Radiotipp: Der Choro – Brasiliens unbekannte Seele

Pixinguinha, das Choro-Genie

SWR 2 Musikstunde
Der Choro – Brasiliens unbekannte Seele
19. – 23.07.2021, 9h05 – 10h

von Stefan Franzen

Als „musikalische Seele Brasiliens“ bezeichnete ihn Heitor Villa-Lobos: Der Choro entstand vor rund 150 Jahren aus der Begegnung von europäischen Tanzformen mit afrikanischen Rhythmen. Unverkennbar ist er durch seine originelle Instrumentation und seinen melodisch-harmonischen Reichtum. Illustre Persönlichkeiten wie Pixinguinha, Jacob do Bandolim, Waldir Azevedo oder Garoto haben ihn geprägt.

Johann Sebastian Bachs und Antonio Vivaldis Musik wurden in sein Kleid gesteckt. Jazzer wie Wynton Marsalis oder Popgrößen wie Marisa Monte ließen sich durch ihn verführen. Und er hat regelrechte Hits hervorgebracht: „Tico-Tico No Fubá“, „Carinhoso“ (Brasiliens heimliche Nationalhymne) und „Brasileirinho“. Die Musikstunde geleitet durch die wechselvolle Entstehung und Geschichte des Choro mit Seitenpfaden in den Samba und den Jazz, den Barock und die Moderne.

Teil 1: Vom Königshof auf Rios Straßen (19.07.)
Teil 2: Pixinguinha, das Choro-Genie (20.07.)
Teil 3: Ein zweifacher Wettstreit (21.07.)
Teil 4: Flirt mit Barock, Inspiration der Moderne (22.07.)
Teil 5: Wandelbar und zeitlos (23.07.)

Nach der Ausstrahlung ist die Sendereihe ein Jahr im Podcast nachzuhören: Der Choro – Brasiliens unbekannte Seele (1-5) – SWR2
Außerdem wird sie in der ARD Audiothek zum Abruf bereitstehen.

Hamilton de Holanda & Wynton Marsalis: „Um A Zéro“
Quelle: youtube

Butterweich und feinpinselig

Foto: Thomas Radlwimmer

Festlegungen sind nicht die Sache des vielgesichtigen Gitarristen, Posaunisten, Komponisten, Arrangeurs und Bandleaders Emiliano Sampaio: Seine Musik wandelt zwischen intimem Triosetting, Nonett und Bigband, greift die Farben Brasiliens von Frevo bis Samba auf, geht aber auch in unerwartete Gefilde hinein, etwa Kooperationen mit Slam-Poeten. Erstmals hat Sampaio sich nun mit seinem Meretrio (Luis André, dr, und Gustavo Boni, b) ganz der Musik seiner ersten Heimat verschrieben. Sein neues Album hat die Corona-Not zu einer Tugend gemacht: In reizvoll reduzierter Trio-Konstellation greift Choros Klassiker und unbekanntere Stücke aus dem nun schon 140 Jahre währenden, zeitlosen Genre Brasiliens auf, lässt die Melodien von Pixinguinha oder Jacob do Bandolim mit ungewohnten Harmonien, komplexen Arrangements und jazziger Improvisationswürze neu aufscheinen.

Mit einer wunderbar clean gespielten E-Gitarre, umtriebigem E-Bass und feinpinseligem Schlagzeug bekommt der Choro einen zeitgemäßen Spin und bleibt doch Chamber Music. Ein Vibraphon leuchtet in Pixiguinhas „Ingénuo“ auf, ein wenig Street Parade-Feeling blitzt durch die bukolische Posaunenarbeit in „Na Gloria“. Und die Läufe aus Jacob do Bandolims „Assanhado“ und „Santa Morena“ hat man noch nie so butterweich gehört.

Für die Jazzfacts des Deutschlandfunks habe ich ein ausführliches Interview mit Emiliano Sampaio geführt. Mein Porträt ist am Donnerstag, den 8.4. zwischen 21h05 und 22h zu hören und steht danach 7 Tage im Podcast zur Verfügung.

Meretrio: „Santa Morena“
Quelle: youtube