Hamburger Traum vom Lindenbaum

Mahler grüßt den Lohengrin an der Alster (Still aus dem Film „Gustav Mahler Magic Tour“ im Komponistenquartier Hamburg)


Heute feierte Gustav Mahler seinen 162. Geburtstag, was mir schmerzlich in Erinnerung ruft, dass ich schon längst an meiner losen Folge der „Versuche über Mahlers Metaphysik“ weiterarbeiten wollte. Sie wird hoffentlich bald fortgesetzt.

Um seinen Tag zu ehren heute aber eine Reminiszenz an einen Juni-Besuch im wunderbaren Komponistenquartier in Hamburg, das an die Zeit des Komponisten in der Hansestadt mit zwei liebevoll gestalteten Räumen erinnert. Zwischen 1891 und 1897 hat Mahler an der Elbe gewirkt, reichlich das Radfahren entdeckt, noch reichlicher unter dem Stadtlärm gelitten und versucht, seine legendäre Affäre mit der Starsopranistin Anna von Mildenburg geheim zu halten.

Parallel zu seiner herausfordernden Tätigkeit an der Oper schrieb er vorrangig während der Sommer-Urlaube fern von Hamburg, oft im Steinbacher Komponierhäusl am Attersee. Unter anderem komponierte und revidierte er in jenen Jahren neben der Zweiten und Dritten Symphonie auch zwei seiner Liedzyklen, die Lieder eines fahrenden Gesellen und die Lieder aus des Knaben Wunderhorn. Für solche Miniaturformen hatte er auch in Hamburg ab und an Zeit.

Im Januar 1896 stellte er die Orchester-Partitur des ersteren Zyklus fertig, den er bereits in den 1880ern für Bariton und Klavier geschrieben hatte. In ihm ist das tief bewegende „Die zwei blauen Augen“ enthalten.  Melodische Querverweise dieses melancholischen, an Schubert-Motive anknüpfenden Liedes, das dann in das feingewobene Dur-Traumbild vom Lindenbaum entrückt wird,  sind im 3. Satz der 1. Symphonie zu finden. Nicht sehr oft hört man die A Cappella-Version des Liedes: Clytus Gottwald hat sie für vier vierstimmige Chöre gesetzt – und holt so noch mal eine ganz andere Substanz aus diesem fast überirdischen Mahler-Moment heraus.

Gustav Mahler: „Die zwei blauen Augen“, arr. Clytus Gottwald
Erato Choir / Dario Ribechi
Quelle: youtube