Terzett auf Afro-Karibisch

Foto: Manuel Lagos

Jeder von ihnen verfügt schon über eine der schönsten Männerstimmen der schwarzen Musik – zusammen sind sie unschlagbar: 2004 trafen sich Gérald Toto, Richard Bona und Lokua Kanza zu einem atemberaubenden Gipfel der Vokalmusik – eine Blaupause für alles, was in den Fußstapfen von Bobby McFerrin und Zap Mama möglich war. Sage und schreibe vierzehn Jahre später entschied sich das Terzett für eine feingeschliffene Fortsetzung auf dem Album Bondeko. Gérald Toto beschreibt den Grund dafür so: „Wir hatten alle drei das Bedürfnis, über das Wohlbefinden zu sprechen, über die Liebe in all ihren Facetten. Über das, was Menschen verbindet. Drei Männer in ihren Fünfzigern stellen die Frage nach der Verwurzelung, nach dem, was Halt gibt.“

Während Bassist und Sänger Richard Bona durch seine Teamworks bis weit in den Jazz hinein und Lokua Kanza als einer der Afro-Superstars schlechthin bekannt sind, muss Gérald Toto hierzulande noch vorgestellt werden. Der Franzose martinikanischer Herkunft Toto hat seit den 1990ern als Studiopartner von Leuten wie dem algerischen Rai-Sänger Faudel oder der Band Nouvelle Vague gearbeitet. Auf seinen Soloalben verknüpft er leichterhand Reggae, Folk, französischen Chanson und kreolische Klänge, das, was man landläufig „Métissage“ benennt.

„Ich sehe mich da als Schüler von Édouard Glissant, dem großen Schriftsteller und Denker Martiniques“, bekennt der Mann von der Antilleninsel. „Er sah die Insel als exemplarisches Laboratorium für die Welt, weil dort ein Schlüssel liegt zum Verständnis der Mischung von Afrika und Okzident. Die Kultur entsteht erst aus dem ebenbürtigen Aufeinandertreffen der afrikanischen Trommel und der europäischen Violine. Diese Kreolität ist auch ganz selbstverständlich in mir drin, denn mein Urgroßvater war weiß.“ In Toto Bona Lokua sieht er eine Fortsetzung der Métissage: Dass ein Kongolese, ein Kameruner und ein Franko-Martinikaner sich zusammentun können, ohne dass sich der Einzelne verliert, darin sieht Toto gerade heute eine Signalwirkung.

„Bondeko“ sei dafür ein überaus passender Name, denn er steht in der Lingala-Sprache für Freundschaft und Brüderlichkeit – die haben die drei Musiker von Beginn an verspürt. Was beim Hören des Zweitlings als erstes überzeugt, ist die organische Dichte im Vokalsatz, das völlig natürliche Miteinander, das während fünf schier pausenloser Studiotage erarbeitet wurde. „Alle drei haben wir ein ziemlich ausgedehntes Stimmenregister, das macht es uns leicht, die Farben zu variieren“, erklärt Toto. „Richard verfügt in allen Lagen über ein kraftvolles Organ, Lokua liegt eher in der unteren Mittellage, aber wenn er hochgeht mit der Stimme, dann kann er sowohl eine starke Präsenz haben als auch sehr zart sein. Ich bin eine Art Mantel um die beiden, habe meine Stärke in den weichen Höhen. Wenn wir also zusammen singen, dann ist das perfekt, denn wir können die Timbres zwischen grobkörnig und ätherisch variieren.“

Stilistisch wird man keine deutlichen Anklänge an die heimatlichen Klänge der drei finden, denn alle drei sind von jeher nicht traditionalistisch geeicht, sind eher „Suchende, Abenteurer“ wie es Toto nennt. Nicht einmal in der Sprache bleibt das Resultat immer geographisch konkret. Einige der elf Songs stehen in Swahili, Lingala, Wolof oder Kréol, doch Toto nutzt auch ein Idiom, das er „Sprache der Gefühle“ nennt. „Das ist wie bei einem Kind, das spontan eine Sprache benutzt, während es in ein Spiel versunken ist oder wenn es seine Freude ausdrückt. Da gibt es keine Worte im eigentlichen Sinn, aber emotional aufgeladene Silben. Im Song ‚Youwilé‘ zum Beispiel: Das ging aus von einem Traumbild von Frauen, die eine Wüste durchqueren, mit Wasserkrügen auf dem Kopf. Dieses Bild hat die Sprache inspiriert, die ich dort verwende.“

Noch lautmalerischer geht es im „Love Train“ zu: Eisenbahn-Fan Toto hat hier den gesang und den Rhythmus eines Dampfzuges vertont. „M‘aa Kiana“ hingegen ist ein espritvoller Song aus Bonas Feder, das von seiner Jahrzehnte überdauernden Liebe zur eigenen Mutter erzählt. Und „Thi Tae“ hat Lokua Kanza einem verstorbenen Freund gewidmet, in vokalen Höhenflügen, die zum Niederknien sind. Bondeko ist dabei kein konsequentes A cappella-Album, wir hören auch Bonas Basskünste, Gitarren, Piano, Perkussion. Doch alles bleibt konsequent akustisch. „Elektronik tönt schnell nach gestern, nach Rost“, so Totos Überzeugung. „Wir drei wollen uns frei machen von allem Künstlichen, das unsere Identität bestimmt hat und zum Menschen an sich zurückzukehren. Das ist auch der Grund dafür, dass ein Projekt wie TotoBonaLokua nicht nur Afrikanern gefällt, sondern überall auf der Welt geschätzt wird. Wir berufen uns auf die Kommunikation von Mensch zu Mensch.“

dieser Artikel ist am 11.1.2018 in der Badischen Zeitung erschienen, am Dienstag, den 16.1.2018 sendet SRF 2 Kultur ab 20h05 meinen Beitrag zu TotoBonaLokua.

© Stefan Franzen

TotoBonaLokua: „Ma Mama“
Quelle: youtube