dieser Blog wird heute 11 Jahre alt.
Herzlichen Dank an alle, die mir die ganze oder Teile der Wegstrecke gefolgt sind, auch in den letzten beiden Jahren, die nicht einfach für mich waren.
Zum 11. Geburtstag von greenbeltofsound.de durfte ich zufälligerweise im Rahmen des Festivals Soundcity Freiburg im legendären Freiburger Plattenladen Flight 13 lesen und auflegen.
Eine sehr schöne Erfahrung, weil das nette, aufmerksame, und trotz Sauwetters zahlreich erschienene Publikum perfekt durchmischt war mit jungen und älteren Semestern.
Mir hat es großen Spaß gemacht, ein dickes Dankeschön an Danny Neumann für die rührende Organisation, gerne wieder!
Ich freue mich sehr, dass das Festival #SOUNDCITYFREIBURG mich eingeladen hat, mein Buch Ohren auf Weltreise in einem ganz neuen Kontext vorzustellen.
Am Samstag, den 4.10.2025 werde ich ab 16h im legendären Plattenladen Flight 13 in der Stühlingerstr. 15 aus dem Buch lesen, dieses Mal begleitet von ausgesuchten Vinyl-Einspielungen aus aller Welt. Der Eintritt ist frei!
Kommt vorbei und versäumt es nicht, die ca. 20 anderen sehr hörens- und besuchenswerten Programmpunkte von SOUNDCITY abzuchecken.
Wien bringt derzeit viele erstaunliche Bands hervor, unter ihnen sticht das Quartett Elsa um Sängerin Elsa Steixner nochmals mit einer eigenen Klangsprache heraus. Elsa eröffnen das Jazzfestival Freiburg, und veröffentlichen die neue CD Jump! auf dem Freiburger Label Jazzhaus Records. Mit Sängerin und Bandchefin Elsa Steixner habe ich vorab gesprochen.
Elsa Steixner, wie kommt eine Band aus der Weltstadt Wien auf ein Label im beschaulichen Freiburg?
Elsa Steixner: Wien ist zwar eine Weltstadt, aber Österreich doch überschaubar. Wir haben uns ein bisschen umgeschaut und gesehen, dass auf Jazzhaus Records Acts von überall her im Boot sind, und wir dachten uns, das ist ein guter Anker, um die internationale Arbeit aufrechtzuerhalten und gleichzeitig auf Deutsch mit unserem Label kommunizieren zu können.
Sie haben im holländischen Arnhem Jazzgesang studiert, dort auch einige der Bandmitglieder kennengelernt. Wollten Sie Jazzmusikerin werden, oder war die Jazzausbildung von Beginn an nur als Rüstzeug gedacht?
Steixner: Da ich nicht aus einer Musikerfamilie komme, war für mich Musizieren immer etwas sehr Impulsives und Intuitives. Ich habe gemerkt, ich muss mir einen Rahmen schaffen und einen Austausch mit anderen Menschen, deswegen wollte ich studieren. Vom Jazz war ich fasziniert, seit ich zwölf war. Ich dachte am Anfang des Studiums, irgendwann werde ich imstande sein, über jede beliebige Form zu improvisieren. Bis ich dann sehr in sehr kurzer Zeit darauf gekommen, dass das überhaupt nicht mein Ziel ist, die beste Scat-Queen oder so etwas zu werden. Arnhem kam mir entgegen, weil an der dortigen Uni die individuelle künstlerische Entfaltung sehr im Fokus steht. Sie fragen dich: Was willst du eigentlich mit dir machen, regen dich an, eigene Musik zu schreiben.
Ihre Songs, und vor allem die Färbung ihrer Stimme klingen ja auch oftmals eher nach Soul als nach Jazz, an anderen Stellen haben sie viel mit Folk zu tun.
Steixner: Ja, vom Soul komme ich eigentlich her. Etta James, Aretha Franklin, Ray Charles haben mich schon vor Ella Fitzgerald fasziniert, und dann habe ich Nina Simone entdeckt, für die ich bis heute eine ungebrochene Liebe habe. Sie könnte darüber singen, dass sie zum Supermarkt geht, und ich wäre trotzdem total bei ihr. Auf der anderen Seite habe ich immer mehr Zugang zu Joni Mitchell gefunden. Was mich an ihr so überzeugt, ist, dass sie vom Folk kommt, und dann auf jedem Album Neues ausprobiert, sich nie hat einsperren lassen. Immer wieder mit allem zu brechen, das schaffen nicht viele Musiker.
Viele Ihrer Songs haben eine überraschende Struktur, die vom herkömmlichen Schema mit Strophe, Bridge und Refrain weggeht. Auch die Dynamik wird gerne ausgereizt: Oft wird man von er sehr extrovertierten Stimmung in etwas Träumerisches zurückgeworfen, oder umgekehrt.
Steixner: Lustigerweise ist es überhaupt kein Anspruch von mir, so zu schreiben, ich finde Strophe, Bridge, Refrain super. Aber ich habe in vielen Songs ungeplant eine ganze Lifetime untergebracht. Und das Spannendste im Leben ist ja auch Dynamik, das Dasein besteht aus Kontrasten. Dann haben wir in der Band gemerkt: Wow, die Hälfte der Songs auf dem Album hat eigentlich keine klassische Songstruktur. Aber das wir nichts bewusst Angestrebtes, ich bin keine Konzept-Schreiberin.
Würden Sie sagen, im Sound von Elsa steckt auch irgendwas Wienerisches auch drin?
Er verknüpft die Klänge des Mittelmeers und des Nahen Ostens mit der Alten Musik und dem Barock, stellt Jazz, Weltmusik und Klassik auf Ohrenhöhe nebeneinander. Nun hat der Franko-Katalane Renaud García-Fons mit Blue Maqam ein Album veröffentlicht, auf dem er erstmals die menschliche Stimme neben seinem Bass zulässt, in Gestalt seiner Tochter Soleá.
Anlass, Renaud García-Fons‘ Karriere noch einmal Revue passieren zu lassen, und dann vor allem die Werke der letzten Jahre in den Fokus zu stellen. In der Reihe JazzFacts im Deutschlandfunk könnt ihr am Donnerstag, den 18.09.2025 ab 21h mein Porträt des Bassisten hören.
Renaud García-Fons: Blue Maqam – Le Concert (Trailer)
Quelle: youtube
Die libanesische Singer/Songwriterin, Designerin und bildende Künstlerin Tania Saleh geht mit Fragile in ein schmerzhaftes Kapitel biographischer Bewältigung. Die Explosionen im Beiruter Hafen von 2020 haben ihre Existenz vernichtet, sie lebt nun im Pariser Exil. Das Album, musikalisch geschmackvoll zwischen arabischem Lied, Popsong und Bossa pendelnd, ist mit Piano, Oud, Klarinette, Flöte, dezenten Beats und Samples sanft ausgestaltet. Die Texte legen die Finger in die Wunden einer Exilanten, die sich fragt, ob die Menschheit ihrer Selbstvernichtung noch entkommen kann und will – und jeder der Clips zu den Songs ist ein kleines Meisterwerk. Anspieltipp sind das flüchtig dahinfliegende „Hashara“ und das wehmutsvolle „Matrah“.
Ein Japaner studierte indische und afghanische Musik in Paris: Das ist der ungewöhnliche biographische Hintergrund des Japanistan Trios mit seinem Kopf Kengo Saito. Douce Errance spiegelt die erstaunliche Begegnung wider: Die fernöstliche Bambusflöte Shakuhachi entfaltet ihre schweifende Melancholie zu den dornigen Riffs der Schalenhalslaute Rubâb. Mal verliert man sich in einem freien, Zen-artigen Gemälde wie „Fuyu No Hikari“, dann wieder weht orientalische Süße in „Amar Amar“ hinein. Die persische Tombak und Daf passen die Gegenpole in ordnende Beats ein, treten auch mal wirbelnd hervor. Und zum Ende eine etwas staksige, aber dennoch entdeckenswerte Adaption einer Bach‘schen Polonaise.
Wenn es um die Erneuerung der Innerschweizer Geigentradition geht, ist der Nidwaldner Musiker Andreas Gabriel Dreh- und Angelpunkt. Mit dem Trio Ambäck hat er an der Seite von Schwyzerörgeli-Spieler Markus Flückiger und Bassist Pirmin Huber ein viertes Album vorgelegt, das die aus der Innerschweiz heraus entwickelte, moderne Volksmusiksprache noch einmal verfeinert hat.
Über den „Wolkenbödeler“ habe ich mich mit Andreas Gabriel in Luzern unterhalten. SRF 2 Kultur strahlt in der Sendung Jazz & World aktuell am 2.9.2025 ab 20h meinen Beitrag aus.
Kokoroko Tuff Times Never Last (Brownswood Recordings)
Santrofi Making Moves (Outhere/Indigo)
Vom bislang gepflegten Afrobeat krass auf Distanz geht dagegen das Londoner Septett Kokoroko auf seinem zweiten Werk. Tuff Times Never Last verführt gleich am Anfang in „Never Lost“ mit sommerlich-souliger, entspannter Süße im Bläsersatz. „Closer To Me“ könnte fast aus der Werkstatt von Brasil-Sunnyboy Marcos Valle kommen, plus einem Spritzer Neo-R&B. In „My Father In Heaven“ grüßt die Balladenharmonik von Stevie Wonder. Afrobeat-Atem strömt noch aus „Three Piece Suit“, wird aber durchs sanfte Falsett des Nigerianers Azekel sehr gemildert, und auf die Vocals in „Just Can’t Wait“, die mit smoothen Slap-Bass-Läufen und gluckernden Gitarrenriffs garniert sind, könnte Smokey Robinson neidisch werden. Eine großartige Platte, auf der sich goldenes Sonnenlicht von London über Lagos bis nach Rio und Detroit wölbt.
Ghanas Highlife-Innovatoren Santrofi bleiben mit Making Moves auf Kurs, das „Nationalgenre“ ihres Landes zu modernisieren. Das tönt ganz unterschiedlich: Einmal schwelgen sie in der leicht melancholischen Palmwine-Musik, tunen sie aber ein paar Geschwindigkeitsumdrehungen hoch („Su Nkwa“). Dann wieder brechen sie einen lässigen Afro-Disco-Funk vom Zaun, der sich auf die Reime eines Kinderspiels beruft („Gyae Me How“). Und mit Hip Hop-Sensibilität geht es in das Titelstück, das mit junger Unterstützung aus der Rap-Ecke gewürzt wird. Traumhaft schön ist auch der süffige Bläsersatz, der sich mit der Patina der 1960er ummantelt. Diese Jungs setzen ein markantes Signal gegen die Synthetisierung afrikanischer Popmusik.
Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad with Dom Salvador Jazz Is Dead 24 (Jazz Is Dead)
Samantha Schmuetz & Adrian Younge Samantha & Adrian (Linear Labs)
Mit zwei brasilianischen Strikes melden sich die Schwesternlabels Jazz Is Dead und Linear Labs in diesem Sommer: Zum einen hat sich Altmeister Dom Salvador in die L.A.-Studios von Adrian Younge begeben. Seit den 1960ern Musiker bei Prominenz wie Elis Regina und Jorge Ben, später Pionierverschmelzer von Jazz, Soul und Funk, kann man es kaum glauben, dass da ein Mittachtziger an den Tasten sitzt. Younge bringt Salvadors ikonisches Spiel nochmals auf eine ganz geräumige Leinwand. Beschwörende Unisono-Chöre, raue Horns, eine gleißende Streichersektion und tolle Einzeltäter an Flöte, Sax und Gitarre schaffen eine fantastische Kulisse für den Pianisten. Das Spektrum reicht dabei vom schwitzigen Funk-Kracher „Electricidade“ bis zur nostalgischen Erleuchtung von „As Estaco“.
Comedienne, Musical-Star, Schauspielerin – die Brasilianerin Samantha Schmütz hat ein kunterbuntes Portfolio. Dass Adrian Younge sie nun für die Kollaboration „Samantha & Adrian“ geladen hat, mag überraschen, aber die Stimme der Vielgesichtigen, die kürzlich auch mit Artur Verocai auf Tour war, entpuppt sich in diesem Kontext als Glücksfall. Ihr helles, ungekünsteltes Timbre behauptet sich in Younges quicklebendigem Universum aus Vintage-Keyboards, Streicher-Erotik, relaxtem Sambasoul- und Bossa-Feeling – und in einem Glanzmoment wie „Revoada“ kommt tatsächlich ein wenig Reminiszenz an Elis Regina auf.
SWR Musikstunde Helvetische Horizonte – Musik der Schweizer Metropolen
28.07. – 01.08.2025, 9h05 – 10h
von Stefan Franzen
Die Schweiz – musikalisch nur ein Land der Berge? Allzu oft richten wir unsere Ohren nur auf die Alpenklänge. Dabei beherbergen unsere eidgenössischen Nachbarn in ihren Städten weltgewandte und urbane Klangschätze, die genauso eigentümlich wie einzigartig, traditionsbewusst wie avantgardistisch sind. Beim Ausflug in fünf Schweizer Städte und ihre unmittelbare Umgebung stoßen wir auf große Kompositionen der Musikgeschichte zwischen Renaissance und Moderne, auf espritvolle Mundart-Chansons, eine quicklebendige Jazz-Szene und originelle Rock- und Pop-Perlen.
Lo & Leduc feat. To Athena: „Us Emene Lääre Gygechaschte“
Quelle: youtube
Sílvia Pérez Cruz & Salvador Sobral Sílvia & Salvador (Warner Music International)
Zwei der ganz Großen der Iberischen Halbinsel treffen sich zum Duo-Gipfel: Er, langjähriger Fan seiner Partnerin, hat die portugiesische Musik für den Indie-Pop und den Chanson geöffnet (und vor Uhrzeiten einmal den ESC gewonnen…). Sie, zweifelsohne die derzeitig unangefochtene Queen der katalanischen Musik, hat schon lange ein Faible für lusophone Töne, während er seit seinem Studium in Barcelona eine Verankerung in der Region hat. Sílvia Pérez Cruz und Salvador Sobral: Hier kann man nur die höchsten Erwartungen an hohe Liedkunst haben, und sie werden auch erfüllt, mit zarten Flügelschlägen aller Facetten der Música Latina, die die beiden mit befreundeten Song- und Verseschmieden zum Leben erwecken.
„Ben Poca Cosa Tens“, ein Trostpflaster für alle, die Abschied nehmen mussten von einem geliebten Menschen, mit Versen des Dichters Miquel Martí i Pol, schwingt sich in melodieseligen Terzen zu einer bewegenden, wunden Klimax auf, dann, wenn neues Leben durch „llum fresquíssima“, frischestes Licht, einfließt. Dann regieren die Dreiertakte: Ein Wehmutswalzer von Jorge Drexler wird angestimmt, im fragilen 3/4 wird in „Hoje Já Não É Tarde“ von Sobrals Schwester Luisa Fado schwebend sublimiert. Spielerisch flink mit Musette-Reminiszenzen kommt „L’Amour Reprend Ses Droits“ daher , das Sobrals Frau Jenna Thiam beigesteuert hat. Und ganz ohne Cheesyness gelingt den beiden in „Someone To Sing Me To Sleep“ ein country-esques Lullaby. Einmal nur wird es etwas physischer, wenn sich in „Muerte Chiquita“ die Rumba-Färbungen Kataloniens bemerkbar machen.
Die delikate Verletzlichkeit der beiden Stimmen -Pérez Cruz oft mit ihren berühmten zitternden Schleifen, Sobral gerne in seiner typischen Falsett-Lage – ist die Hauptattraktion der Scheibe. Sie ist aber eingebettet in ein sagenhaft intimes Instrumental-Dekor: Marta Romas lyrischer Cello-Strich, Dario Barrosos unauffällige gitarristische Ausgestaltung mit kurzen romantischen Einwürfen und vielen Flageoletts, und die Banjo-, Mandolinen- und Lap Steel-Tupfer von Sebastiá Gris. Der ruhige, hymnische Schluss, fast wie eine wortlose Bruckner-Motette im Trio mit Marco Mezquidas Klavier gestaltet, gehört dem Mitgefühl mit dem Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung. Eine Platte, die ganz auf die Innigkeit zweier Stimmen gerichtet ist und die Zeiten überdauern wird.