Von Strickeulen und Zinnhirschen

Der Flirt von indischer Musik mit Jazz und Pop ist mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Eine dritte Generation baut heute Brücken zwischen dem Subkontinent und Europa. Mit Hippie-Ästhetik hat das nichts mehr zu tun, aber nach wie vor mit viel Lust auf Experiment. Wie etwa beim Pulsar Trio aus Potsdam.

Sitarspieler des Dreiers ist Matyas Wolter: Gerade ist er aus Indien zurückgekehrt und kämpft noch mit den mehreren Dutzend Grad Temperaturunterschied. Doch nicht nur klimatisch lebt Wolter zwischen zwei Welten: In Kalkutta widmet er sich der klassischen Tradition, hat Unterricht beim international bekannten Sitar-Meister Subroto Roy Chowdhury genommen, der letztes Jahr gestorben ist. Hierzulande vereinigt er sich mit der Pianistin Beate Wein und Drummer Aaron Christ Pulsar Trio die indische Langhalslaute zu einer ungewöhnlichen Kombination.

Ich nenne es immer mehr eine Fusion von musikalischen Persönlichkeiten als eine Fusion von Musikstilen. Das hatte ich oder auch Beate nie so obsessiv im Sinne, dass wir jetzt unbedingt klassische indische Instrumente und Musik mit westlichen kreuzen wollen. Eigentlich haben wir uns kennengelernt bevor ich anfing Sitar zu spielen, und es gibt auch noch Aufnahmen von Beate und mir, wo ich Schlagzeug und Gitarre spiele. Aber wir waren musikalisch schon so verbändelt, dass wir das dann fortgetragen haben. Das Instrumentarium hat sich halt einfach verändert. Bei mir wurde es dann immer stärker die Sitar, das Andere ist dann immer mehr verblasst.

Zehn Jahre spielen die drei Musiker bereits zusammen, sind mittlerweile mit dem Weltmusikpreis Creole dekoriert. Dieser Tage erscheint ihre dritte CD Zoo Of Songs. Schon nach wenigen Takten des Zuhörens lässt sich erkennen: Das Konzept des Pulsar Trios hat einen anderen Charakter als viele Indo-Jazz-Versuche der Musikgeschichte. Man will die Verschmelzung nicht erzwingen, sondern vielmehr die Unterschiede betonen, mit dem Unvereinbaren spielen.

Ich habe mich relativ fern gehalten von dem Meisten, was man jetzt so landläufig „Fusion-Experimente“ betitelt. Aber die Art des Zusammenspiels und der Musik, die wir im Pulsar-Trio machen, schließt halt total Vieles aus. Die beiden Musiksysteme sind so gegensätzlich, dass es manchmal eine spitzfindige Gratwanderung ist, da Wege zu finden, das zu verwirklichen, ohne beiden Musiksystemen oder dem Instrument nicht die Ehre zu erweisen. Beate ist auch viel aktiv in verschiedenen Projekten, wo sie Pop oder Singer/Songwriter-Musik macht. Beate hat halt einfach auch den Mut zur großen popmusikalischen Geste, der jetzt bei mir oder Aaron vielleicht nicht ganz so vordergründig ist.

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