Diese Stimmen trotzen dem Trauma

Sadiqa Madadgar, alle Fotos © Zeitgenössische Oper Berlin

Das Streaming-Festival „Female Voice of Afghanistan” gibt afghanischen Musikerinnen eine globale Plattform – zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Situation für sie dramatisch verschärft hat.

„Ich bin Muslima, OK. Aber ich bin auch Sängerin!“ Sadiqa Madadgar schaut selbstbewusst in die Kamera. Was ist in die Biographie der erst 24-Jährigen schon alles eingeschrieben: Ihre Familie entrinnt dem Krieg in der südafghanischen Provinz durch den Gang ins pakistanische Exil. Aber da Sadiqa ihrer Leidenschaft, der Musik folgen will, verlässt sie die konservativen Eltern, geht allein nach Kabul. Dort wird sie mit smart auf Popformat gebrachten Volksmusik zum TV- und Youtube-Star, begeistert sich für Kampf- und Radsport. Als die Taliban wieder die Macht übernehmen, ist sie in akuter Lebensgefahr. Ende September gelingt ihr die notgedrungene Flucht aus dem Land, das sie so liebt. Fast erschütternd ist ihr lebensbejahendes „Trotzdem“: „Wenn wir die Herausforderungen nicht akzeptieren, warum leben wir dann überhaupt?“

Unerschrocken den Traumata zu trotzen, eine tägliche Herausforderung für Sadiqa. So wie für acht weitere Sängerinnen, deren Geschichten die iranische Musikethnologin Yalda Yazdani und der Leiter der Zeitgenössischen Oper Berlin, Andreas Rochholl, in sehr persönlichen Porträts vor Ort in Kabul und in Berlin eingefangen haben. Porträts, die durch die aktuellen Ereignisse kurz nach den Dreharbeiten im Juli eine zusätzlich dramatische Dimension bekommen haben.

Andreas Rochholl & Yalda Yazdani

Fünf Jahre lang hatte Yazdani über Frauenstimmen im Iran gearbeitet, mit Rochholl einen Dokumentarfilm er und zwei Bühnenfestivals in Berlin organisiert. „Dann kam der Punkt, wo ich den Blick über meine Heimat hinaus richtete. Afghanistan ist das Nachbarland, aber ich war nie dort“, erzählt sie. „Ich wurde neugierig auf die Frauen dort: Wer sind sie? Wie klingt ihre Musik? Alles, was uns seit Kindheit im Iran eingebläut wurde, war: Das ist kein sicheres Land, geht da nicht hin.“ Ähnlich die Vorgabe des Auswärtigen Amtes, durch die eine Recherche vor Ort und Reisen von afghanischen Künstlerinnen hierher vom Förder-Etat ausgeschlossen war. „Von Anfang an hatten wir also zwei starke Limitierungen“, sagt Rochholl. „Die Unmöglichkeit eines realen Festivals und die Corona-Pandemie. Wir mussten auf eigenes Risiko nach Afghanistan reisen, um die Menschen dort kennenzulernen, und dann um eine neue mediale Form abseits des klassischen Kinofilms ringen, damit wir das Resultat präsentieren können.“

In den Regionen, die sie erkunden konnten – Kabul, die Provinzen Bamyan und Herat – trafen sie auf eine ungeheure kulturelle Vielfalt, bedingt durch die geographische Lage des Landes: In afghanischer Musik hört man neben den lokalen Eigenheiten indische genau wie persische Einflüsse, auch die Farben der Turkvölker sind präsent. Kontakte stellte Yazdani über viele Telefonate und die sozialen Medien her. Sie stieß auf Sängerinnen, die schon lange etabliert sind, Berühmtheit bei der älteren Generation genießen. „Aber da waren auch sehr junge Musikerinnen, in deren Stimme eine tiefe Leidenschaft liegt. Sie sind während der letzten 25 Jahre aufgewachsen, haben Afghanistan im Umbruch erlebt. Und vor allem diese Generation interessierte mich. Das Ziel unseres Projekts ist es, das Menschliche in den individuellen Lebensgeschichten zu zeigen, und dann erst kommt der Gesang, der sich darauf bezieht.“

Freshta Farokhi

Da ist etwa Freshta Farokhi aus der Provinz Bamyan, mit ihren 20 Jahren schon eine herausragende Sängerin der traditionellen Musik der Hazara, die bei großen Festivals in gemischten Ensembles sang. Diese Festivals sind nicht mehr möglich, früh haben die Taliban Bamyan zurückerobert. Freshta sorgt sich nun, dass alle Anstrengungen vergangener Jahre für die Frauen und für ihre Musiker umsonst waren, sie muss sich an wechselnden Orten verstecken.

Oder die fußballbegeisterte Folksängerin Sumaia Karimi, die wie Sadiqa Madadgar durch die Talent-Show „Afghan Star“ bekannt wurde. Musik ist für sie Bewältigungsstrategie in einem Alltag, der für sie immer von Verlust und Blutvergießen geprägt war. Ihr großer Traum ist es, ein Straßenkinderorchester zu gründen. „Durch Musik verliere ich nicht meine Würde, im Gegenteil: Ich gewinne Würde und bin stolz darauf“, sagt sie an die Adresse der traditionell Religiösen. Kürzlich gelang ihr die Ausreise nach Italien, mit einer ungewissen künstlerischen Zukunft.

Pendelnd zwischen Hamburg und Kabul gestaltete Popstar Rouya Doost ihre Karriere, bis zuletzt hat sie an Projekten in Afghanistan gearbeitet, bis sie von heute auf morgen einer Lebenshälfte beraubt wurde. Und da ist auch eine Frau, die nur vollverschleiert und ohne Klarnamen vor die Kamera tritt. Zweimal war sie verheiratet, beide Männer hat ihr der Krieg genommen, ein Emigrationsversuch scheiterte im Gebirge. Sie hat alles verloren, ihre unbegleiteten Wiegen- und Liebeslieder auf Pashto treffen wie ein Stich ins Herz.

Diese Künstlerinnen haben sich alles selbst errungen. Eine musikpädagogische Infrastruktur, eine organisch gewachsene Musikszene war nach 40 Jahren Krieg nur in Ansätzen vorhanden. Einige von ihnen hat der mit ausländischen Mitteln finanzierte Sender Tolo TV ins Rampenlicht katapultiert. Jede Aussicht auf eine Verstetigung ihrer Laufbahn nehmen ihnen nun vorerst die Taliban. Doch diese Retraumatisierung des Landes stellt nur das Ende einer geschichtlichen Ereigniskette dar. „Die Taliban sind eine ganz radikale Form einer Tendenz, die in einem Land mit einem extrem traditionellen Islam schon immer existierte und zu der bei Teilen der Bevölkerung auch die Überzeugung gehört: Musik ist Sünde“, sagt Rochholl.

Überlagert wurde diese Glaubenswelt durch zwei Jahrhunderte Fremdbestimmung, die das Misstrauen gegenüber allem Ausländischen tief eingebrannt hat: von der britischen Kolonialphase über den sowjetischen Einmarsch bis hin zur Invasion der NATO, die mit ihrem Drohnenkrieg viele Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen hat. Laut der Menschenrechtsorganisation medico international gehen mindestens 100.000 zivile Tote  auf das Konto der westlichen „Befreier“. Rochholl: „Wir können und wollen mit unserem Festival keine politisch-historische Analyse von außen betreiben, das wäre überheblich. Aber wenn wir die persönlichen Geschichten dieser Frauen erzählen, dann hat das eine Wahrheit.“

Sumaia Karimi

Yazdanis und Rochholls Festival zeigt neben den Porträts auch gefilmte Konzerte und die Resultate eines Netzwerkens: Durch Begegnungen über Zoom konnten die Musikerinnen Teamworks mit westlichen Kolleginnen einfädeln, auch diese spannenden Fusionen werden auf You Tube zu sehen sein. Ein Medium, das alle Sängerinnen weiterhin täglich nutzen, um das zu protokollieren, was ihnen passiert, auch wenn sie sich damit großen Gefahren aussetzen. „Diese Frauen haben einen so starken Charakter. Sie können immer wieder neu anfangen, und sie wollen auch nicht als Opfer gesehen werden“ resümiert Yazdani. „Mehr denn je ist jetzt die Zeit, in der ihre Stimmen gehört werden müssen.“

© Stefan Franzen, erschienen auf Qantara.de – Dialog mit der islamischen Welt

Streaming-Festival „Female Voice Of Afghanistan“:
15.-18 Oktober, jeweils von 19h – 20h30,
CrossGeneration Media – YouTube

„Female Voice of Afghanistan“ – Trailer
Quelle: youtube

Genius und Gentlemen

Ron Carter Foursight Quartet
E-Werk Freiburg
25.09.2021

„Ich habe fleißig seyn müssen; wer eben so fleißig ist, der wird es eben so weit bringen können“, sagte Johann Sebastian Bach einmal. Danach gefragt, was das Geheimnis ihrer Kunst sei, antworten musikalische Genies – gleich welcher Epochen und Stilrichtung – oft mit der lapidaren Feststellung: „Harte Arbeit.“ Auch Ron Carter hat das bescheiden betont. Er, der auf über 2000 Platten gespielt hat, den man seit den 1960ern durch Eric Dolphy und Miles Davis, aber auch durch Paul Simon und Aretha Franklin kennenlernen konnte. Der Welt bekanntester Jazzbassist dank seines hier ansässigen Labels In & Out Records in Freiburg, das sorgte für einen vollen E-Werk-Saal, voller, als manchen zu Corona-Zeiten lieb war. Der 84-Jährige kam mit seinem aktuellen Foursight Quartett und sorgte für eine überwältigende Sternstunde zwischen klassischem Bebop, American Songbook und Latin-Färbungen.

Disziplin, das ist das erste Wort, was einem bei diesen vieren einfällt. Aber keine, die durch Beschränkungen, sondern die durch maximale Souveränität entsteht. Da ist keine exaltierte Körpersprache zu sehen, keine mimischen Mätzchen, allenfalls ein Nicken, eine hochgezogene Augenbraue zur Verständigung. Sie sind Diener und nicht Bezwinger ihrer Instrumente, entfalten lange pausenlose Sets mit meditativem Flow. Freie Klangtrauben vermitteln zwischen den einzelnen Stücken, als besinne sich die Band kurz, um dann in eine andere Welt zu wechseln. Fast unmerklich gleitet man vom lässig angegangenen Bebop in einen Brasil-Groove und zurück, in einer melancholischen Ballade kehrt Rondo-artig ein spanisch gefärbter Marsch wieder.

Selten bricht einmal der dynamisch und atemtechnisch grandios flexible Jimmy Greene am Tenorsaxophon in eine muskulösere Improvisation aus, ansonsten ist alles pure Eleganz und das Understatement von Gentlemen. Payton Crossleys fast schon gekitzelte Drums sind in feiner Räumlichkeit nach hinten gemischt, er entwickelt Soli aus einem simplen Hi-Hat-Schlag oder – geradezu Stepdance-artig – auf den klackernden Trommelrändern. Donald Vega am Piano ist melodieverliebt in den hohen Lagen, kann nahtlos immer wieder in latinisierte Kurzeinlagen einschwenken. Fulminant gerät seine Version von „My Funny Valentine“ im Duo mit Carter: Es ist wie ein Dialog eines verträumten jungen Verliebten mit einem reifen Liebenden.

Carter selbst gibt sich fast als Stoiker, aber als zärtlicher, der sich auch mal liebevoll an seinen hölzernen Gefährten lehnt. Den vielzitierten „singenden Bass“ gibt es bei ihm nicht, sein Spiel gleicht eher der Rede eines distinguierten Herren, der viele Sprachen beherrscht: Seine Walking-Bässe haben federnde Stolperer, die Doppelgriff-Passagen augenzwinkernde statt verbissene Virtuosität, die Glissandi gebärden sich als entspanntes Gähnen. Selbst eine fast banale Melodie wie „You Are My Sunshine“ gerät, gespickt mit kauzigen Oberton-Phrasen und Klettereien am Ende des Griffbretts, zum Kabinettstückchen. Das Ergebnis von harter Arbeit lautet: Pure, klassische Jazz-Schönheit, begeistert gefeiert von den Festivalbesuchern.

© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe vom 28.09.2021

Deutsch-brasilianischer Nährboden

Foto: Dumitrita Gore

Juliana Blumenschein ist in Deutschland mit brasilianischen Eltern aufgewachsen und mit Jazz, Soul und Gospel sozialisiert – das ergibt einen schönen Nährboden für die eigene Musik. Diese hat sie an der Musikhochschule in Mannheim und bei einem Aufenthalt in Salvador da Bahia reifen lassen. Ihre Debütscheibe A Vida (Recordjet) stellt sie jetzt der Öffentlichkeit vor, unter anderem in meinem Interviewbeitrag für SRF 2 Kultur, der am Dienstag, den 13.7. ab 20h in der Sendung „Jazz & World aktuell“ läuft.

Juliana Blumenschein Quintett: „A Vida“ (live)
Quelle: youtube

Butterweich und feinpinselig

Foto: Thomas Radlwimmer

Festlegungen sind nicht die Sache des vielgesichtigen Gitarristen, Posaunisten, Komponisten, Arrangeurs und Bandleaders Emiliano Sampaio: Seine Musik wandelt zwischen intimem Triosetting, Nonett und Bigband, greift die Farben Brasiliens von Frevo bis Samba auf, geht aber auch in unerwartete Gefilde hinein, etwa Kooperationen mit Slam-Poeten. Erstmals hat Sampaio sich nun mit seinem Meretrio (Luis André, dr, und Gustavo Boni, b) ganz der Musik seiner ersten Heimat verschrieben. Sein neues Album hat die Corona-Not zu einer Tugend gemacht: In reizvoll reduzierter Trio-Konstellation greift Choros Klassiker und unbekanntere Stücke aus dem nun schon 140 Jahre währenden, zeitlosen Genre Brasiliens auf, lässt die Melodien von Pixinguinha oder Jacob do Bandolim mit ungewohnten Harmonien, komplexen Arrangements und jazziger Improvisationswürze neu aufscheinen.

Mit einer wunderbar clean gespielten E-Gitarre, umtriebigem E-Bass und feinpinseligem Schlagzeug bekommt der Choro einen zeitgemäßen Spin und bleibt doch Chamber Music. Ein Vibraphon leuchtet in Pixiguinhas „Ingénuo“ auf, ein wenig Street Parade-Feeling blitzt durch die bukolische Posaunenarbeit in „Na Gloria“. Und die Läufe aus Jacob do Bandolims „Assanhado“ und „Santa Morena“ hat man noch nie so butterweich gehört.

Für die Jazzfacts des Deutschlandfunks habe ich ein ausführliches Interview mit Emiliano Sampaio geführt. Mein Porträt ist am Donnerstag, den 8.4. zwischen 21h05 und 22h zu hören und steht danach 7 Tage im Podcast zur Verfügung.

Meretrio: „Santa Morena“
Quelle: youtube

Entgrenzter Schumann

Foto: Gregor Hohenberg

Johanna Summer
Fuge trifft Fuge, Denzlingen
17.10.2020

Eine Trias der Künste lässt Goran Kojic in seinem Ladengeschäft aufeinander wirken: Coronen-Stelen von Michael Bögle und Bilder von Anke Rösner umgeben den zentral platzierten Flügel, an den der Fliesenlegermeister und Pianist seit 2019 regelmäßig Musiker bittet. Nach acht Konzerten ist die passend betitelte Reihe „Fuge trifft Fuge“ bestens eingeführt, wird auch in Corona-Zeiten gut angenommen. An solchen Abenden wie diesem, an denen er seine beiden Passionen Handwerk und Klang in warmer Wohnzimmeratmosphäre vor Publikum zusammenführen kann, gehe ihm das Herz auf, sagt Kojic, der erkennbar für seine Sache brennt. Und es ist ihm mit Johanna Summer gelungen, eine Starpianistin der jungen deutschen Szene nach Denzlingen zu locken, um ihr neues Schumann-Soloprogramm zu präsentieren.

Sich im Beethoven-Jahr um Robert Schumann zu kümmern – schon fast eine kleine Rebellion. Doch die Zeit dafür war reif, so Summer im Vorgespräch. Was die unweit vom Geburtsort des Komponisten, Zwickau, aufgewachsene Plauenerin fasziniert: Seine Stücke aus den „Kinderszenen“ und dem „Album für die Jugend“ sind wie Abbilder eines Zustandes, kaum haben sie begonnen, sind sie schon wieder vorbei. Und so seien sie für eine fantasievolle Adaption, ein entgrenztes Fortspinnen viel eher geeignet als etwa eine Bach-Fuge oder eine Beethoven-Sonate.

Ein unendliches, aufregendes Spielfeld für die Mittzwanzigerin, die vom klassischen Unterricht ins Jazz-Studium einbog. Dabei legt sie das althergebrachte Schema von Thema und anschließender Improvisation ad acta: Zwei meist gegensätzliche Charaktere aus den Schumann-Alben verklammert sie an einer sehr langen Leine. Es ist, als flöge der Hörer in eine dichte Klangwolke aus freien, flüchtigen Schumann-Radikalen, die sich vorübergehend zu ihren bekannten Molekülen ordnen.

Etwa in „Glückes genug“ und „Erster Verlust“. Die fallende Melodiebewegung füllt Summer mit Swing-Feeling, parfümiert sie mit Blue Notes, bis unvermittelt, aber doch organisch erwachsen, das Originalthema dasteht. Das Doppel aus dem „Haschemann“ und dem „Ritter vom Steckenpferd“ gestaltet sie mit querständigen Ostinati, baut daraus einen wippenden Groove, lässt einen fast abrupten Schluss zu. Summers Impro-Strecken haben sowohl „jazzy“ Anmutungen, greifen aber genauso beherzt in den virtuosen Werkzeugkasten spätromantischer Konzertkadenzen. Am verblüffendsten gelingt ihr der Spagat zwischen „Knecht Ruprecht“ und der „Träumerei“, zwei hassgeliebte Ohrwürmer jeden Klavierschülers: Die täppischen Sechzehntelfiguren des Nikolaus-Gehilfen wandelt sie zu dräuend monströsen Blockakkorden, mit packender Physis lotet sie den Bassraum aus. Und dann hält man den Atem an, wie sich die immer zartere Melancholie vorarbeitet, das „Träumerei“-Thema schließlich von aquatisch schimmernden Linien umflossen wird. Großer Applaus für fantastische Stil-Verfugungen.

© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe vom 19.10.2020

fuge-trifft-fuge.de
nächste Termine: Thomas Bauser, 1.11., Rainer Böhm, 6.12.

Johanna Summer: „Knecht Ruprecht – Träumerei“
Quelle: youtube

Nachlese Festival „Ins Weite“ #4: Masaa

Foto: Albert Josef Schmidt

Masaa
Festival „Ins Weite“, ArTik Freiburg
06.09.2020

Souveräne Verschmelzung von Avantgarde und Tradition: Das umjubelte Konzert von Masaa beim Freiburger Festival „Ins Weite“.

Nicht selten werden der Genre-Begriff „Weltmusik“ sowie die entsprechenden Ensembles, Akteurinnen und Akteure überfordert. Der traditionelle Fundus, die Grammatik außereuropäischer Musik und die Termini westlicher (Pop-)Klänge suchen eine Vernetzung, ja Verschmelzung – doch Anspruch und Wirklichkeit, das klingende Ergebnis, lassen immer wieder zu wünschen übrig.

Dem libanesisch-deutschen Quartett „Masaa“ um den Sänger und Poeten Rabih Lahoud jedoch gelingt die interkulturelle Fusion. Wobei hier eher von einem geglückten „World Jazz“ gesprochen werden kann, den ein begeistertes Publikum im Rahmen des Freiburger Festivals „Ins Weite“ erfahren durfte. Bei diesem Open-Air-Konzert im Innenhof des Jugendkulturzentrums „ArTik“ vermählte die weitgereiste und mit diversen Preisen ausgezeichnete Formation scheinbar mühelos Merkmale eines modernen Jazz mit Texten in arabischer Sprache und mit (europäischer) kammermusikalischer Intimität. Rabih Lahoud lebte 19 Jahre in seinem Geburtsland Libanon, floh dann vor dem Krieg – und fand in Deutschland eine neue Heimat, wiederum seit 19 Jahren.

Der hervorragende, über mehrere Oktaven und eine traumhaft sichere Intonation gebietende Vokalist kann sich mit Marcus Rust (Flügelhorn, Trompete), Reentko Dirks (Doppelhalsgitarre) und Demian Kappenstein (Drums, Perkussion) auf nicht weniger gewandte Gefährten verlassen. „Masaa“ ist das arabische Wort für den Abend, den Rabih Lahoud als besonders magische Zeit wahrnimmt. Und der Sound dieses ungewöhnlichen Ensembles bewegt sich dann in (auch emotionalen) Zwischenbereichen, pendelt zwischen vitalem Duktus und poetischen Ruhezonen. Meisterlich, wie Lahoud von gesungenen Texten zu improvisierten Vokalisen wechselt, welche Ausdrucksintensität er auch in den hohen Registern erreicht.

Bezwingend auch, wenn Rabih Lahoud und der Blechbläser Marcus Rust dialogisieren, Stimme und Flügelhorn wendige Unisono-Passagen zaubern. Reentko Dirks nähert sich an der zweihalsigen Gitarre auch dem Charakter der arabischen Laute Oud oder übernimmt mal die Funktion eines Bassisten, während ein hochbeweglicher Demian Kappenstein sein Drumset zwischen feinem Drive, vertrackten Beats und vielen rhythmischen Überraschungen schwingen lässt.

Beachtlich zudem, wie diese vier Talente unangestrengt Avantgarde und Tradition, geräuschnahe Klangforschung und melodischen Schmelz zusammenführen. Masaa: ein herausragendes, ein heftig bejubeltes Event.

© Udo Andris, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe 09.09.2020

Foto: Albert Josef Schmidt

Nachlese Festival „Ins Weite“ #2: Bab L’Bluz

Foto: Alexandra Heneka

Bab L’Bluz
Mensagarten Freiburg, 16.08.2020
Festival „Ins Weite“

Respekt vor den musikalischen Traditionen des Maghreb und Leidenschaft für die Sounds der Moderne, vor allem für die Power des Rock, finden bei Bab L´Bluz zu einer stimulierenden Melange. Im Rahmen des Freiburger Open-Air-Sommerfestivals „Ins Weite“ gastierte das franko-marokkanische Quartett bei angenehmen Abendtemperaturen im gutbesuchten Mensagarten, machte mit seinem Debüt-Album Nayda! vertraut. Nayda steht seit der Jahrtausendwende für eine musikalische Jugendbewegung in Marokko, die sich für Freiheit, auch die Rechte diverser Minderheiten, engagiert. Das Wort bedeutet ebenso „Party“, aber auch intellektuelles Erwachen, eine aufrechte Haltung.

Frontfrau Yousra Mansour von der marokkanischen Atlantikküste gefällt nicht nur mit agilem, wandlungsfähigen und hochemotionalen Gesang, sondern auch mit ihrem Spiel auf der dreisaitigen Laute Awisha. Gemeinsam mit Brice Bottin aus Lyon an der (ebenfalls dreisaitigen), ursprünglich schwarzafrikanischen Basslaute Guembri sowie Drummer Hafid Zouaoui und dem  Flötisten/Perkussionisten Jérome Bartolomé begeisterte die Band mit ihrem Wüsten-Rock, zusammengesetzt unter anderem aus Elementen verschiedener marokkanischer Provinzen. Eine vitale Mixtur aus der rituellen, tranceorientierten Musik der Gnawa (Nachfahren schwarzafrikanischer Sklaven aus dem Westen des Kontinents), aus Musik der Berber und Poesie der Hassania (Mauretanien) – und eben Strukturen eines westlichen, auch psychedelischen Rock.

Foto: Alexandra Heneka

Wehmütige, nachdenkliche Weisen erhalten Raum, aber auch extrovertiertes Party-Feeling. Yousra Mansour und Brice Bottin haben ihre Saiteninstrumente elektrifiziert, geben dem Gruppen-Sound dadurch zusätzliche Masse und voluminöse Grooves. Die Band entwickelt auch immer wieder mal unaufgeregte, geduldig formulierte Improvisationen. Hier weckt das Flötenspiel eines  Jêrome Bartolomé besondere Aufmerksamkeit. Gekonnt auch, wie diese vier Talente die melodisch-rhythmischen Feinheiten Nordafrikas mit einem kompakten Rock-Gestus verzahnen. Ein permanenter Genuss dann auch die komplexe, energiegeladene Arbeit, das souveräne Timing eines Hafid Zouaoui am Drum-Set. Bab L´Bluz (= Tor zum Blues) gehören mit ihrem Gig ganz sicher zu den musikalischen Glanzlichtern des „Ins Weite“-Festivals.

© Udo Andris

Foto: Stefan Franzen

SWR 2 Musikstunde: Der Atem des Himmels

Foto: Stefan Franzen

Liebe Freund*innen,

Mundschutz und Mindestabstand bestimmen seit März unseren Alltag. Die Sehnsucht nach freiem Durchschnaufen, nach sinnlicher Erkundung der Umwelt steigt. Auch deshalb darf ich euch zu dieser ganz besonderen Musikwoche im Südwestrundfunk einladen.

„Der Atem des Himmels – eine musikalische Geschichte der Düfte“
SWR 2 Kultur, 25. – 29.05.2020, jeweils 09h05 – 10h

„Parfums sind Symphonien und Parfumeure Komponisten. In der Kunst ist die Parfümerie die duftende Nachbarin der wohlklingenden Musik“, bemerkte einst Jean Cocteau. Zu welchen Liedern, Chansons, Songs, Symphonien oder Opernarien regten die Harze und Kräuter der Antike, die Blüten und Früchte des Mittelmeers, die Hölzer und Gewürze des Orients die musikalische Fantasie an? Welche Werke entstanden als Widmung an duftende Persönlichkeiten wie die Königin von Saba, Kleopatra, Louis XIV oder Coco Chanel? Und umgekehrt gefragt: Wie duften Puccinis Cio Cio San oder Tschaikowskys „Pique Dame“, welche Aromen verströmt ein Flamenco oder ein Tango in der Vorstellung der Parfumeure? Um all diese nie ganz greifbaren, doch gerade deshalb immer schillernden, synästhetischen Abenteuer zwischen Nase und Ohren geht es in dieser Musikwoche, über 5000 Jahre hinweg, über fast alle Erdteile, von Babylon bis nach Buenos Aires, von den Pharaonen bis zu Kate Bush.

1. Von Myrrhe, Weihrauch und Balsam – die Wohlgerüche des Altertums (25.05.)

2. Tausendundein Aroma – die Düfte des Orients und Asiens (26.05.)
3. Vanille, Zimt, Orange und Jasmin – von den Tropen ins Mittelmeer (27.05.)
4. Könige, Romantiker und Synästheten – Streifzüge durch Europas Dufthistorie (28.05.)
5. Von Coco Chanel bis Kate Bush – Parfums der Neuzeit (29.05.)

Danke: der Osmothèque in Versailles für das Duftseminar, meiner Mutter Marlies Franzen für ihre biblischen Recherchen und meinem Vater Herbert Franzen für seine Gedichtübertragungen von Charles Baudelaire.

https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/der-atem-des-himmels-eine-musikalische-geschichte-der-duefte-1-swr2-musikstunde-2020-05-25-100.html

Die Sendungen sind nach der Ausstrahlung eine Woche lang in der SWR-Mediathek abrufbar.

Yma Sumac: „La Flor De Canela“
Quelle: youtube

Ein Blick ins Jenseits

Wenn Teodor Currentzis über Gustav Mahler spricht, erzählt er gerne Geschichten aus seinem eigenen Leben. Wie kürzlich diese, beim Stuttgarter Werkstattgespräch: Als Student in St. Petersburg grübelt der angehende Dirigent über die Bedeutung einer Passage aus dem Adagio der Neunten Symphonie. Für wen bloß ist diese Musik, fragt er sich. Ein Freund führt ihn zu verlassenen Gleisen, an denen eine Frau sitzt, leergeweint, doch immer noch sehnend und hoffend auf einen Zug, der nie kommen wird.

Was hat es mit diesem Werk auf sich, diesem 80-minütigen Koloss, der das Ende der Spätromantik verkörpert und so intensive Gefühlsausbrüche in sich birgt, dass das Hören zur gewaltigen seelischen Erschütterung geraten muss?

Stellen Sie sich einen Mann von knapp 50 Jahren vor. Er weiß, dass sein Herz ihn nicht mehr lange leben lassen wird und er leidet mit jedem Atemzug unter dieser Beklemmung. Seine geliebte Tochter ist ihm vor zwei Jahren gestorben und mit der Vitalität seiner viel jüngeren Frau kann er nicht Schritt halten. Als Dirigent an der Metropolitan Opera in New York bricht er unter permanenter Arbeitsüberlastung fast zusammen. Um seiner eigentlichen Berufung, dem Komponieren, nachgehen zu können, bleiben Gustav Mahler nur die Sommermonate, die er im idyllischen Toblach in den Sextener Dolomiten verbringt. Hier hat er sich unter Fichten eine schlichte Bretterhütte zimmern lassen, und in diesem entrückten „Komponierhäusl“ schreibt er 1909 vier Sätze, wie sie die Symphonik zuvor noch nicht gekannt hat.

Man kann die paar Quadratmeter heute noch besichtigen, der Verschlag hat die 110 Jahre überdauert. Inmitten eines Streichelzoos mit Wildsauen, Ziegen und Emus steht das „Häusl“, karg bestückt mit Fototafeln. Drumherum die mächtigen Felszinnen der Kalkalpen, und sie müssen in diesem auch heute noch behäbigen Kurort auf Mahlers Schöpferkraft abgefärbt haben. Ja, man kann die Neunte, Mahlers letzte vollendete, mit ihren vielen Hornrufen und volksmusikhaften Drehfiguren oberflächlich als „alpin“ hören. Doch sie erzählt vor allem vom metaphysischen Kampf eines hochsensiblen Künstlers, der sein Ende kommen spürt.

Mahlers Komponierhäusl in Toblach, Foto: Herbert Franzen

Musikalisch über den Tod nachgedacht hatte Gustav Mahler seit seiner zweiten Symphonie immer wieder. Doch während er zuvor Sterben, Jüngstes Gericht und Auferstehung ganz plastisch auskomponierte, ist in seinen späten Jahren diese katholische Gewissheit weggefegt. Um sein Verzweifeln abzubilden, stellt er in der Neunten alle herkömmlichen Regeln der Symphonik auf den Kopf, Satzabfolge, thematische und harmonische Entwicklung. Im langsamen Eröffnungssatz stürzt das innig von Hörnern, Holzbläsern und Geigen gesungene Lebewohl mehrfach in düstere bis schlichtweg brutale Abgründe. In Bruchstücken springt einem im nachfolgenden Ländler die österreichische Volkskultur als Totentanz entgegen, ein groteskes Rondo schließt sich furios lärmend an, heute würde man diese Musik als „industrial“ bezeichnen: Die Welt aus den Fugen, ihr Getümmel ein absurdes Theater.

Und dann das Schlussadagio, das größte und ergreifendste der abendländischen Musikgeschichte. Teodor Currentzis hat es letzte Woche in seinem Stuttgarter LAB-Gespräch „Vehikel zur Unendlichkeit“ genannt. Mahler zitiert Beethovens Klaviersonate „Les Adieux“ und zugleich das trostsuchende Kirchenlied „Abide with me“. Doch Gott scheint kein verlässlicher Begleiter auf diesem letzten Weg, nach wenigen Tönen wandelt sich der Choral zu einem herzblutenden Gesang, der fast taktweise zwischen Gebet, Hingabe, Sehnsucht, Furcht vor dem Tod und Auflehnung gegen das Schicksal schwankt. Currentzis nennt das ein „Wunderland des Schmerzes“. Hier wohnt die Frau an den Gleisen, aber hier wohnt auch jeder Sterbliche, jeder Zweifelnde, jeder von uns.

Zerschnitten wird dieser zutiefst bewegende Gesang mehrfach von eigenartigen, leisen Passagen mit Fagott und Flöte, ein Schattenreich, in dem wie aus einer anderen Dimension Johann Sebastian Bachs strenger Kontrapunkt nachhallt. Nach langem Widerstreit glüht zart himmlisches Licht auf, schließlich löst sich alles in körperloses Nichts. Die Pausen übernehmen die Hauptrolle. Der irdische Zeitbegriff ist außer Kraft gesetzt. Mahler, das ist die Deutung von Leonard Bernstein, ist nach schmerzvollem Abschied von der Schönheit der Erde nun bereit, sein Ich aufzugeben, ohne zu wissen, was ihn „drüben“ erwartet. Dieses endgültige Hingeben in Töne zu fassen, ist vielleicht keinem anderen Komponisten in so zutiefst menschlicher Ehrlichkeit gelungen. Es im Konzertsaal mitzuvollziehen, kann ein Leben verändern. Denn am Ende schwingt die Tür ins Jenseits auf – und auch in eine neue musikalische Epoche.

Stefan Franzen
dieser Text erschien in einer gekürzten Form in Der Sonntag, Ausgabe 15.12.2019

Teodor Currentzis dirigiert Mahlers 9. Symphonie, SWR Symphonieorchester:
16.12. Konzerthaus Wien, 18.12. Elbphilharmonie Hamburg, 19.12. Konzerthaus Dortmund, 20.12. Konzerthaus Freiburg, 22.12. Mozartsaal Mannheim

 

Kleine Abgründe

Foto: Justin Higuchi

Sophie Auster
Jazzhaus Freiburg
15.11.2019

Musikerkinder von Musikereltern haben es schwer, sind ständig bohrenden Vergleichen ausgesetzt. Befreiter aufsingen und -spielen können die Sprösslinge von Literateneltern, sie haben sich ihre eigene Künstlersphäre erobert, und trotzdem umgibt sie der familiäre Nimbus. „Gerne mal die Eltern erwähnen“, wünscht sich Sophie Austers Promo-Firma von den Journalisten. Das ist aber gar nicht nötig ist, denn die 32-jährige New Yorkerin kann sich auf ihre eigenen Meriten berufen. Seit dreizehn Jahren ist sie eine der interessanteren Singer/Songwriterinnen im Gewühle der vielen Kolleginnen am Hudson, noch länger ist sie auf der Kinoleinwand zu sehen. Im Jazzhaus Freiburg feierte sie am Freitagabend ihren europäischen Tour-Auftakt.

Austers Songs leben auf der aktuellen CD Next Time von fülligem Popsound, träumerischen Hall-Räumen und cleveren Bläsertexturen. Doch sie haben die Klasse, auf der Bühne auch in einem kargen Trio-Setting zu funktionieren, denn allein diese Stimme nimmt sofort gefangen: mit suggestiv-souligen Tiefen, die ein wenig an Annie Lennox erinnern, aber auch mit leuchtenden Höhen in mäandernden, textlosen Uuuuh-Phrasen. Auster ist keine Rampensau, aber noch weniger Mauerblümchen, und da kommt ihr vielleicht die parallele Schauspielerinnenlaufbahn zupass: Sie setzt auf gezielte Flirts mit dem Publikum, ein angedeutetes Küsschen hier, eine hochgezogene Augenbraue da, Textstellen und Trommelwirbel untermalt sie mit tiefen Blicken und dem Spiel ihrer Finger. Fast ein wenig überzogen wirkt ihre schmerzvolle Mimik, denn nur ganz selten bricht diese Stimme aus dem Wohlklang aus, faucht mal andeutungsweise, steigert sich mal kurz in wütendes Glühen, wird nur für ein Songfinale zum Vamp. Vom reduzierten Drum-Set kommt dafür stets kernige und präzise Unterstützung, die an keiner Stelle die Vocals übertüncht, und aus den Keyboards schlüpfen sehr variantenreich mal glasig funkelnde Farben à la Sixties, mal knallig-bunte Achtziger-Anleihen wie in der aktuellen Single „If I Could“.

Zwischen diesen beiden Jahrzehnten spreizen sich oft die Bezüge des Songrepertoires, in dem sich Doppelbödigkeiten verbergen: Der „Dollar Man“ schleicht sich hintergründig mit Dub-Bässen an, das als Trinklied angekündigte „Tom Collins“ ist nicht raubeinig, sondern voll schmachtender Bitterkeit. Und zeigt sie im träumerischen „Mary Jane‘s“ nicht plötzlich den Stinkefinger? Dass Auster auch den hohen Gipfel klassischer Songwritingkunst erklimmen kann, zeigt sich in „Black Water“, eine grandiose Ballade mit melodischer Dichte und harmonischen Schattierungen im ruhigen Fluss. Ihre Eigenkompositionen bereichert sie mit Covermaterial, das alles andere als naheliegend ist: Die selten gehörte Freddie Mercury-Nummer „Cool Cats“ kommt zu femininen Ehren, und der frühe Soulhit „Baby, It’s You“ von den Shirelles erhält eine elegant modernisierte Politur.

In den Zugaben noch zwei völlig konträre Facetten der Sophie Auster: Ihr Hit „Mexico“, ein lauer Shakira-Verschnitt, bleibt weit unter ihren Qualitäten. Die strahlen nochmals in einem unveröffentlichten Stück, in dem sie mit akustischer Gitarre zur Folklady wird. Doch auch hier lauert ein kleiner Abgrund: Es ist einem Ex-Lover gewidmet, der sich ohne Ankündigung von ihr zurückzog – ein Thema, das fast aus einem der Romane ihres Vaters stammen könnte. Bei den nächsten Lesungen von Paul Auster und Siri Hustvedt also gerne auch mal die Tochter erwähnen.

© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe 18.11.2019

Sophie Auster: „If I Could“
Quelle: youtube