Das Wort „nubisch“ umweht ein gewisser abenteuerlicher Zauber. Nubien, oder das „Reich von Kusch“ beherbergte von der Antike bis ins 16. Jahrhundert an der Schnittstelle zwischen Ägypten und Schwarzafrika eine Hochkultur. Über Ausdehnung und Sprachfamilie streiten heute noch die Historiker. Wenn man nubische Musik hört, die Klänge des nördlichen Sudans und des südlichen Ägyptens, spürt man auch heute noch etwas von diesem sagenhaften, geheimnisvollen Reich: Da gibt es mäandernde Saxophone, schaukelnde Akkordeone, wiegende Rhythmen – und vor allem: seelenvolle arabeske Stimmen. Wenn Mali sich als Wiege des Blues sieht, so lassen sudanesische Musiker oft verlauten, ihre Klänge hätten den Soul für sich gepachtet.
Die Sängerin Alsarah muss diese Behauptung nicht an die große Glocke hängen, sie überzeugt allein mit ihrer Stimme. Beim Festival „Globâle“, das den Auftakt für die neue, verstärkt auf Afrika, arabische Kulturen und Lateinamerika ausgerichtete Programmphilosophie der Kaserne bildet, ist sie einer der musikalischen Höhepunkte. Mit ihrer Band Alsarah & The Nubatones bespielt sie seit einigen Jahren namhafte Festivals auf etlichen Kontinenten, ist eine der großen Newcomerinnen der Weltmusikszene.
“East-African Retro Pop” lautet das selbstgewählte Etikett der Combo aus New York. Ja, richtig, New York, denn die Künstlerin stammt zwar aus der sudanesischen Kapitale Khartoum, floh mit der Familie aber schon als Kind vor dem repressiven Regime ihrer Heimat über den Jemen in die USA. Doch das kulturelle Erbe blieb weiter an der charismatischen Frau haften, die parallel zur Musikerinnenkarriere auch Ethnomusikologin ist und mit ihrem Outfit vielleicht tatsächlich ein wenig an eine nubische Prinzessin gemahnt. In Brooklyn hat Alsarah ihre Klangvision mit Musikern verwirklicht, die die Exil-Erfahrung mit ihr teilen und unter anderem ursprünglich aus Armenien oder dem Togo stammen. Der Ausgangssound der Nubatones ist dabei unverkennbar in den fünftönigen Skalen und den schaukelnden Wüstenrhythmen des Nordsudans und Südägyptens angelegt. Zentral für den Sound des Quintetts ist die arabische Laute Oud, Trompete, ein warmer Bass und klackernde Percussion treten hinzu.
Doch die Musiker gehen über die Traditionen des nubischen Terrains hinaus: Man baut Reggae-Rhythmen, Einsprengsel auf der westafrikanischen Spießlaute Ngoni und weibliche Chorsätze mit Pop-Appeal ein. Dazu gibt es die Arbeit mit analogen Keyboards und eingespielte Fetzen aus Radiosendungen. Mit ihrem neuen Konzeptwerk „Manara“ machen die Nubatones die Reise von lokalen Verwurzelungen hin zur Großstadt erlebbar. Eine Musik, die sich nicht im elektronischen Einerlei verliert, wie so vieles in der heutigen Weltmusik, sondern auch nach der Wanderung charakterstark, individuell und voll eigenständiger, regionaler Färbungen bleibt. Und die tatsächlich jede Menge Soul hat.
© Stefan Franzen
Alsarah & the Nubatones live: 4.10. Kaserne Basel