Sommerliches Afro-Doppel

Kokoroko
Tuff Times Never Last
(Brownswood Recordings)

Santrofi
Making Moves
(Outhere/Indigo)

Vom bislang gepflegten Afrobeat krass auf Distanz geht dagegen das Londoner Septett Kokoroko auf seinem zweiten Werk. Tuff Times Never Last verführt gleich am Anfang in „Never Lost“ mit sommerlich-souliger, entspannter Süße im Bläsersatz. „Closer To Me“ könnte fast aus der Werkstatt von Brasil-Sunnyboy Marcos Valle kommen, plus einem Spritzer Neo-R&B. In „My Father In Heaven“ grüßt die Balladenharmonik von Stevie Wonder. Afrobeat-Atem strömt noch aus „Three Piece Suit“, wird aber durchs sanfte Falsett des Nigerianers Azekel sehr gemildert, und auf die Vocals in „Just Can’t Wait“, die mit smoothen Slap-Bass-Läufen und gluckernden Gitarrenriffs garniert sind, könnte Smokey Robinson neidisch werden. Eine großartige Platte, auf der sich goldenes Sonnenlicht von London über Lagos bis nach Rio und Detroit wölbt.

Ghanas Highlife-Innovatoren Santrofi bleiben mit Making Moves auf Kurs, das „Nationalgenre“ ihres Landes zu modernisieren. Das tönt ganz unterschiedlich: Einmal schwelgen sie in der leicht melancholischen Palmwine-Musik, tunen sie aber ein paar Geschwindigkeitsumdrehungen hoch („Su Nkwa“). Dann wieder brechen sie einen lässigen Afro-Disco-Funk vom Zaun, der sich auf die Reime eines Kinderspiels beruft („Gyae Me How“). Und mit Hip Hop-Sensibilität geht es in das Titelstück, das mit junger Unterstützung aus der Rap-Ecke gewürzt wird. Traumhaft schön ist auch der süffige Bläsersatz, der sich mit der Patina der 1960er ummantelt. Diese Jungs setzen ein markantes Signal gegen die Synthetisierung afrikanischer Popmusik.

© Stefan Franzen

Kokoroko: „Just Can’t Wait“
Quelle: youtube

Santrofi: „Gyae Me How“
Quelle: youtube

Sommerliches Brasilien-Doppel

Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad with Dom Salvador
Jazz Is Dead 24
(Jazz Is Dead)

Samantha Schmuetz & Adrian Younge

Samantha & Adrian
(Linear Labs)

Mit zwei brasilianischen Strikes melden sich die Schwesternlabels Jazz Is Dead und Linear Labs in diesem Sommer: Zum einen hat sich Altmeister Dom Salvador in die L.A.-Studios von Adrian Younge begeben. Seit den 1960ern Musiker bei Prominenz wie Elis Regina und Jorge Ben, später Pionierverschmelzer von Jazz, Soul und Funk, kann man es kaum glauben, dass da ein Mittachtziger an den Tasten sitzt. Younge bringt Salvadors ikonisches Spiel nochmals auf eine ganz geräumige Leinwand. Beschwörende Unisono-Chöre, raue Horns, eine gleißende Streichersektion und tolle Einzeltäter an Flöte, Sax und Gitarre schaffen eine fantastische Kulisse für den Pianisten. Das Spektrum reicht dabei vom schwitzigen Funk-Kracher „Electricidade“ bis zur nostalgischen Erleuchtung von „As Estaco“.

Comedienne, Musical-Star, Schauspielerin – die Brasilianerin Samantha Schmütz hat ein kunterbuntes Portfolio. Dass Adrian Younge sie nun für die Kollaboration „Samantha & Adrian“ geladen hat, mag überraschen, aber die Stimme der Vielgesichtigen, die kürzlich auch mit Artur Verocai auf Tour war, entpuppt sich in diesem Kontext als Glücksfall. Ihr helles, ungekünsteltes Timbre behauptet sich in Younges quicklebendigem Universum aus Vintage-Keyboards, Streicher-Erotik, relaxtem Sambasoul- und Bossa-Feeling – und in einem Glanzmoment wie „Revoada“ kommt tatsächlich ein wenig Reminiszenz an Elis Regina auf.

© Stefan Franzen

Dom Salvador: „Os Ancestrias“
Quelle: youtube

Samantha Schmütz & Adrian Younge: „Nossa Cor“
Quelle: youtube