Frucht & Furcht des Frühlings


Brasilianische Musik scheint 2023 in ein neues Zeitalter der Entspannung zu gehen: Drei dringende Hörtipps für den Start in den Frühling!

„Meine einzige Angst ist der Frühling“, Meu Único Medo É Primavera (Ajabu! Records/Broken Silence) betitelt denn auch der brasilianische Songwriter Ian Lasserre sein aktuelles Werk. Dabei tönt der Liederzyklus des Bahianers mal relaxt wie ein Sonntagmorgenspaziergang mit knackiger Rhythmusgitarre („Abraxas“), träumerisch-melancholisch wie ein alter Milton Nascimento-Song mit Piano-Sentenzen („Estrela“) oder reibt sich auch mal an querständigen Jazzharmonien. Für alle Fans von Vinicius Cantuária!

Ian Lasserre: „Abraxas“
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Sehr zurückgelehnt gibt sich auch der in Kalifornien ansässige Gabriel da Rosa auf É O Que A Casa Oferece (Stones Throw). Sein Vokabular bleibt weitestgehend Samba- und Bossa-zentriert, aber alles anderes als altbacken. Spaß macht diese Scheibe, weil sie über der Akustikgitarre fantastisch mit Flöte, Bassklarinette, Posaune, butterweicher Elektrischer, lichtvollen Streichern, der genau richtigen Dosis Perkussion und Gabriels geschmeidig-knabenhafter Stimme textiert. Eine Musik, die duftet wie ein Frühlingstag im Jahre 1960, unser Anspieltipp heißt denn auch „Jasmim Parte 1“.

Gabriel da Rosa: „Jasmim Parte 1“
Quelle: youtube

Die verblüffendste Brasil-Platte des Frühlings kommt für mich aber aus Düsseldorf.  Ja, richtig gelesen. Die lusophile Stimmenkünstlerin und Songwriterin Elsa Johanna Mohr hat sich mit dem Gitarristen Flávio Nunes zu einem intimen Tête-à-tête zusammengefunden, das nicht nur alle deutsch-brasilianischen Fettnäpfchen, die da stehen könnten, ordentlich umschifft, sondern mit dem „Great Brazilian Songbook“ verschiedenster Genres und Geographien erfrischend und geradezu innovativ umgeht.

Der Afro-Samba „Tempo De Amor“ von Baden Powell wird funky rhythmisiert, „A Menina Dança“ klingt noch eine Spur swingender als bei Marisa Monte. Und „Fechada Pra Balanço“ hat genau die Gänsehaut-Blue Notes, nach denen das augenzwinkernde Stück verlangt. Mohr hat sich die portugiesische Sprache nicht nur wie eine Nativa angeeignet, sie versteht auch eine Menge vom effektvollen, sinnlichen Phrasieren im fremden Idiom. So rangieren unter den Highlights dann tatsächlich auch ihre fruchtigen Eigenkompositionen, wie die träumerische Bossapop-Ballade „Casuleira“ und das freche Titelstück „Passadinha“.

Elsa Johanna Mohr & Flávio Nunes: „Passadinha“
Quelle: youtube