Foto: Justin Higuchi
Sophie Auster
Jazzhaus Freiburg
15.11.2019
Musikerkinder von Musikereltern haben es schwer, sind ständig bohrenden Vergleichen ausgesetzt. Befreiter aufsingen und -spielen können die Sprösslinge von Literateneltern, sie haben sich ihre eigene Künstlersphäre erobert, und trotzdem umgibt sie der familiäre Nimbus. „Gerne mal die Eltern erwähnen“, wünscht sich Sophie Austers Promo-Firma von den Journalisten. Das ist aber gar nicht nötig ist, denn die 32-jährige New Yorkerin kann sich auf ihre eigenen Meriten berufen. Seit dreizehn Jahren ist sie eine der interessanteren Singer/Songwriterinnen im Gewühle der vielen Kolleginnen am Hudson, noch länger ist sie auf der Kinoleinwand zu sehen. Im Jazzhaus Freiburg feierte sie am Freitagabend ihren europäischen Tour-Auftakt.
Austers Songs leben auf der aktuellen CD Next Time von fülligem Popsound, träumerischen Hall-Räumen und cleveren Bläsertexturen. Doch sie haben die Klasse, auf der Bühne auch in einem kargen Trio-Setting zu funktionieren, denn allein diese Stimme nimmt sofort gefangen: mit suggestiv-souligen Tiefen, die ein wenig an Annie Lennox erinnern, aber auch mit leuchtenden Höhen in mäandernden, textlosen Uuuuh-Phrasen. Auster ist keine Rampensau, aber noch weniger Mauerblümchen, und da kommt ihr vielleicht die parallele Schauspielerinnenlaufbahn zupass: Sie setzt auf gezielte Flirts mit dem Publikum, ein angedeutetes Küsschen hier, eine hochgezogene Augenbraue da, Textstellen und Trommelwirbel untermalt sie mit tiefen Blicken und dem Spiel ihrer Finger. Fast ein wenig überzogen wirkt ihre schmerzvolle Mimik, denn nur ganz selten bricht diese Stimme aus dem Wohlklang aus, faucht mal andeutungsweise, steigert sich mal kurz in wütendes Glühen, wird nur für ein Songfinale zum Vamp. Vom reduzierten Drum-Set kommt dafür stets kernige und präzise Unterstützung, die an keiner Stelle die Vocals übertüncht, und aus den Keyboards schlüpfen sehr variantenreich mal glasig funkelnde Farben à la Sixties, mal knallig-bunte Achtziger-Anleihen wie in der aktuellen Single „If I Could“.
Zwischen diesen beiden Jahrzehnten spreizen sich oft die Bezüge des Songrepertoires, in dem sich Doppelbödigkeiten verbergen: Der „Dollar Man“ schleicht sich hintergründig mit Dub-Bässen an, das als Trinklied angekündigte „Tom Collins“ ist nicht raubeinig, sondern voll schmachtender Bitterkeit. Und zeigt sie im träumerischen „Mary Jane‘s“ nicht plötzlich den Stinkefinger? Dass Auster auch den hohen Gipfel klassischer Songwritingkunst erklimmen kann, zeigt sich in „Black Water“, eine grandiose Ballade mit melodischer Dichte und harmonischen Schattierungen im ruhigen Fluss. Ihre Eigenkompositionen bereichert sie mit Covermaterial, das alles andere als naheliegend ist: Die selten gehörte Freddie Mercury-Nummer „Cool Cats“ kommt zu femininen Ehren, und der frühe Soulhit „Baby, It’s You“ von den Shirelles erhält eine elegant modernisierte Politur.
In den Zugaben noch zwei völlig konträre Facetten der Sophie Auster: Ihr Hit „Mexico“, ein lauer Shakira-Verschnitt, bleibt weit unter ihren Qualitäten. Die strahlen nochmals in einem unveröffentlichten Stück, in dem sie mit akustischer Gitarre zur Folklady wird. Doch auch hier lauert ein kleiner Abgrund: Es ist einem Ex-Lover gewidmet, der sich ohne Ankündigung von ihr zurückzog – ein Thema, das fast aus einem der Romane ihres Vaters stammen könnte. Bei den nächsten Lesungen von Paul Auster und Siri Hustvedt also gerne auch mal die Tochter erwähnen.
© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe 18.11.2019