu diesem neuen Aufbruch im Land sein? Frisch und aufschwingend ist auf jeden Fall diese Scheibe:

Mit Golden Cages setzt Faada Freddy seine vor sieben Jahre begonnene gospelgefärbte Reise fort. Lediglich geschichtete Quintett-Stimmen, Körperpercussion und geklatschte Rhythmen schaffen mittels Cutting Edge-Produktion eine kompakte Architektur. Die klingt zwar geschliffen aber nicht glatt, eine organisch-vokale Tanzmusik, die die Errungenschaften von Zap Mama, Angélique Kidjo und Bobby McFerrin zugleich ins Jahr 2024 hievt und die Tugenden des klassischen R&B und Soul preist. Die geradezu humanistischen Texte des senegalesischen Ex-Rappers – oft auf Englisch, selten auf Wolof und Französisch – greifen auf Inspirationen zeitgenössischer afrikanischer Autoren genauso zurück wie auf den Montaigne-Freund La Boétie.

© Stefan Franzen

Faada Freddy: „Golden Cages“
Quelle: youtube

Coltrane trifft Sabartrommeln


Seit Youssou N’Dour in den 1980ern ins internationale Rampenlicht trat, hat der Senegal einen exzellenten Ruf als Heimstatt großartiger Musiker. Sie beschränken sich dabei nicht auf ihre Wurzeln: Mittlerweile verknüpfen viele Künstler des westafrikanischen Landes die traditionellen Musikformen der Heimat mit jazzigen Vokabeln. Einen der gekonntesten Brückenschläge zwischen den Trommelrhythmen aus seinem Erbe und US-amerikanischen Harmonien hat der Gitarrist Hervé Samb gemeistert.

Auf hundert Alben, so lässt zumindest seine Plattenfirma verlauten, hat Hervé Samb schon seine Gitarrenakzente gesetzt, etwa für den Jazzbasisten Marcus Miller, für Meshell Ndegeocello oder die Malierin Oumou Sangaré. Seine beiden Werke unter eigenem Namen erreichten bislang nur einen kleinen Kennerkreis. Samb lebte lang in den Staaten, hat sich dort in zeitgenössischen Jazzkreisen getummelt und eine hochvirtuose Gitarrentechnik entwickelt. Dafür hat er sich von einem Pariser Instrumentenbauer eigens ein Exemplar fertigen lassen, das ähnliche Züge trägt wie Django Reinhardts berühmte Maccaferri-Gitarre.

Ausgerüstet mit den langjährigen US-Erfahrungen ist der Senegalese jetzt in seine Heimat zurüückgekehrt und kombiniert die beiden Klangwelten in Teranga (deutsch: Gastfreundschaft), der Name seiner neuen CD und seines Bühnenprogramms. „Normalerweise ist es bei gemischten Projekten ja so, dass europäische oder amerikanische Jazzer ihre Musik mit afrikanischen, indischen, exotischen Kulturen bereichern wollen”, so Samb. „Die umgekehrte Richtung ist viel ungewöhnlicher.” Genau das ist nun sein Ansatz. Er hat dafür in Dakar einige der führenden Perkussionisten aus der Tradition des Sabar-Trommelns um sich geschart, denen er Jazzstandards vorspielte – sie umfassen ein breites Spektrum von John Coltranes „Giant Steps” bis zu Henry Mancinis „Days Of Wine And Roses”.

„Ich habe positive, fröhliche Tunes ausgewählt, die gut in die senegalesische Metrik passen”, sagt Samb. Das US-Material wurde dann in den Studiosessions oft in ein und demselben Stück mit senegalesischen Songs zusammengespannt. Das Ergebnis nennt er „Jazz Sabar” – eine transatlantische Kreuzung, in der die vertrauten Melodien auf komplexe Rhythmen treffen. Für ihn selbst auch eine Neuentdeckung der Klänge, mit denen er als Bub aufgewachsen ist, die er aber zuvor nie studierte: „Ich wollte die traditionelle Musik genauso gut kennen lernen wie den Jazz.”

Die Verknüpfung ist auch abseits der Standards gelungen: Auf vokaler Seite bringt er traditionelle Stimmen mit Rap-Interludien und bezwingendem Pop-Charme zusammen, hier stehen etwa Faada Freddy oder der kürzlich verstorbene Ndiouga Dieng vom Orchestra Baobab auf dem Gastzettel. Alle Texte werden in der Landessprache Wolof gesungen – auch das ein unmissverständliches Signal an die Welt, das bei einer Begegnung der Kontinente nicht automatisch aufs Englische zurückgegriffen werden muss. Ein ganz grandioser Brückenschlag, nach der CD zu urteilen. Und live könnte Herve Samb die afrikanische Offenbarung dieses Winters werden.

© Stefan Franzen

Hervé Samb live: 5.2. Mühldorf, Haberkasten – 6.2. A-Innsbruck, Treibhaus – 8.2. Berlin, A-Trane – 10.2. Tübingen, Sudhaus+Prinz K – 11.2. Freiburg, Jazzhaus – 13.2. F-Paris, Studio de L’Ermitage – 15.4. CH-Cully, Cully Festival

Hervé Samb: „Thiossane“
Quelle: youtube



Listenreich III: 20 Konzerte für 2017


West Trainz beim Soundcheck im Club Soda Montréal, 2.3. (Foto: Stefan Franzen)
WINTER
Cristina Branco (Portugal) – Martinskirche Basel, 31.1.
Lizz Wright (USA) – Jazzhaus Freiburg, 15.2.
Matt Holubowski (Kanada) – Club Soda Montréal, 26.2.
Erik West Millette & West Trainz (Kanada) – Club Soda Montréal, 2.3.
Bears Of Legend – Club Soda Montréal, 7.3.
Kronos Quartet & Toronto Symphony Orchestra (USA/Kanada) – Roy Thomson Hall Toronto, 11.3.
Alejandra Ribera (Kanada) – Aeolian Hall London/Ontario, 16.3.
Sílvia Pérez Cruz, Theaterspektakel am Zürichsee, 29.8.,
Rosalia & Raül Refree, Kunstmuseum Basel, 19.8. (Fotos: Stefan Franzen)
FRÜHLING / SOMMER
John Smith (UK) – Parterre Basel, 29.4.
Andreas Schaerer, Hildegard Lernt Fliegen & Orchestra of Lucerne Festival Alumni (Schweiz) – Musicaltheater Basel, 6.5.
López – Petrakis – Chemirani (Spanien/Griechenland/Iran) – Neumarkt Rudolstadt, 7.7.
Faada Freddy & Awa Ly (Senegal) – Rosenfelspark Lörrach, 28.7.
Rosalia & Raül Refree (Katalonien) – Kunstmuseum Basel, 19.8.
Sílvia Pérez Cruz & Jaume Llombart (Katalonien) – Theaterspektakel Zürich, 29.8.

Achref Chargui & Mohamed Amine Kalaï, Oriental Summer Academy Sulzburg, 2.9.
Rafael Habichuela & Juan Angel Tirado, Casa del Arte Flamenco Granada, 21.10.
(Fotos: Stefan Franzen)
HERBST
Yumi Ito Orchestra (Various) – Jazzcampus Basel, 1.9.
Achref Chargui & Mohamed Amine Kalaï (Tunesien) – St. Cyriak Sulzburg, 2.9.
Vein (Schweiz) – Volkshaus Basel, 9.9.
Paddy Bush (UK) – Forum Schlossplatz Aarau, 21.9.
Rafael Habichuela, Juan Angel Tirado, Alba Hereida & Luis de Luis (Spanien) – Casa del Arte Flamenco Granada, 21.10.
Sílvia Pérez Cruz & Quinteto de Cordas (Katalonien) – Teatro Municipal Girona, 25.10.
Fleet Foxes (USA) – Palladium Köln, 1.12.

Amour avec le grand A

Heute beginnt die senegalesisch-französische Sängerin Awa Ly ihre Deutschlandtournee. Ihre Wurzeln gründen im Senegal, aufgewachsen ist sie jedoch in Paris und gelebt hat sie in Italien. Kein Zweifel, Awa Ly ist eine Kosmopolitin, und das hört man ihrer Musik auch an. Die 40-Jährige mit dem dunklen Timbre entwirft Songs, die Soul und Pop vereinen, mit jazzigem Flair spielen und hin und wieder auch die Zart- und Einfachheit des Folk zulassen. Für ihr viertes Album, mit dem sie erstmals in Deutschland in Erscheinung tritt, hat sie eine Band um sich geschart, die mit Bassist Greg Cohen sowie Produzent Jean Lamoot (Nneka, Salif Keita) internationale Größen ins Boot holt. Inspiriert zu diesem Zyklus wurde sie durch einen Traum, in dem ihr eine Schamanin erschien und die Ideen für Liedtexte einhauchte. Vom erdig-gospeligen „Storyteller“ über den leichtfüßigen Afro-Pop „Here“ mit dem senegalesischen Gast Faada Freddy bis zur fragilen Akustik von „Sunflowers“: Awa Lys Lieder entfalten sich mit Bedacht, offenbaren mal eine ruhige Pianolinie, hier eine chinesische Kniegeige, dort eine flirrende Linie auf der Stegharfe. Am besten gefallen hat mir die genauso schlichte wie sanfte Hit-Hymne „Wide Open“, die sie selbst als „Amour avec un grand A“ bezeichnet. Die Tourdaten gibt es hier.

Awa Ly: „Wide Open“
Quelle: youtube