Arabesque #6

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAbseits der großen Festivalbühne, die Lîlahs, Rituale von ganz unterschiedlicher Gestalt:

Hier zelebrieren die Gnawa die Geburt Mohammeds, stellen den Kontakt zu Allah, aber auch zu den M’louk, den Geistwesen her. Zu mitternächtlicher Stunde die Issaoua de Fès, oben auf dem Festungsturm Borj Bab Marrakech. Ihre Musik erinnert anfangs an die arabo-andalusischen Orchester mit Hackbrett und sehr melismatischem Gesang, nach und nach zieht der Rhythmus an und das Publikum erhebt sich zu feurigem Tanz.

Der Zeremonienmeister posiert nach getaner Arbeit.

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Und mitten in der Nacht eine weitere Entdeckung unten am Strand, wo die Jugend tobt:
Mehdi Nassouli macht aus der Gnawa-Musik einen packenden funkigen Pop – die Zukunft der marokkanischen Musik.

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERAalle Fotos © Stefan Franzen

Arabesque #5

OLYMPUS DIGITAL CAMERAZweiter Tag beim Festival von Essaouira.

Ist das die mächtigste Musik des Planeten? Der Gesang der  Gnawa donnert über den großen Platz Moulay Hassan dem braunen Meer entgegen, unterfüttert vom bassigen Knacken der Guembri-Laute und den züngelnden Metallschalen.

Bisher habe ich nur im Qawwali der pakistanischen Sufi (und auch die Gnawa-Bruderschaften können zu den Sufi gezählt werden) und im Gospel eine ähnliche, unentrinnbare, beseelende Wirkung entdeckt.

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Nach sechs Jahren heute auch ein Wiedersehen mit Tony Allen, dem – meiner bescheidenen Meinung nach – immer noch besten Drummer der Welt.

Auch er versichert im Interview, dass er ein großer Anhänger der Gnawa-Musik ist, beweist es auf der Bühne in Fusion mit der Gruppe von Mohamed Koyou.

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Und zwischen all dem Festivalgetriebe:

Das Freitagsgebet in der zentralen Moschee, dessen Suren die Gnawa-Melodien umspielen – oder umgekehrt, ganz nach Hörweise.

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alle Fotos © Stefan Franzen

Arabesque #4

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Flucht- und Sandburgenmythen von Hendrix, den Stones und Cat Stevens einmal zur Seite (sie sind ohnehin zu einem guten Teil Erfindung):

Essaouira ist ein recht heruntergekommener Palast der Winde, sobald die Sonne sich kurz versteckt, von milchiger Feuchte durchtränkt, die sofort die Augen verklebt, von rasselndem Husten und dauerndem Niesen seiner Einwohner erfüllt.

Leuchten Marrakechs rote Mauern in der unbarmherzigen Sonne von 44 Grad, dominieren hier weiß und ein bisschen Blau, wo Marrakech duftet , liegt hier immer wieder Faulig-Fischiges, Verrottendes in der Luft, die des nachts auf unter 20 herunterkühlt.

Alles zieht hier zum Meer hinaus, selbst die ständige Brise, mehr Sturm als Wind. Ihr Name fast romantisch, Alizee, doch ihre Unerbittlichkeit dringt selbst durch diese starken Festungsmauern, pfeift durch jeden schmalen Derb und zerrt an den Menschen, die mitunter dicke Kutten tragen.

Doch Mogador, wie die Portugiesen es nannten, ist dieser Tage auch erfüllt vom Klack-klack-klack-klack der Garagab, riesiger Metallcastagnetten, Rahmen- und Röhrentrommeln, dem Wummern der Kastenlaute Guembri, betäubenden Schalmeien und machtvoll-kehligen Männerchören, von den abertausenden Zuhörern brausend erwidert: Die Bruderschaften der Gnawa-Musiker haben die Stadt im Griff und laden die ganze Welt von Guadeloupe bis Dänemark zum tönenden Austausch.

 

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OLYMPUS DIGITAL CAMERAalle Fotos © Stefan Franzen

 

Arabesque #3

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Die Sounds von Marrakech.

Das Dröhnen des alten (?) Muezzins der Nachbarmoschee, sein Gebetsruf tönt des morgens um 5 einer gekurbelten Sirene gleich, frei von jedem Ornament.

Vielfaches Klappern der Störche auf den roten Mauern über den versunkenen Gärten des Saadier-Palastes  in der schon brütenden Morgenhitze.

Die Armada der knatternden Mopeds, die sich halsbrecherisch durch die Gassen bugsieren, vollverschleierte Frauen und junge, geschminkte Damen stehen in der Harakiri-Fahrweise den Jungs nicht nach.

Vögel in den Kronen einer Palme, aufgeregtes Flöten und Zischen, unscheinbar schwarz die Lieferanten des Gesangs.

Die Kupferschmiede auf dem Place des Ferblantiers, sind ihre metallenen Hammerschläge geheimnisvoll verbunden mit dem einzeln aufzuckenden Blitz über dem Atlas?

Das unablässige Werben der Souk-Händler um Kunden, auf Darija, Amazigh, Französisch, Englisch, das Gewirr der Trommeln, archaischen Streichlauten, das Becherklappern der Wasserverkäufer, die rauen Stimmen der Geschichtenerzähler und Gnawasänger, fortgetragen im Rauch der Garküchen über dem Djemaa El Fna.

Kunst- und kraftvoll ziseliert steigert sich der Muezzin des Elfuhrrufs, ganz anders als sein früher Kollege, man hört schier seine Halsschlagader schwellen.

Und in den nächtlichen Gassen der Mellah ein plötzlicher Schrei, nicht sagbar ob von Mann oder Frau, gefolgt von schnellen Schritten und erwidert von einem traurigen Hund.

 

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Fotos © Stefan Franzen

Arabesque #2

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Wie sich die Ornamente im Bahia-Palast fürs Auge verschlingen, reihen sich auch die Gerüche dieser Stadt in fließenden Windungen aneinander, treffen glühend auf die Nase:

Brotduft aus der jüdischen Bäckerei – Jasminsüße – Pferdepisse – würziger Kaffee – beißender Pfeffer – kühler Hauch von Lehmziegelmauern – Oleanderblüten – Kreuzkümmel – Chlor aus der Wasserflasche – der Dampf des Minztees.

 

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Die Hitze – man denkt sie sich am besten als großes, schweigendes Tier, dass den Kampf gegen den Menschen unweigerlich am Nachmittag gewinnen wird. Es wartet ruhig auf seinen gewissen Triumph, bevor es selbst sich endlich auch zur Ruhe begeben muss.

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERAFotos © Stefan Franzen

 

Frau Koning singt Bossa aus Holland

chamber music project

The Chamber Music Project
Who’s The Bossa?
(Music&Words/Galileo)

„Casa“ nannte sich 2001 eines der schönsten jemals erschienenen brasilianischen Alben: Ryuichi Sakamoto und das Ehepaar Paula und Jacques Morelenbaum überführten mit Stimme, Piano und Cello die Bossa Nova in eine traumgleiche klassische Sphäre. Wer sich hier auf die Pfade des Nachahmens begibt, kann eigentlich nur scheitern. Umso überraschender, dass The Chamber Music Project an „Casa“ sehr oft überzeugend anknüpfen können. Das niederländisch-brasilianische Quartett geht dabei über die Sphäre von Jobim hinaus, integriert auch Heitor Villa-Lobos, Ivan Lins (der ein Fan der Musiker ist), selbst Cole Porter in den Fluss der ruhigen Melancholie. Und was man auch nicht alle Tage hat: Vokalistin Josee Koning singt das Portugiesische wie ihre Muttersprache.

Josee Koning: „É Luxo Só“
Quelle: youtube

Großer Wurf aus Kuba

yilian canizares invocacionYilian Cañizares
Invocación
(Naive/Indigo)

Aus einem Tribut an ihre Vorfahren macht die Sängerin und Violinistin in Quartettbesetzung ein begeisterndes Konzeptalbum: In ihren beseelten Improvisationen auf der Geige verzahnen sich furios Karibik, Jazz und Klassik, oft gedoppelt durch leidenschaftliche Scat-Passagen. In ruhigeren Stellen, etwa einem zärtlichen Wiegenlied, paart sich ihre warme Altstimme mit dem sanften Gang des Flügels. Jedes Stück der Wahlschweizerin ist ein kleines dramaturgisches Meisterwerk. Selbst dem abgearbeiteten „Non, Je Ne Regrette Rien“ gewinnt sie neue Seiten ab, mit gepflegter Latinunterfütterung und Streichorchester aus der Ferne. Im Finale gibt es einen kaum merklichen Überraschungsaufritt von Akua Naru.

Yilian Cañizares: „Invocación – Live At Cully“
Quelle: youtube