Banale Beilage? – Eine notwendige Stellungnahme

Dies ist ein Musikblog, doch von Zeit zu Zeit muss ich hier auch zu politischen Ereignissen Stellung nehmen. Es gibt für mich als freien Autor der Badischen Zeitung hierfür leider einen dringenden Anlass.

Am 6.12. fanden die Leser der kostenlosen Zeitung „Der Sonntag“, die der Badische Verlag Freiburg herausgibt, eine 12-seitige Beilage namens „Stadt im Blick“ zwischen den Werbebroschüren. Diese Beilage wurde von den AfD-Stadträten im Freiburger Gemeinderat verantwortet.

Es ist richtig, dass unsere Demokratie die AfD aushalten muss und auch, dass ein Verlag – über die Redaktion hinweg – entscheiden kann, welche Inhalte er in seiner Anzeigenabteilung abwickelt, sofern sie nicht den demokratischen Grundprinzipien widersprechen.

Die Grenze ist für mich allerdings überschritten, wenn hinter diesen Inhalten Menschen stehen, die eine rechtsradikale, völkische, hetzerische Gesinnung erkennen lassen. Das ist zumindest bei einem der beiden Stadträte, sein Name muss nicht erwähnt werden, seit langer Zeit klar erkennbar. Er steht vor Gericht für Tätlichkeiten gegen einen Demonstranten und ist Anfang des Jahres mit AnhängerInnen vor das SWR-Gebäude in Baden-Baden gezogen, um dort JournalistInnen zu bedrohen, mit Anlehnungen an ein Vokabular, das Mitte der 1930er der Reichspropagandaminister in antisemitischen Zusammenhängen verwendet hat. Seine Positionen waren dem Verlag selbstverständlich bekannt.

Dem Verlag hat außerdem das Layout und der Inhalt der Beilage vorgelegen (sie wurde juristisch geprüft!), aus denen hervorgeht, dass diese 12 Seiten Parolen an der Grenze zur Hetze gegenüber Geflüchteten enthalten und dass die AfD-Urheberschaft dieses Blattes kaum zu erkennen ist. So gab es auch LeserInnen, die die Beilage für einen Redaktionsinhalt hielten.

Der Badische Verlag rechtfertigte sich zunächst für die Verteilung und ließ dazu online keine Kommentare zu. Erst am Dienstag wurde auf Druck des Protestes in der Leserschaft eine weitere Stellungnahme lanciert, in der man zu dem Schluss kommt, dass die Entscheidung falsch war. Dieses Lavieren hört sich für mich nicht überzeugend an. Man betont außerdem, dass der wirtschaftliche Nutzen der Veröffentlichung unerheblich war, es sei um ausgewogene Darstellung der Parteienlandschaft gegangen.

Mit Berufung auf die Pressefreiheit wurde einem, der selbst die Pressefreiheit bedroht, ein ausführliches Forum zur Selbstdarstellung gegeben. Auch die Berufung auf ausgewogene Darstellung des demokratischen Spektrums greift nicht, denn der fragliche Stadtrat hat sich mit seinen Positionen wiederholt außerhalb seiner eigenen Partei gestellt.

Ärgerlich ist, dass die Reaktionskette und ihr Resultat komplett vorhersehbar waren: Empörung der Leserschaft, notwendige Stellungnahme und Zurückrudern des Verlags und – entscheidend – damit verbunden eine breite, völlig unnötige Aufmerksamkeit für den Stadtrat. Die Entscheidung für die Veröffentlichung ist meines Erachtens getragen von einem Mangel an politischer Bildung und der Unfähigkeit, die Wiederholung geschichtlicher Prozesse zu erkennen.

Obwohl mich der Vorgang sehr befremdet und erschreckt, wäre es für mich eine unpassende Reaktion, meine freie Zusammenarbeit mit der Badischen Zeitung zu beenden. Damit würde ich die falschen Leute treffen, sprich: die viele Jahre bestehende gute Kollegialität mit meinen RedakteurInnen übergehen und die gegnerische Seite stärken. Es gilt, die kritischen Kräfte innerhalb der Redaktion zu stützen, denn viele in der Belegschaft müssen jetzt eine Diskrepanz zu ihrer eigenen Überzeugung ebenso aushalten.

Eine weitere Aufarbeitung des Geschehenen ist wünschenswert. Ein gangbarer Weg wäre für mich, dass die Verleger die Einnahmen aus der Beilage öffentlich machen und diese belegbar einer gemeinnützigen Organisation oder einer Flüchtlingsunterkunft spenden. So könnte mit AfD-Geldern noch etwas Sinnvolles getan werden. Eine Alternative wäre auch, die Gelder für Veranstaltungen zur politischen Bildung einzusetzen – in Anwesenheit der Verantwortlichen.

Es gibt derzeit einen treffenden Aufkleber mit dem Aufdruck: „Wenn du dich jemals gefragt hast, was du beim Aufkeimen des Faschismus getan hättest, frage dich, was du jetzt gerade tust.“ Hier hat der Badische Verlag fahrlässig und unverantwortlich gehandelt. Als freier Autor der Badischen Zeitung schäme ich mich für den Vorgang und möchte mich von der Entscheidung mit allem Nachdruck distanzieren.

Stefan Franzen

Update 12.12.2020
Der Badische Verlag hat in der heutigen Samstagsausgabe der Badischen Zeitung auf den anhaltenden Protest reagiert und will die Erlöse aus der AfD-Beilage spenden:
In eigener Sache: BZ spendet Erlös der AfD-Beilage an Verein und Aktion Weihnachtswunsch – Wir über uns – Badische Zeitung (badische-zeitung.de)

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