Mit Schrott zu den Sternen

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Einer der überraschendsten Acts der letzten Jahre vom schwarzen Kontinent war Staff Benda Bilili, eine Band, die aus Straßenkids und Gehandicapten aus der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa bestand. Zwei aus den Reihen von Staff Benda Bilili, Yakala „Coco“ Ngambali und Nsituvuidi „Theo“ Nzonza haben sich jetzt mit dem irischen Electro-Produzenten Doctor L zu einem futuristischen Projekt zusammengeschlossen. „Das Projekt hat sich selbst konstruiert“, erzählt der Wahlpariser Klangdoktor, der bürgerlich Liam Farrell heißt. „Es ist der Sound der Rue Kato von Kinshasa, wo sich Musik, Happenings und Installationen parallel abspielen. Hier erschaffen die Street Kids und Behinderten ihre Zukunft. Kunst ist hier nicht ein bourgeoises Freizeitvergnügen wie bei uns oder Mäzenatentum wie bei den Griots, den singenden Geschichtenerzählern von Westafrika. Es ist Kampf ums Überleben. Diese Szene gleicht dem New York der Achtziger, mit der Freiheit, die damals der Rap ausgelöst hat. Unsere Mission ist es, darauf aufmerksam zu machen.“ 

Mbongwana Stars Album „From Kinshasa“ entstand aus in Kinshasa eingespielten Demobändern, die Doctor L anschließend in seiner Pariser Klause zusammenfügte. Da werden geschmeidige Tanzrhythmen wie der Soukouss psychedelisch eingebettet, tribale Grooves donnern durchs Gefüge, und knatternde Blechtrommeln paaren sich mit Funk. Die stärksten Momente sind zweifellos diejenigen, wenn die hohen Stimmen von Coco und Theo sich in den Schichten aus Schrottpercussion, monströsen Disco-Keyboards und Effekten behaupten können. Die Platte kann allerdings an keiner Stelle verleugnen, dass sie ein typisches Studiomosaik ist. Wie soll das bloß live umgesetzt werden?

„Da entstehen dann abstrakte technoide kongolesische Rock-Strukturen, die auch in zwanzig Minuten experimentellem Noise enden können“, verrät Doctor L. Die Gefahr eines Kulturschocks sieht er nicht, wenn er die Musiker nach Europa bringt. „Der Kongo ist immer noch eine brutale Diktatur und ein großes Gefängnis für diese Straßenkünstler. Berlin und Paris dagegen kennen sie durchs digitale TV besser als Kinshasa.“ Fluchtphantasien auf der Rue Kato beziehen sich tatsächlich nicht auf Europa, sondern greifen gleich nach den Sternen. Im Video zur Single „Malukayi“ läuft ein Performancekünstler namens „The Congo Astronaut“ durch die Nacht. Kein Zweifel, für Afrika ist SciFi-Ästhetik längst Gegenwart statt Moderne. Dass der Treibstoff für die Mbongwana-Rakete noch in Paris eingefüllt wird, wäre eigentlich gar nicht mehr nötig.

© Stefan Franzen

Mbongwana Star: Malukayi“
Quelle: youtube

Mbongwana Star live: Kaserne Basel 30.11., 20h30