Waldlieder aus Järna

Kolonien
Till Skogen
(Cumbancha/Exil)

Schwedischer Pop war seit den 1970ern immer ein guter Exportartikel. Die Folkfarben des Landes waren aber einer eher kleinen Liebhabergemeinde vorbehalten. Das könnte sich jetzt ändern, mit einem quirligen und zugleich umweltengagierten Quartett aus der Region Järna südlich von Stockholm. Kolonien verbinden die skandinavische Tugend, catchy Ohrwürmer zu zaubern, mit den reichen und tiefsinnigen Farben der Volksmusik, globalen Einflüssen von Westafrika bis Brasilien und einer integren Haltung im Zeichen des Kampfes gegen Klimawandel und Waldvernichtung. „Kolonien“ will der schwedische Vierer im ursprünglichen Wortsinn verstanden wissen, als „Niederlassung“ („Kolonien“ ist im Schwedischen die Einzahl), die mit den imperialen Gräueltaten auf anderen Erdteilen nichts zu tun hat: ein Ort des Kultivierens, ein Ausloten neuer Böden, ein Platz, auf dem Neues wachsen kann. Solch eine „Kolonie“ verkörpert die Band im musikalischen Sinne bestens.

In der Heimat macht die Band aus zwei Brüdern, ihrer Cousine und einem Kumpel von nebenan schon seit zehn Jahren Wirbel. Till Skogen („zum Wald“) ist ihr drittes Werk und widmet sich der Natur. Was wird passieren, wenn all unsere physischen Wurzeln durchgeschnitten und verbrannt sind?, fragen sich die Musiker angesichts der täglichen, weltweiten Vernichtung der Waldbestände und der Priorisierung schneller Erträge vor nachhaltigem Handeln. „Der Wald zuhause war immer ein Symbol für unsere eigene Familie, von der Wurzel über den Stamm bis zu den Blättern am Ende des kleinsten Zweiges.“ Diese familiäre Atmosphäre wird auf Till Skogen ganz konkret zelebriert: Über die vier Bandmitglieder hinaus haben Kinder, Enkel, Geschwister und Eltern mitgewirkt, sich dem Chor und der Bläsersektion angeschlossen.

Kolonien: „Till Skogen“
Quelle: youtube

Das musikalische Resultat ist grandios vielfältig: Es reicht vom knackigen, mitreißenden Folkpop des Openers über das seelenvolle A Cappella-Titelstück für die brennenden Wälder bis zu den afrikanischen Gitarren- und Basslinien von Arvid und Erik Rask und einer afro-brasilianischen Samba-Party mit Mischa Grinds perkussivem Arsenal. Durch Anna Möller, die Fiddlerin der Band, kommt die Tiefe der schwedische Geigentradition zur Geltung. Und das Finale widmen Kolonien dem Vordenker der Occupy-Bewegung Charles Eisenstein. 10 Prozent der Einnahmen an Till Skogen spendet die Band der schwedischen Organisation Skydda Skogen (skyddaskogen.se), die sich für den Erhalt der Wälder und der Biodiversität einsetzt.

Mit Till Skogen bauen Kolonien eine Brücke vom Worldpop zum Schwedenfolk. Sie zeigen, wie man mit handgemachten Songs Hitverdächtiges schaffen und gleichzeitig für die drängenden ökologischen Probleme sensibilisieren kann. Ein akustisches Meisterwerk für die Zukunft der Erde.

© Stefan Franzen

Kolonien: „Morgondag“
Quelle: youtube