Die Malierin Fatoumata Diawara kündigt für 2023 ein neues Album an, das unter einem besonderen Vorzeichen stehen wird. Diawara arbeitet, wie viele westafrikanische Künstler vor ihr, mit dem Afrika-verrückten britischen Musiker Damon Albarn (Gorillaz/Blur). Jetzt ist die erste Single aus dem Album erschienen, sie nennt sich „Nsera“. Das Bambara-Wort lässt sich mit „Ziel oder „Bestimmung“ übertragen.
Im Text wendet sie sich an ihren Kontinent, der erkennen möge, wie viel er der Welt zu geben hat. Diawaras Sound ist durch das Mitwirken von Alban, der im Rahmen seines Africa Express seit 2006 mit Namen von Salif Keita bis Fela Kuti kollaborierte, deutlich poppiger geworden. Sie selbst nennt diesen Sound „Londonko“ – der Name eines imaginären Kontinents, der London und Bamako zusammenführt.
In den symbolisch stark aufgeladenen Bildern des Videos (Regie: Gregory Ohrel) zu „Nsera“ ist auch eine unübersehbare Kritik an der gerade gestarteten Fußballweltmeisterschaft zu sehen: Während sie davon singt, dass Afrika ihr als Reisender Gastfreundlichkeit entgegenbringt, ist Diawara mit einem Albino zu sehen, eine Gruppe, die in Mali lange unter Diskriminierung gelitten hat. Dieser Albino hält einen blutüberströmten Turnierball in der Hand. Gerade hat Diawara im Berliner Konzerthaus gastiert, am 20. Januar wird sie im Konzerthaus Wien und am 21. Januar in der Philharmonie Köln zu erleben sein.
Mit dem Terminus „Urban African Music“ wird die elektronische Musik des afrikanischen Kontinents gerne beschrieben. Doch das ist oft zu kurz gedacht. Ein Sänger aus den Bergen von Lesotho, der gerade international durchstartet, ist dafür ein schönes Beispiel. Morena Leraba heißt der Mann aus der Region Mafeteng im kleinen Königreich, das wie eine Insel in der großen Republik Südafrika liegt. Wie viele seiner Landsleute war er zunächst Schafhirte, es ist also nicht nur exotisches Kolorit, wenn er auf der Bühne die Berufsinsignien seines früheren Jobs trägt: einen kegelförmigen Strohhut mit langem Zipfel und einen Hirtenstab, den er für seine Choreographie effektvoll einsetzt, hohe Stiefel und eine grobe Wolldecke als Umhang gegen die Kälte im Hochland.
Morena Lerabas Musik schöpft aus vielen Quellen: Ihre Roots hat sie im staubigen Hochland seiner Heimat, in den Lyrics erzählt er in der Sesotho-Sprache von dörflichen Mythen, von Kräuterkunde und magischen Kräften. Leraba bezieht sich auch auf den Famo, eine Musik, die Migranten aus Lesotho vor bereits fast 100 Jahren in Südafrika spielten, als sie dort in den Goldminen Arbeit fanden. Damals war noch das Akkordeon das zentrale Instrument. Dieses Urmaterial hat Leraba mit HipHop, Reggae und vor allem elektronischer Tanzmusik vermengt. Das tönt ab und an mal sphärisch, meist aber sehr körperlich: Repetitive Melodiephrasen, die grollend bis beschwörend vorgetragen werden und ein rasanter Sprechgesang, durchbrochen von Jauchzern, prägen den Gesang. Darunter liegen House-artige Rhythmen, wie sie auch in der Kwaito- und Gqom-Musik Südafrikas vorkommen, für Gegenmelodien verzahnen sich bassmächtige Keyboards und ein Xylophon. Einen guten Eindruck von seinem Sound bekommt man mit dem Titel „Impepho“.
Erstmals kombinierte Leraba sein Erbe vor fünf Jahren mit Elektronik, als er einen Song mit der deutsch-südafrikanischen Band The Freerangers aufnahm. Später traf er auf den Produzenten Kashaka aus Brooklyn oder dessen brasilianische Kollegen Trapfunk & Alivio, Südafrikas Rapper Spoek Mathambo ist ebenso auf der langen Liste seiner Teamworker. Schließlich wurde auch der britische Popkünstler Damon Albarn auf ihn aufmerksam und integrierte ihn in sein Langzeitprojekt Africa Express. Problematisch, diese Floskel „urban“: Morena Lerabas Sound ist heute in den Clubs von Johannesburg bis London zuhause, und sie wird auf seinem bald erscheinenden Debütalbum die ganze Welt umspannen, mit Gastauftritten von Musikern aus Nigeria, Frankreich und den USA. Doch in ihrem Kern ist sie so „ländlich“, wie man es sich nur vorstellen kann.
Africa Express presents In C Mali (Transgressive Records/Alive)
Normalerweise bin ich überhaupt kein Fan von den Dingen, die Damon Albarn in Westafrika treibt. Jetzt hat aber der von ihm mitinitiierte Tross namens Africa Express eine grandiose Platte veröffentlicht. Auf afrikanischen Instrumenten wird 50 Jahre nach ihrem Entstehen Terry Rileys Komposition In C nachmusiziert, unter die malischen Musiker hat sich auch Brian Eno gemischt. Von der Wesensverwandtschaft zwischen Minimal Music und afrikanischen Patterns profitierend bekommt der Klassiker eine organisch-erdige Glasur. Es macht einen Riesenspaß mitzuverfolgen, wie die Originalinstrumentation auf den Klangkosmos Malis übertragen wurde. Und man kann sich das in einer Liveversion aus der Tate Modern hier auch komplett anschauen.