Öko-Poesie aus Marrakesch

Oum
Daba
(MDC/LOF Music/Galileo)

Die Marokkanerin Oum El Ghait Benessahraoui ist eine Vorkämpferin für die moderne arabische Frau in der Musik – diesen Anspruch untermauert sie mit ihrem dritten Werk. Die Vorzeichen sind ein wenig anders als auf den ersten beiden Alben. Als Aufnahmeort hat sie sich die Berliner Jazzanova-Studios auserkoren, wo eine andere starke Persönlichkeit der frauenbewegten arabischen Szene, Kamilya Jubran, ihre künstlerische Leiterin war. Durch diese Konstellation hat Oums Klangwelt noch an Konturen gewonnen. Der Sound ist smoother und hat zugleich mehr Raum zum Atmen, Oud, Sax, Trompete und Bass klingen eingebundener in ein Bandgefüge, verzichten auf lange Soloimprovisationen, schaffen einen aufregenden orientalischen Sog.

Oums Stimme hat in ihren Melismen mehr Souveränität, klingt blumiger, wie im Opener „Fasl“ auch geheimnisvoller als früher, wie etwa in dem grandios sich steigernden „Rhyam“. Mit Bedacht wurde elektronische Textur eingeflochten – das ist geglückt, da sie nur pointiert und nicht durchgängig spürbar ist. Ihre Lyrics hat Oum dieses Mal sehr ökologisch angelegt, preist die Natur, insbesondere den Ozean, und sie hat mit ihrer poetischen Kraft eine große Brücke von der Flüchtlingsproblematik bis zu zarter Liebeslyrik gespannt – im finalen Stück „Sadak“ gipfelt diese Dichtkunst in gemeinsamen Versen mit Jubran.

© Stefan Franzen

Oum: „Daba“
Quelle: youtube

Oum: Multiples Marokko

oum desert
Im zweiten Teil meiner kleinen Serie über Vordenkerinnen unter den arabischen Musikerinnen geht es um die marokkanische Sängerin Oum El Ghait, kurz: Oum. Ich habe sie vor kurzem in Strasbourg getroffen. Oum sieht tatsächlich ein bisschen aus wie eine Björk der Wüste, sie hat arabisches und westsaharisches Erbe, spricht mit einer fast poetischen, sanften Stimme und ihr Französisch hat einen sehr lebendigen Tonfall. Während des Interviews trägt sie eine Lederjacke, nachher auf der Bühne eine fantasievolle Tracht Marke Eigenbau. 
Wie immer folgt hier das Interview in einer ungeschnittenen Fassung.

Soul Of Morocco, der Titel Ihres Albums kann zweierlei heißen: Wollen Sie eine marokkanische Variante des amerikanischen Soul prägen, oder geht es um die Seele Marokkos?

Viele Leute denken, dass ich im CD-Titel auf den Musikstil Bezug nehme. Während ich mich autodidaktisch an die Musik herantastete, gab es tatsächlich eine Menge Soul und Gospel. Aber bei der Benennung des Albums habe ich eher daran gedacht, in gewisser Weise die Seele meines Landes zu zeigen, wie ich sie fühle und in mir trage, wie ich sie für mich übernommen habe. Eine Seele mit vielen Farben, die mit Leichtigkeit Einflüsse aus den Kulturen der ganzen Welt aufnehmen kann, sei es melodisch oder rhythmisch. Deshalb verwende ich auch Instrumente, die nicht zwingend marokkanisch sind. Ich will zeigen, was es heute heißt, Marokkanerin zu sein und Musik zu machen. Denn für den Westen ist es nicht so leicht zu verstehen, wer wir eigentlich sind. Wir sind nicht einfach orientalisch, sondern die westlichsten Menschen im ganzen Orient. Natürlich sind wir Araber, wir sind aber auch Berber und wir sind Afrikaner. Ich betreibe also auch ein bisschen Definitionsarbeit, natürlich auf sehr légere Art, nicht analytisch (lacht). Ich wollte ein eklektisches Album machen, Marokko ist nicht einfach dies oder das, es ist größer, es ist universell.
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