Der Hirte hat den Beat

Mit dem Terminus „Urban African Music“ wird die elektronische Musik des afrikanischen Kontinents gerne beschrieben. Doch das ist oft zu kurz gedacht. Ein Sänger aus den Bergen von Lesotho, der gerade international durchstartet, ist dafür ein schönes Beispiel. Morena Leraba heißt der Mann aus der Region Mafeteng im kleinen Königreich, das wie eine Insel in der großen Republik Südafrika liegt. Wie viele seiner Landsleute war er zunächst Schafhirte, es ist also nicht nur exotisches Kolorit, wenn er auf der Bühne die Berufsinsignien seines früheren Jobs trägt: einen kegelförmigen Strohhut mit langem Zipfel und einen Hirtenstab, den er für seine Choreographie effektvoll einsetzt, hohe Stiefel und eine grobe Wolldecke als Umhang gegen die Kälte im Hochland.

Morena Lerabas Musik schöpft aus vielen Quellen: Ihre Roots hat sie im staubigen Hochland seiner Heimat, in den Lyrics erzählt er in der Sesotho-Sprache von dörflichen Mythen, von Kräuterkunde und magischen Kräften. Leraba bezieht sich auch auf den Famo, eine Musik, die Migranten aus Lesotho vor bereits fast 100 Jahren in Südafrika spielten, als sie dort in den Goldminen Arbeit fanden. Damals war noch das Akkordeon das zentrale Instrument. Dieses Urmaterial hat Leraba mit HipHop, Reggae und vor allem elektronischer Tanzmusik vermengt. Das tönt ab und an mal sphärisch, meist aber sehr körperlich: Repetitive Melodiephrasen, die grollend bis beschwörend vorgetragen werden und ein rasanter Sprechgesang, durchbrochen von Jauchzern, prägen den Gesang. Darunter liegen House-artige Rhythmen, wie sie auch in der Kwaito- und Gqom-Musik Südafrikas vorkommen, für Gegenmelodien verzahnen sich bassmächtige Keyboards und ein Xylophon. Einen guten Eindruck von seinem Sound bekommt man mit dem Titel „Impepho“.

Erstmals kombinierte Leraba sein Erbe vor fünf Jahren mit Elektronik, als er einen Song mit der deutsch-südafrikanischen Band The Freerangers aufnahm. Später traf er auf den Produzenten Kashaka aus Brooklyn oder dessen brasilianische Kollegen Trapfunk & Alivio, Südafrikas Rapper Spoek Mathambo ist ebenso auf der langen Liste seiner Teamworker. Schließlich wurde auch der britische Popkünstler Damon Albarn auf ihn aufmerksam und integrierte ihn in sein Langzeitprojekt Africa Express. Problematisch, diese Floskel „urban“: Morena Lerabas Sound ist heute in den Clubs von Johannesburg bis London zuhause, und sie wird auf seinem bald erscheinenden Debütalbum die ganze Welt umspannen, mit Gastauftritten von Musikern aus Nigeria, Frankreich und den USA. Doch in ihrem Kern ist sie so „ländlich“, wie man es sich nur vorstellen kann.

© Stefan Franzen, veröffentlicht in der Badischen Zeitung, Ausgabe 08.06.2019
da der Künstler kein Visum erhalten hat, fallen die geplanten Konzerte leider aus!

Morena Leraba: „Impepho“
Quelle: youtube

Side tracks #24: Armer Bähnler, reicher Ballonfahrer


Diamond Platnumz
„I Miss You“
(WCB Records, 2017)

In der Autotune-schwangeren afrikanischen Popmusik unserer Tage lauern immer wieder ein paar schöne Überraschungen. So etwa dieses Kleinod des tansanischen Stars Diamond Platnumz. In einen smoothen Ohrwurm bettet der Hiphop-Musiker, der sich hier eher als Herzschmerz-Barde gibt, seine Geschichte vom armen Bahnarbeiter, der die Angebetete an einen geschniegelten Neureichen verliert, der auch mit einer exklusiven Ballonfahrt protzen kann. Ob es doch noch ein Happy End gibt?

Die Vorstellung gefiel mir, dass der Clip an der Strecke der bereits 1913 vom deutschen Kaiserreich eingeweihten Tanganjika-Bahn gedreht worden ist. Über die 1250 Kilometer zwischen Daressalam und Kigoma rumpeln immer noch Züge. Doch das Video entstand in der Nähe des südafrikanischen Johannesburg – und in jener Region hat die Dampfbahn auch eine prominente Geschichte, wie mal in einer weiteren Folge von Side tracks zu hören sein wird.

Diamond Platnumz: “ I Miss You“
Quelle: youtube