Die Trösterin

In diesen schweren Zeiten ist eine weitere Trostspenderin gegangen.

Ihre Stimme war für mich immer jenseits der Barrieren von Soul und Folk, von Schwarz und Weiß angesiedelt. Sie verkörperte Stärke in der Verletzlichkeit, Zuversicht in der Hoffnungslosigkeit – den kräftigen Lichtstrahl über dem Abgrund.

Ihre Adaption des Paul Simon-Stücks ist für mich nach wie vor die unerreichte Coverversion.

Rest In Power, Roberta.

Roberta Flack: „Bridge Over Troubled Water“
Quelle: youtube

Mexikanischer Zunder in Duisburg

Transatlantische Klangwellen
Alondra de la Parra, Thomas Enhco, Duisburger Philharmoniker
Mercatorhalle Duisburg
19.02.2025

„Sind die Ohren noch dran?“ Der Herr am Merchandising-Stand zwinkert einem Konzertbesucher zu, der etwas benommen Richtung Ausgang wankt. Das überwiegend ältere Publikum in der Duisburger Mercatorhalle zwitschert aufgeregt bis aufgescheucht durcheinander, während man eher amorph als geordnet mit abklingender Gänsehaut auf die Garderobe zusteuert. Was war hier passiert?

Die Ehre gab sich die in Berlin lebende mexikanische Gastdirigentin Alondra de la Parra. Sie ist eine der heftig aufstrebenden immer noch wenigen Frauen ihrer Zunft. Und sie bricht seit Jahren eine Lanze für modernere lateinamerikanische Kompositionen, insbesondere die symphonischen Werke ihres Mutterlandes. Unter dem Titel Transatlantische Klangwellen schlägt sie an diesem Abend den Bogen von Frankreich über Spanien bis nach Mexiko.

De la Parra, die unter anderem bei Kurt Masur Dirigieren gelernt hat, erweist sich als grandiose Rhythmikerin, die in der „Rapsodie Espagnole“ von Maurice Ravel das Flirren der iberischen Nacht als spannungsgeladenes Vorspiel für die zündende „Malagueña“ und die glühende „Feria“ inszeniert. Die exzellente Akustik des Saals lässt die Instrumentationskunst Ravels differenziert aufblitzen.

Auftritt Thomas Enhco: Der Pariser Pianist steht mit einem Bein in der Klassik , mit dem anderen im Jazz, seiner prioritären Liebe. In Manuel de Fallas „Nächte in spanischen Gärten“, das er erstmals auf ener Bühne spielt, füllt er die eigenartige Position zwischen Solistenfunktion und Orchesterkolorierung virtuos. Mehr noch geht er in seiner Rolle auf, als er seine Eigenkomposition Sept Visions in der Uraufführung präsentiert. Variationen, die von einem pastoralen Oboen-Thema ausgehend, zwischen atmosphärischer Filmmusik und Jazz-Improvisation pendeln, kurzweilig, schwelgerisch und mitreißend. Als Encore nimmt er sich ein Mozart-Thema vor, re-harmonisiert und rhythmisiert es so clever, dass es zu einem rührenden Stück mit Pop-Appeal wird.

Das Finale gehört dem mexikanischen Komponisten Silvestre Revueltas (1899-1940) und seiner zu einer viersätzigen Symphonie gruppierten Filmmusik La Noche De Los Mayas. Alondra de la Parra führt mit Esprit in dieses Werk der Superlative ein, an dem allein 13 Perkussionisten beteiligt sind. Die Stimmung eines Maya-Rituals wird zu Anfang in fiebrige Streichertöne gegossen, gekrönt von dräuenden Bläserfanfaren und bombastischer Trommel, kontrastiert von einem wehmütigen Flöten-Interludium. Von Schrappholz, Xylophon und Pauken wird das Orchester im quertaktigen Scherzo angeheizt. Überraschend träumerisch, fast an Richard Straussens Rosenkavalier-Schmelz erinnernd, aber letztendlich doch in Mexikos Terzenseligkeit wurzelnd, taucht man in die „Noche de Yucatán“ ein.

Der 4 .Satz, die „Noche de Encatamiento“, wird dann zur ausufernden, ekstatischen Orgie, vorangetrieben von Muschelhorn-Signalen. Die Perkussionisten-Riege tobt sich in kontrollierter Schichtung aus, de la Parra steuert die Fieberkurve am Pult mit unbeirrbarem Puls. Mit immer neuer Intensivierung in Lautstärke und Tempo schreitet das Ritual in etlichen Wellen voran, die schiere Dezibel-Wucht presst einen in den Stuhl. Diesen polyrhythmischen Laden zusammenzuhalten, ein Orchester, das hier fast zur reißenden Bestie wird, erfordert höchste Disziplin von einer Maestra, die mit wehendem Beinkleid Einsätze wie Dolchstöße gibt, aber auch immer wieder feinsinnig hinunterzügelt. Und sich beim enthusiastischen Schlussapplaus scheinbar ungerührt von diesem Kraftakt zum Saal umwendet. Was für ein Energiesturm – und was für eine ungeahnte Traumpartnerschaft zwischen einer resoluten, sensitiven Kosmopolitin und den fantastisch präzis agierenden rheinischen Spitzenphilharmonikern.

© Stefan Franzen

alle Fotos: Stefan Franzen

 

 

Songwriting trifft Sahel-Skalen

Ballaké Sissoko & Piers Faccini
Our Calling
(NøFormat/Indigo)

Einen dicken Fang hat sich der Duo-freudige Kora-Solist Ballaké Sissoko da an Land gezogen. Auf Our Calling (NøFormat/Indigo) ist der großartige Piers Faccini sein nicht gerade völlig überraschender Partner, denn die beiden hatten sich seit zwanzig Jahren schon mit Stippvisiten auf ihren jeweiligen Alben besucht. Das Crossgenre-Unternehmen zwischen Griotmusik und Songwriting auf Albumlänge klappt prächtig: Mal fühlt sich der Italo-Brite in die typischen Sahel-Skalen vokal ein („Mournful Moon“), mal folgt Sissoko den Ohrwurm-Melodien mit ruhigem Puls („One Half Of A Dream“). Wie ein swingendes Kinderlied mutet „Borne On The Wind“ an, gewidmet der Patin des Albums, der Nachtigall, den Duettierenden ähnlich zwischen zwei Erdteilen unterwegs.

In ein paar fast unheimlichen Momenten, etwa in „If Nothing Is Real“ oder „Go Where Your Eyes“, beschwört Faccinis Timbre Bilder herauf, die einen glauben lassen, ein wiederauferstandener Nick Drake spaziere am Niger entlang. Die Polarität zwischen Sahel und angelsächsischem Song bleibt aber nicht exklusiv: In „Nina Nanna“ bringt Faccini ein Stück Süditalien ein: Ein Meisterstreich, das Tarantella-Universum zur modalen Sphäre der Kora zu gruppieren. In der puren Dreiertakt-Seligkeit von „Shadows Are“ zeigt sich auch, wie Kora und E-Gitarre sich in ihren Begleitmustern wundervoll komplettieren. Cello, Ngoni und Gimbri setzen I-Tüpfelchen in diesen eleganten, tiefempfundenen Akustik-Folk.

© Stefan Franzen

Piers Faccini & Ballaké Sissoko: „One Half Of A Dream“
Quelle: youtube

Nachlese: Ohren auf Weltreise – Reithalle Offenburg

Vielen Dank an alle, die ins Foyer der Reithalle Offenburg gekommen sind, um diesen tollen Abend mit uns zu feiern.
„Ohren auf Weltreise“ machte in meiner Geburtsstadt Station, bereichert und begleitet von Awa Ly und Lucie Cravero.


Jürgen Haberer schreibt am 5.2. im Offenburger Tageblatt:

„Gut eine Stunde wird das Publikum in der Reithalle in einen musikalischen Sog hineingezogen. In der feinsinnigen Reduktion entwickelt das Duo eine bemerkenswerte Aura und Kraft. Das Publikum ist begeistert und beeindruckt, weil hier auch ein durchdachtes Konzept zum Tragen kommt: ‚Ohren auf Weltreise‘ als eine Lesung mit Musikbeispielen, kombiniert mit einem richtigen Konzert.“

Fotos: © Stefan Franzen

 

Radiotipp: Mit 5 Instrumenten um die Welt

SWR Musikstunde
Mit 5 Instrumenten um die Welt
03. – 07.02.2025, jeweils 9 Uhr 05 (Wdh. um 23h03)

In ihren Ländern gelten sie als Nationalinstrumente, sind aber allesamt Teil einer großen Familie über Grenzen hinweg. Alle haben sie einen unverwechselbaren Klang und eine spannende, wendungsreiche Geschichte. Heutzutage erklimmen sie internationale Bühnen, treten aus ihrer Tradition heraus, begegnen der Klassik, verbünden sich mit Pop, flirten mit Jazz.

Fünf Instrumente, mit denen wir in dieser Woche um die Welt reisen – von Lissabon nach Thüringen, von Bamako nach London, von Teheran nach Berlin, von Dublin nach Venedig, von Valencia nach New Orleans und Rio.

Pedro Caldeira Cabral: „Fantasia Verdes Anos“
Quelle: youtube