Soulfolkige Achterbahn

Bastien Keb
The Killing Of Eugene Peeps
(Gearbox Records)

Achtung, diese Scheibe versetzt gleich in etliche Parallelwelten, und man muss schon musikalische Achterbahnfahrten mögen, um hier nicht aus der Hörkurve zu fliegen. Mit The Killing Of Eugene Peeps hat der Londoner Gitarrist, Multiinstrumentalist, Sänger, Komponist und Arrangeur einen imaginären Filmsoundtrack geschaffen, der zwischen allen Stilen und Stühlen sitzt. Kebs geschichteter, falsettiger Heulgesang erinnert an Bon Iver, sein Narrator Kenneth Viota setzt ein abgründiges Bassorgan dagegen, das er wohl in einem muffigen Keller hat dröhnen lassen („Can’t Sleep“).

Tieftraurige Balladen mit Piano, Streichern, Gitarre, Vibraphon und Standbass („Lucky“ / „Rabbit Hole“) wechseln ab mit orchestralen Drohgebärden zwischen Blaxploitation und Erinnerungen an Hitchcock-Komponist Bernard Herrmann. Plötzlich strahlt eine Insel der Soul-Seligen hervor, mit Flötenklang und zarten Frauenvocals, die dem Philly-Sound der Frühsiebziger huldigt („All That Love In Your Heart“). Soul-Referenzen spielen auch mal ins Afro-Funkige hinein, mit zittriger Orgel und sumpfigem Bläserapparat „(Street Clams“), nur um in einen Rap mit dem Gast Cappo zu münden. Die BBC und Jamie Cullum verehren diesen Meister der Verschrobenheit – nicht die schlechtesten Referenzen.

© Stefan Franzen

Bastien Keb: „Rabbit Hole“
Quelle: youtube

Der Einsamkeit auf der Spur (#1 – Canada 150)

matt holubowski 01 Foto: Geneviève Ringlet

Matt Holubowski (Québec)
aktuelles Album: Solitudes (Audiogram)

Zwei Wochen nach meiner Rückkehr aus Kanada beginne ich heute eine Serie über aktuelle Musiker des Landes. Bis zum 1.7., dem 150. Geburtstag des Dominion, der oft als Wiege des heutigen Staates gesehen wird, kommen hier ungeschnitten Künstler aus vielen kanadischen Provinzen zu Wort, um ihre Arbeit vorzustellen und teils auch einen distanzierten, kritischen Blick auf die Feierlichkeiten zu werfen. Jeden Sonntag wird es ein neues Kapitel geben, bevor meine Serie dann ab Juni auch in verschiedenen Printmedien und Radios Thema ist.

Matt Holubowski macht den Anfang. Den 28-Jährigen habe ich auf dem Festival Montréal en Lumière getroffen, wo er die Eröffnung im ausverkauften Club Soda gespielt hat. Matt, Sohn eines polnischen Einwanderers und einer Quebecoise ist kein gewöhnlicher Popstar, obwohl er die kanadische Version von The Voice gewonnen hat. Der belesene Sturm- und Drang-Poet steht für die doppelte Identität Québecs und Montréal, die kreativen Brüche und Früchte, die die einmalige zweisprachige Situation von Montréal und Umgebung verursacht.


Matt, du bist in einem zweisprachigen Haushalt aufgewachsen. Wie zeigt sich das in deinem Songwriting? Ist es ein unterbewusster Prozeß sich beim Schreiben für eine der beiden Sprachen zu entscheiden? Sind spezielle Stimmungen mit der jeweiligen Sprache verknüpft?

Holubowski: Wie ich einen Song forme, hängt von der Situation ab, in der ich gerade bin. Wenn ich zum Beispiel ein englisches Buch lese und dieses mich inspiriert, dann wird der Song auf Englisch sein. Schaue ich einen französischen Film gilt das gleiche. Gewöhnlich kommen die Ideen auf Englisch leichter zu mir, ich habe einen etwas größeren Hang zum Anglophonen, was meine Vorlieben für Kultur und Literatur angeht. Aber wenn in einem Gespräch irgendetwas in einer der beiden Sprachen passiert, kann auch das ein Auslöser für einen Song sein. Weiterlesen