Tania Saleh
10 A.D.
(Kirkelig Kulturverksted/Indigo)
Die libanesische Sängerin, Songwriterin, Designerin und Frauenaktivistin Tania Saleh meldet sich zurück. Auf 10 A.D., ihrem dritten Album fürs norwegische Label KKV, hat sie sich von der elektronischeren Ausrichtung des Vorgängers Intersection wieder etwas abgewandt und schafft eine gelungene Synthese aus arabischen Instrumenten, Streichquartett, ein paar dezenten Anklängen an ihre Alternative Rock-Vergangenheit und geradezu elektro-grazilem rhythmischem Unterbau für ihr vokales Geschmeide. Man merkt den Beats an, dass Saleh eine Schwäche für den Flow brasilianischer Taktgebungen hat, und ähnlich schwebend wie bei ihren transatlantischen Kolleginnen gelingen Phrasierung und Verzierungen, die traditionelles arabisches Melos mit modernem Popidiom verbinden.
Textlich geht es wie immer bei Saleh in die Tiefe. Hinter dem Albumtitel versteckt sich „ten years after divorce“, und die Beiruterin beschreibt damit ihre Erfahrungen als Alleinstehende mittleren Alters in einer orientalischen, männerdominierten Gesellschaft. Die Ächtung einer Geschiedenen, das Infragestellen von Geschlechterrollen, langweilige Schickimicki-Partys, aber auch die Reinheit karmischer Liebe: Das sind die Themen, die als Gedankenfutter gerade deshalb so eindringlich wirken, da sie in diese betörende Eleganz verpackt werden. Unerschütterlich und engagiert geht diese Frau ihren Weg in einem Land, das zwischen katastrophalem Abgrund in der Politik und kreativen Höchstleistungen der Kunstszene taumelt.
© Stefan Franzen