Gaye Su Aykol
Hologram Imparatorlugu
(Glitterbeat/Indigo)
Ende 2004 stand ich in Istanbul auf dem Galata-Turm und ließ mir den frischen Wind des neuen künstlerischen Aufbruchs und der jugendlichen Freiheit um die Nase wehen. Dass zwölf Jahre später diese Freiheit in Scherben liegt, hätte sich damals niemand ausgerechnet. Und wie steht es um die Musik? Zumindest diese CD lässt einen im Glauben, dass der Underground am Goldenen Horn quicklebendig ist. Am Werk ist eine der Veteranninen der Szene, die in unseren Breiten bislang von prominenten Namen wie Sezen Aksu überschattet wurde. Schon die ersten Takte des Openers “Hologram” überwältigen mit einem Streichorchester aus einem wildgewordenen Bienenschwarm, dazu knattert eine heftige Surfgitarre. Und der dramatische Auftakt setzt die Vorzeichen für alles Weitere: Wehmütige Trompeten in “Akil Olmayınca” oder Tremolo-Ästhetik à la Dick Dale in “Fantastiktir Bahtı Yarimin” versetzen den Bosporus unmittelbar vor die Tore Tucsons. Paukenintro, flirrende Geigen, ein trauriger Analog-Synthesizer und flatternde Oud zimmern das grandiose “”Kendimden Kamaktan”, schaurige Männerchöre und ein hyperventilierender Bass machen “Eski Tüfek” zum Soundtrack für einen orientalischen Film Noir. Und selbstredend ist es immer wieder Akyol mit ihrer Stimme, die wie ein schweres Duftwasser in ihren Bann zieht, mit erdschwerer Laszivität und federleichter Ornamentik zugleich. Ein Album wie eine urbane Fata Morgana.