Holler love across the nation XII: Bernstein-Soul

Arethas Wechsel der Welten jährt sich heute zum vierten Mal. 50 Jahre zurück liegen die Aufnahmesessions für ihr Album Hey Now Hey (The Other Side Of The Sky), das dann 1973 veröffentlicht wurde – zwar auch auf Atlantic, doch dieses erste Mal nicht unter der Pult-Ägide von Jerry Wexler. Niemand geringeres als Quincy Jones nahm sich der Produktion an, was man dem Sound sofort anmerkt: Orchestrale Stücke sind dabei, die eine ausgefeilte Musikdramaturgie in sich tragen.

So etwa das zentrale „Somewhere“ aus Leonard Bernsteins West Side Story: Arethas Version ist ein Paradestück dafür, wie sie sich alle Stile  zu eigen machen kann. Die ins Jenseits weisende Liebesballade ist für sie natürlich eine grandiose prima materia. Sie überträgt sie zum Anfang und vor allem zum Ende mit gewaltig rollenden Pianoakkorden und kurzen Erweckungs-Akzenten in ihre eigene Art des Gospel. Wie sie ab Minute 4 das Orchester mit einem einzigen donnernden Akkord vom Klavier bändigt und die Kanzel übernimmt: Das jagt mir auch noch nach den vielen Jahren jedes Mal einen Schauer durch den Körper. In den Gospel eingebettet sind leuchtend symphonische und jazzimprovisatorische Sequenzen, die in eine ganze andere Welt entführen. Bernstein selbst soll von diesem Arrangement sehr angetan gewesen sein.

„Somewhere“ (album version 1973)
Quelle: youtube

Mit der Veröffentlichung der Box Aretha im letzten Jahr, auf der teils unveröffentlichte Aufnahmen zu finden sind, wurde eine „alternate version“ ohne Orchester bekannt, die Arethas Gesang nochmals mehr in den Fokus rückt.

„Somewhere“ (alternate version 1973)
Quelle: youtube

Und 1995 schließlich hat sie eine dritte Variante eingespielt, als Beitrag zum Tributalbum The Songs Of West Side Story: Hier ist die Gospelatmosphäre getilgt für einen ganz anderen, romantischen Dialog mit dem Orchester, der sich in eine typische Soul-Coda der 1990er löst, mit ornamentaler Vokalakrobatik.

„Somewhere“ (1995)
Quelle: youtube