Bissig-samtener Soulprinz

Gute Stimmen, die den Retro-Soul pflegen, gibt es seit mindestens zehn Jahren wie Sand am Meer. Da muss man kein Zyniker sein: Es ist schon von Vorteil, wenn der Künstler noch eine besondere Biographie aufweisen kann, damit er sich unter Seinesgleichen heraushebt. Und die hat J.P.Bimeni:  Er ist mütterlicherseits Spross der Königsfamilie von Burundi, das wie der Nachbar Ruanda in den 1990ern vom Konflikt zwischen Tutsi-Minderheit und Hutu-Mehrheit heimgesucht wurde. Auch Bimeni kam bei der Flucht vor dem Genozid zwischen die Fronten: Seine Brust wurde von einer Kugel durchbohrt, im Krankenhaus verabreichten ihm die Ärzte eine Giftspritze, sie hielten ihn für einen Militärangehörigen. Er überlebte nur knapp, kam nach Nairobi, fand heraus, dass er steckbrieflich gesucht wird. Großbritannien gewährte dem 16-jährigen Geflüchteten Asyl, und auf dem College in Wales, noch gezeichnet von Gift und Schmerzmitteln, entdeckte er die Musik.

Es sind die Großen des klassischen Soul, die ihn fesseln: Marvin Gaye, Otis Redding, Ray Charles. Ihnen will er nacheifern und tut das zunächst parallel zum Politikstudium in kleinen Pubs. Singen wird seine Medizin, hilft ihm, die Traumata der Jugend zu vergessen. 2001 wird London seine Wahlheimat. Langsam, aber stetig geht er seinen Weg im Namen des Soul, Sessions mit Roots Manuva und den Noisettes flankieren ihn. Der Durchbruch ist 2013 eine Einladung, in einer Otis Redding-Revue mitzusingen, sowie die Begegnung mit der spanischen Band The Black Belts, die fortan seine Begleitcombo wird. Seit Herbst letzten Jahres liegt das Debüt „Free Me“ vor, das er jetzt auf deutsche Bühnen bringt.

J.P.Bimenis Repertoire neigt der raueren Seite des Soul zu, wie er in den 1960ern und 70ern auf dem Label Stax gepflegt wurde. Mit Vergleichen sollte man immer vorsichtig sein, doch in seinem Timbre wohnt tatsächlich etwas von Otis Reddings Bissigkeit, gepaart mit dem samtenen Falsett des frühen Al Green. Am besten gelingen ihm die Midtempo-Stücke, da kann Bimeni Dramatik mit großem Besteck ausspielen. Die Black Belts liefern ihm einen wunderbaren Groove aus flink federndem Schlagzeug, Gluckerorgel, trockenem Bass, knackigen Gitarenriffs und einem feinen Bläsersatz, der sich diszipliniert im Hintergrund hält. Und nach mehrmaligem Hören lässt sich befinden: Dieser Mann wird unter der harten Soul-Konkurrenz unserer Tage bestehen – da muss man gar nicht auf seine bittere Lebensgeschichte verweisen.

© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe 15.03.2019

J.P. Bimeni live: 19.03. Freiburg, Restaurant Schiff – 20.03. Bonn, Harmonie

J.P. Bimeni: „Honesty Is A Luxury“
Quelle: youtube

Spiritueller Triumph

Sharon Jones & The Dap-Kings
Soul Of A Woman
(Daptone/Groove Attack)

Wie singt jemand im Angesicht des Todes den Soul? Bei der vor einem Jahr verstorbenen Sharon Jones scheint die Gewissheit über das Kommende einen heiligen Ernst entfacht zu haben. Auf dem nun posthum erscheinenden Soul Of A Woman hat sie zu einem machtvoll glühenden Ton ohne ein Quäntchen Pathos gefunden, der in „Matter Of Time“ oder „Sail On“ an die Intensität von Aretha Franklins ersten Atlantic-Alben erinnert, flankiert von den beißenden Horns der Dap-Kings, die wie ein großes Groove-Organ atmen.

Und in der Mitte passiert etwas Großartiges: Nach der weitgehend funky A-Seite (auch die CD folgt der LP-Ästhetik), reihen sich fantastische Balladen ganz unterschiedlicher Couleur aneinander: Ihr Phrasieren zur glimmenden Orgel in „Pass Me By“ gemahnt an den Minimalismus des jungen Al Green, das zum Niederknien mit Motown kokettierende „When I Saw Your Face“ lebt von gleißenden Streichern, „Girl“ von orchestralem Hochgebirge. Das kurze Album verdankt seine Magie auch der exzellenten Produktion – der unglaublich kompakte, zeitlose Sound macht Prädikate wie „retro“ endlich überflüssig. „Call On God“ heißt das Gospel-betupfte Finalstück aus Jones‘ eigener Feder – ein Schwanengesang, der zum spirituellen Triumph über den Tod geraten ist.

Sharon Jones & The Dap-Kings: „Call On God“
Quelle: youtube