Saint Quarantine #12: Österliche Seidenstraße

Foto: Stefan Franzen

Zu den besonders bitteren Beigeschmäckern der Corona-Zeit gehört auf kultureller Seite die Absage des Seidenstraßen-Festivals, das über die Osterfeiertage in der Hamburger Elbphilharmonie stattfinden sollte (obiges Foto: ein Blick vom Dach des Gebäudes). Vorgesehen war, in zehn Konzerten über die historische Route von China nach Venedig zu reisen: etwa mit einem Oratorium namens „Buddha Passion“ des chinesischen Komponisten Tan Dun oder einem Marco Polo-Projekt des Ensembles En Chordais und Constantinople mit der Sängerin Maria Farantouri. Und natürlich mit vielen Musikern Zentralasiens, vom afghanischen Meisterensemble Safar über den kasachischen Barden Mamer und kirgisische Klängen mit Roza Amanova und dem Duo Kynbekov bis zur usbekischen Shashmaqam-Tradition mit Gulzoda Khudoynazarova.

Ein Highlight wäre auch das persische Konzert gewesen, bei dem sich der Sänger Alireza Ghorbani und Tar-Spieler Majid Derakshani hätten begegnen sollen. Letzterer wird nun am heutigen Ostersamstag ab 19h ein Streaming-Konzert in der leeren Elphi spielen, als kleiner Ersatz für all die Seidenstraßenkünstler, die – vorerst – stumm bleiben müssen. Trotzdem ist es ein Gewinn, all die Infos und Klänge online zu besuchen, die die Elphi auf ihrer Seite zur Verfügung stellt.

Majid Derakshani – Elbphilharmonie-Session, 11.4.2020
Quelle: youtube

„Alle meine Träume sind im Iran“

alizadeh ghorbani zarbang

 Hossein Alizadeh, Alireza Ghorbani (3. und 2.v.l.) und ihre Ensemblemusiker

Im Iran ist er einer der meistgefragten und innovativsten Meistern der klassischen persischen Musik. Der Komponist und Lautenspieler Hossein Alizadeh stellt auf einer Europatournee (Tourdaten am Schluss des Interviews) derzeit sein neues Projekt „Liebestrunken“ mit dem Ensemble Zarbang vor. In Köln habe ich mit Alizadeh über Vita und Werk sowie über den schwierigen Alltag eines Musikers im „Gottesstaat“ gesprochen. Ich danke Nasi Shahin, die aus dem Farsi für mich übersetzt hat.

Herr Alizadeh, nicht allen deutschen Hörern mögen Ihre beiden Instrumente, die Tar und die Setar vertraut sein. Führen Sie uns doch kurz in ihre Besonderheiten ein.

Alizadeh: Die Setar ist etwas älter, hat ihre Wurzeln in Kurdistan, und sie gilt als einer der Väter der traditionellen iranischen Musikinstrumente. Da das Instrument nicht so laut und eher für die Privatsphäre gedacht ist, besteht eine sehr enge Verbindung zum Spieler, man hat sie ganz nah am Körper, am Herzen, und spielt es auch direkt mit den Fingern, im Gegensatz zur Tar, für die es ein Plektrum gibt. Die Tar wurde erst vor ca. 250 Jahren entwickelt, weil man einen Klang für größere Säle mit mehr Volumen haben wollte. Hier gibt es zwei herzförmige Resonanzkörper, diese Bauart dient der Verstärkung des Klangs und man findet sie auch in der persischen Architektur. Weiterlesen