DJ Steloo (Foto: Ensemble Recherche)
„Spotted: Subsahara“ heißt das aktuelle Programm des Ensemble Recherche mit zeitgenössischen afrikanischen Kompositionen. Zum Brückenschlag zählt auch eine Improvisation mit einem DJ aus Ghana. Das Ziel: Gleichberechtigte Begegnung statt eurozentrischem Blick.
Elektronische Klänge flackern durchs Ensemblehaus. Verfremdetes Flussplätschern, klackernde Rhythmen, dann ein grelles akustisches Signal. Eine Autohupe oder Tram-Bimmeln? DJ Steloo aus der ghanaischen Hauptstadt Accra hat diese Geräusche in Freiburg gesammelt. „Wenn die Leute mir neugierig zuschauen, wie ich mit meinem Aufnahmegerät unterwegs bin, ist das für mich schon eine Street Performance“, sagt er. Die Klänge will er mit Sounds aus Accra kombinieren und unter Beteiligung des Ensemble Recherche zu einem Stück bauen. Mit Pianist Klaus Steffes-Holländer und Perkussionist Christian Dierstein hat er schon gearbeitet. „Ich finde es von Vorteil, dass ich gar keinen Hintergrund mit klassischer Musik habe, so kann ich die Klänge des Ensembles ganz anders umarmen.“ Er ist begeistert, dass die Freiburger Musiker sich ihrerseits auf Improvisationen einlassen.
Steloo hat das Konzept des DJs zu einem Gesamtkunstwerk geweitet. Im Interview sitzt er mit verspiegelter Sonnenbrille und einer bunten Kopfbedeckung, die auch an eine alte Pilotenkappe erinnert. Mode und Musik gehören in seiner Performance untrennbar zusammen. „Oft haben Europäer immer noch eine Vorstellung von afrikanischer Musik, die von Trommeln ausgeht. Doch der Klang Afrikas wächst, verändert sich. Leute wie ich versuchen Stereotypen zu sprengen.“
Neben dem mit Steloo erarbeiteten Stück stellt das Ensemble Recherche vier südafrikanische und einen nigerianischen Tonschaffenden der zeitgenössischen Musik vor. Den Dialog zum anderen Erdteil auf Augenhöhe anzulegen, ist das Anliegen des Programms „Subsahara“. „Es gab eine lange Phase von musikalischem Exotismus. Aber heute ist es nicht mehr akzeptabel, dass man eine Plünderung außereuropäischer kultureller Ressourcen vornimmt“, sagt der australische Komponist Paul Clift, neuer künstlerischer Leiter des Ensemble Recherche. „Unsere Frage ist: Wie können wir einen behutsamen Kontakt schaffen, ohne koloniale Geisteshaltungen zu zementieren, ohne dass eine musikalische Syntax die andere ertränkt?“
Begonnen hatte das bereits mit der Reihe „Postcolonial Recherche“. Die Arbeit mit Komponistinnen und Komponisten rund um die Welt stellte die Musiker vor Herausforderungen. Partituren bestanden oft aus verbalen Anweisungen oder gar graphischen Darstellungen von Tieren und Pflanzen. Als Guide durch die Landkarte aktueller Kompositionen Afrikas fungiert für das Ensemble der Südafrikaner Bongani Ndodana-Breen, der Clift kuratierend zur Seite stand und steht. Er wird selbst mit dem Werk „Two Nguni Dances“ vertreten sein, das sich zwar in westlicher Notation fixieren lässt, aber trotzdem seine Arbeit mit der Tradition durchscheinen lässt. Sein Landsmann Njabulo Phungula hat mit “A Tap Releases The New Harmony” ein geschaffen, das seinen Impuls aus einer gestischen Gedichtzeile von Arthur Rimbaud bezieht. „Es mag sich für europäische Ohren fast ‚leer‘ anhören, es lässt viel Raum für Vorstellungskraft und Allegorien“, so Clift.
Mit Monthati Masebe und Tebogo Monnakgotla sind zwei Frauen mit ungewöhnlichen Perspektiven im Programm: Masebe antwortet als Gender Rights-Aktivistin mit ihrer Arbeit auf patriarchale Normen ihrer Heimat, stellt aber auch koloniale Hierarchien auf den Kopf: Im Stück „Meraro“ fordert sie von den westlichen Instrumenten, sich auf die Klangwelt indigener Mundbögen einzustellen. Monnakgotla dagegen bringt durch ihre Sozialisierung in Schweden eine Erneuerung der Ursprungskultur in Form von Streichtrios ein.
Während sich in Südafrika durch eine Infrastruktur mit Orchestern und Konzerthallen Traditionen oft mit westlichen Elementen vermischt haben, mag der Beitrag des Nigerianers Ayo Oluranti unsere Erwartungen an das „Afrikanische“ eher zu befriedigen, weil er auf der perkussiven Apala-Musik mit Polyrhythmen und Wiederholungen basiert. Aber ist das nicht schon wieder einer unserer Stereotypen? Es sind spannende Fragen, die das Ensemble Recherche mit „Subsahara“ anstößt. Clift stellt im Kontakt mit Afrika sogar den Begriff des „Komponisten“ zur Disposition: „Muss das immer ein Individuum sein, das seine Vision hierarchisch mit einem Ensemble teilt? Warum ‚Komponist‘ nicht verstehen als eine kollektive soziale Einheit?“
© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe 06.03.2023
Konzert: „Spotted: Subsahara“, Jazzhaus Freiburg, 8.3. 20h
Radio: Über die Arbeit des Ensemble Recherche wird das SRF 2 Musikmagazin am 11.3. ab 10h einen Beitrag bringen