Radio-Tipp: Orpheus – Sänger, Magier und Prophet

SWR 2 Musikstunde
Sänger, Magier und Prophet – auf den musikalischen Spuren von Orpheus
04.07. – 08.07.2022, 9h05 – 10h

von Stefan Franzen

Er ist der Urahne aller Barden, die mythische Gestalt der Musik schlechthin. Dichter, Filmemacher, Choreographen und natürlich Klangkünstler hat er über Jahrhunderte angeregt. Seine Spur zieht sich von der Antike über den Barock und die Klassik bis in die Moderne, den Jazz, das Musical, die Popkultur: Orfeo, Orphée, Orpheus.

Was für eine Geschichte! Ein Sänger, der mit seiner Stimme das stürmische Meer bändigt, Felsen zum Weinen bringt, dem wilde Tiere und sogar die sonst selbst so betörenden Sirenen lauschen. Vom Sonnengott Apollo direkt hat er die Lyra erhalten und mit ihr will er furchtlos seine Geliebte, die Nymphe Eurydike aus der Unterwelt zurückholen – doch dabei verliert er sie für immer. Kein Wunder, dass dieser Plot von jeher feine Künstlernerven stimuliert hat.

Auf den Spuren von Orpheus erkunden wir seine rätselhafte Identität im antiken Mazedonien, machen uns auf die Suche nach seiner Lyra, den ominösen Orphikern und gelangen zu einer Rittersage. Wir hören uns an, wie sich der Mythenheld über die Jahrhunderte auf der Opernbühne und Leinwand schlägt, von Monteverdi bis Kaurismäki. Dem Orfeu Negro folgen wir in die Tropen, wo er Karnevals-Star und Schamane ist. Seiner Verehrung in Liedkunst lauschen wir von Shakespeare bis Nick Cave nach. Und staunen schließlich über den Entwurf eines neuen Orpheus in der Moderne, bei Strawinsky, Weill und Glass.

Teil 1: Orpheus in der Opernwelt (04.07.)
Teil 2: Vom Göttersohn zum Ritter (05.07.)
Teil 3: „Der Nachen dröhnt“ – Orpheus im Lied (06.07.)
Teil 4: Orfeu Negro – Orpheus in der Tropenwelt (07.07.)
Teil 5: Der Orpheus der Moderne (08.07.)

Orpheus – Sänger, Magier und Prophet (1-5) – SWR2

Nach der Ausstrahlung steht die Sendereihe in der ARD Audiothek zum Abruf bereit.

Katerina Polemi: „Orpheus‘ Waltz“
Quelle: youtube

(he)artstrings #7: Sängermythos im Bienenhaus

David Sylvian
„Orpheus“ (David Sylvian)
(aus: Secrets Of The Beehive, 1987)

Als ich mit 12 Jahren die britischen Top 30 in meinem damaligen Lieblingssender verfolgte, entrangen sich dem kleinen Lautsprecher des Cassettenradios plötzlich sirrende und blubbernde Geräusche. Unheimlich. Irgendwann gesellte sich eine dunkle, suggestive Männerstimme dazu, die zuerst gar nicht zu den elektronischen Geräuschen zu passen schien. Der Moderator sagte dann fast entschuldigend: „Wir sind immer noch bei der englischen Hitparade, und wir sind immer noch im Jahr 1980.“ So sehr mich damals der Titel „Ghosts“ von Japan faszininiert hat, richtig gepackt hat mich David Sylvian dann erst sieben Jahre später mit diesem Solowerk – irgendwo angesiedelt zwischen Art Pop und präraffaelitischer Schauermär. Die „Geheimnisse des Bienenhauses“ hat er mit so exzellenten Musikern wie dem japanischen (!) Pianisten Ryuichi Sakamoto oder dem Flügelhorn-Virtuosen Mark Isham eingespielt. Nicht nur weil ich Orpheus-Lieder sammle, ist das hier mein Lieblingsstück, auch wegen der wunderbar ruhig schreitenden Melodie und dem grandios ersterbenden Orchester-Atem mitten im Song.

David Sylvian: „Orpheus“
Quelle: youtube

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