Dass nun ein Sexist und Rassist an der Spitze der USA steht, könnte einen verzweifelt und hilflos machen, nicht mehr an demokratische Institutionen glauben lassen. Dass gleichzeitig in den Staaten aber kritische Medien einen verstärkten Zuspruch erfahren, nährt einen Funken Hoffnung, dass türkische oder russische Verhältnisse dort noch abzuwenden sind. Wir Journalisten dürfen vor Größenwahn und Dummheit kein Haar breit zurückweichen – dazu gehört auch, dass wir immer wieder über Künstlerinnen und Künstler berichten, die mit Herz, Mut und Verstand für all das stehen, was das neue Individuum im Weißen Haus bekämpfen möchte.
Emel Mathlouthi ist eine solche Künstlerin.
Vor genau sechs Jahren stand sie auf der Avenue Bourguiba in Tunis und half mit ihrem Gesang, den Diktator Ben Ali zu stürzen. Ihr Song „Kelmti Horra“ wurde zur Hymne der jungen Generation. Im Film „No Land’s Song“ war sie Teil der Band, die unter Leitung der Iranerin Sarah Najafi dafür kämpfte, im Gottesstaat eine Konzerterlaubnis auf öffentlicher Bühne für Frauen durchzusetzen. Heute lebt die musikalische Heldin der Jasminrevolution in New York. Das Vokabular des neuen Präsidenten erinnere sie an das der ehemaligen tunesischen Führung, sagte sie in einem neuen Gespräch mit pitchfork.
Auf ihrem zweiten Album Ensen pflegt Mathlouthi einen Electro-Sound, der eher kosmopolitisch denn arabisch ist. Das Werk wurde unter anderem vom Sigur Rós-Produzenten Valgeir Sigurðsson betreut. Ihre Stimme faltet Mathlouthi von zerbrechlichem Sopran bis zu suggestivem Dräuen in hymnischen Chören auf. Rhythmische Impulse kommen zwar auch mal von traditionellen Lauten-Riffs oder rauchiger Flöte, vielmehr aber von scharfkantiger, martialischer Perkussion, und Keyboards von kühlem bis verzerrtem Zuschnitt füllen die Textur. In „Ensen Dhaif“ singt sie vom Kampf gegen die Hoffnungs- und Hilflosigkeit, die einen wie ein Tier anfallen kann, „Princess Melancholy“ könnte tatsächlich aus dem frühen Björk-Katalog stammen. Ensen wird in Deutschland am 24.2. veröffentlicht, unten ein Vorgeschmack daraus.
Hier ist nochmals mein Interview mit ihr aus dem Jahr 2015 nachzulesen.