Ausflüge zu Mahlers Komponierhäusln scheinen von einer eigenartigen Aura umgeben.
Vor drei Jahren berichtete ich über mein Scheitern an Gustav Mahlers drittem Häuschen in Toblach, zum Ende meiner Interrail-Tour durch neun europäische Länder. Ich musste unverrichteter Dinge umkehren. 2020 dann machte ich einen neuerlichen, wiederum vergeblichen Versuch, das Refugium zu betreten. Über diesen Versuch habe ich hier den Mantel des Schweigens gebreitet, auch die anschließende Fahrt zum ersten Häusl am Attersee habe ich hier nicht dokumentiert. Diese schön kuratierte Stätte liegt inmitten eines Campingplatzes (nun ja, besser als der umgebende Hängebauchschwein- und Ziegenpark in Toblach). Auch vom Attersee musste ich umdrehen, da just an jenem Tag Wien Hochrisikogebiet wurde.
Inzwischen sind viele Corona-Viren die Alpentäler hinuntergeflossen und ich wagte einen neuen Versuch. Nein, wohlweislich nicht nach Toblach, wo die Wiedereröffnung der Stätte für irgendwann demnächst angekündigt ist, sondern – nach acht Tagen Aufenthalt in Wien – an das noch fehlende zweite Häusl in Maiernigg am Wörther See, unweit Klagenfurt.
Hier – und in der direkt unterhalb, in Privatbesitz befindlichen und daher nicht zu besichtigenden Villa Schwarzenfels – hat der Komponist seine Sommermonate von 1900 bis 1907 verbracht und den Hauptteil seiner Werke von der 4. bis zur 8. Symphonie mit dieser Aussicht erschaffen:
Die Maiernigger Zeit wurde durch einen grausamen Schicksalsschlag beendet: Am 12.7.1907 stirbt Mahlers ältere Tochter Maria Anna an Scharlach und Diphtherie. Nach ihrer Beerdigung rudert Mahler mit seiner Frau Alma auf den Wörther See hinaus und versenkt ein großes Bund mit allen Schlüsseln der Villa und des Häusls, so will es die Legende. Er verbietet auch den Nachkommen, diesen Ort zu betreten.
Im Herbstwald strahlt der Ort heute eine behagliche Ruhe aus, man kann nachempfinden, wie Mahler hier mit seinem Frühstück auf der Bank vor dem Häuschen saß, bevor er ans Schöpfen ging. Wären da nicht plötzlich die Waldarbeiten, die sich mit zwei Kettensägen laut bemerkbar machen. Margot Peterlini führt mich durch den Raum, in dem heute sogar ein Arbeitspiano steht, auf dem Mahler selbst gespielt hat. Zahlreiche seltene Dokumente und Fotographien aus der Maiernigger Zeit sind versammelt, auch der Safe, in dem Gustav Mahler seine Goethe- und Kant-Ausgaben sowie Noten von Johann Sebastian Bach verwahrte, ist noch in der Wand.
Im Gegensatz zu allen anderen Komponier-Refugien und Wohnhäusern von Tonschöpfern, die ich besucht habe, bleibe ich hier nicht ganz allein, ein Herr aus Wien interessiert sich auch für die Stätte. Ich nehme mir vor, hierhin zurückzukehren, wenn im Sommer wieder das Mahler-Forum stattfindet, das seit 2021 im Sommer wie die Konzertreihe „Sonntagsmahlern“ hier stattfindet.
Sonntagsmahlern am Komponierhäusl Maiernigg
Quelle: youtube