Update Kanada II: Québexpérimental

                                                              Foto: Etienne Dufresne

Eine der großen Überraschungen meiner Kanada-Reise war das Interview mit der Songwriterin Geneviève Toupin aus Manitoba, die in Montréal ihr doppeltes Diaspora-Erbe (Première Nation und französisch) zu spannenden, atmosphärischen Liedern geformt hat. Mit ihrem neuen Projekt Chances geht sie jetzt ganz andere Wege:

Zusammen mit Chloé Lacasse (ebenfalls Keyboards und Stimme) und Vincent Carré an den Drums ist sie schon lange bühnenerprobt. Alle drei hatten Lust, neue Räume für Experimente zu schaffen, und jetzt stellen sie einen kräftigen, frischen Electro-Sound mit Einflüssen aus Toupins Ojibwe-Erbe bis zu Dreampop auf die Beine, dem ich im März bei seiner Premiere lauschen konnte.

Drei Singles haben Chances mittlerweile veröffentlicht, die aktuelle nennt sich „Rishikesh“ und bringt augenzwinkernd indisches Flair mit den frühen Synthi-Spielereien der Siebziger unter einen Hut. Chances denken derzeit darüber nach, für ein paar Konzerte Deutschland anzusteuern. Also Augen und Ohren auf!

Chances: „Rishikesh“
Quelle: youtube

Die Weite Manitobas, der Puls von Montréal (#5 – Canada 150)

Geneviève Toupin (Manitoba)
aktuelles Album: Willows (Productions Sirène des Plaines)
aktuelles Projekt: Chances


Nachdem ich einen spannenden Songwriter-Abend im Verre Bouteille in Montréal verbracht hatte, entdeckte ich am Ausgang einen Flyer, auf dem ihr neues Projekt „Chances“ angekündigt wurde. Geneviève Toupins Musik kannte ich schon, seitdem Ulrich Schuwey, der wohl rührigste Experte franko-kanadischer Klänge unserer Breiten mich auf sie aufmerksam gemacht hatte. Grund genug, das Établissement im Norden der Stadt wieder aufzusuchen und Geneviève spontan für ein Interview zu treffen. Während des anregenden Gesprächs über Identitätsfindungen und -trennungen durch zwei Sprachen und drei kulturelle Wurzeln habe ich gelernt, dass die französische Diaspora über ganz Kanada verstreut ist – und ich habe auch zum ersten Mal richtig das Französisch von der anderen Seite des Atlantiks verstanden.


Geneviève, vor einigen Jahren hast du parallel ein Album auf Französisch und eines auf Englisch veröffentlicht. Sind da zwei Welten, zwei Identitäten in deinem Kopf? Weißt du bei den ersten Ideen für ein Lied schon, das wird auf Englisch oder das wird auf Französisch sein?

Geneviève Toupin: Das ist wirklich eine gute Frage. Ja, ich spüre, dass ich zwei Identitäten habe. Wenn ich auf Englisch schreibe, ist das ein ganz anderer Prozess. Die Melodien, selbst die Themen, über die ich schreibe, unterscheiden sich, es ist eine andere Intimität da. Auf meinem letzten Album Willows habe ich versucht, beide Welten ein bisschen zu vermischen. Es war ein interessantes schöpferisches Experiment, zu gucken, was dabei herauskommen wird. Ich habe gemerkt, dass ich trotzdem weiterhin getrennt in den beiden Sprachen kreiere. Und ja, sobald ich ein paar Akkorde für einen Song habe, weiß ich, ob ich ihn auf Französisch oder Englisch schreiben werde. Warum das so ist, kann ich dir nicht einmal sagen, das geht nach meinem Instinkt – und ich bin eine sehr instinktive Schreiberin. Es ist einfach so, dass ich merke, dass dieses oder jenes Gefühl in der einen bestimmten Sprache ausgedrückt werden möchte. Weiterlesen