Neues Wasser geschöpft

Misagh Joolaee / Sebastian Flaig
Qanat
(Pilgrims Of Sound)

Sehr rege zeigt sich der innovative iranische Stachelgeigen-Spieler: Nach einem Duo- und einem Solo-Album, beide mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik prämiert, legt er mit Qanat zügig nach. Mit dem Perkussionisten Sebastian Flaig verfolgt Misagh Jolaee seinen Weg weiter, die Traditionen der Kamancheh, diesem filigranen, obertonreichen Instrument der persischen Klassik, zu einer Weltsprache zu weiten. Dass er hier eine Menge neuer Bogen- und Zupftechniken, ungewöhnliche Oberton-Effekte und Skalen auslotet, mag dem Fachhörer auffallen. Doch auch ohne spezialisiertes Wissen zieht einen diese CD in den Bann.

Das geschieht durch einen spirituellen Sog, der so feingewoben sein kann wie im schmerzlich dahinfliegenden “Bid-e Majnoun”, wo in jedem einzelnen Bogenstrich nuancierte Gefühlsregungen aus den Saiten gehaucht werden. Aber auch so virtuos wie im Titelstück, das durch eine Melodie aus Khorasan inspiriert wurde und dessen Titel auf das symbolträchtige Bild einer Wasserschöpftechnik in der Wüste verweist. Beschwörende Tiefe mit Vokaleinlage verströmt “Sohud”, nobles Schreiten “Bazgast”. Und in “Torbat” verschmilzt Flaigs perkussive Varianz auf der Bechertrommel Tombak mit der Kamancheh zu einem einzigen polyrhythmisch tanzenden Körper.

© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung (Ausgabe 15.07.2022)

Misagh Joolaee / Sewbastian Flaig: „Torbat
Quelle: youtube