Er hat mir Mitte der Achtziger die Welt Gustav Mahlers erschlossen, da er sie in den Kontext unserer Zeit gesetzt hat. Die Erkenntnis, dass Musik weder losgelöst vom Seelenleben des Komponisten noch von gesellschaftlichen Ereignissen gesehen werden kann, verdanke ich ganz wesentlich Leonard Bernstein, der heute 100 Jahre alt würde. Ein Bernstein-Einspielung von Beethovens 5. und 7. Sinfonie war meine erste CD überhaupt. Gestorben ist er viel zu früh, mit 72 Jahren, ich hatte gerade das dritte Semester meines Musikwissenschafts-Studiums begonnen.
Damals habe ich eine Leitfigur verloren. Das wird mir umso mehr bewusst, als ich dieser Tage wieder seinen streitbaren und teils auch umstrittenen Vorlesungen im Internet lausche. Wie er die Deutung der letzten Takte des Adagios aus Mahlers Neunten auf dem Hintergrund der Krise des 20. Jahrhunderts entwickelt (hier ab 1:09:00), ist für mich bis heute faszinierend. Danke, Lenny!