Hommage an die Fantasiewelt

mockemaloer ganterVor mehr als zehn Jahren brach die Sängerin Magdalena Ganter aus Hinterzarten im Schwarzwald nach Berlin auf. Dort schuf sie mit Keyboarder Simon Steger und Drummer Martin Bach als Mockemalör einen unverwechselbaren Sound zwischen Elektropop, Chanson und Variété. Jetzt sind sie mit dem Album Riesen auf Tour – dazu ein kurzes Gespräch mit Magdalena, das ich im Sommer geführt habe.

Magdalena Ganter, der Name eurer Band ist sehr einprägsam, trotzdem wissen die Wenigsten, was sich dahinter verbirgt!

Ganter: „Mocke“ ist ein alemannischer Begriff für ein Stück, eine Einheit, und das Malheur ist ja im Französischen das Missgeschick. In der Kombination bekommt es bei uns aber eine etwas andere Bedeutung: ein schönes Missgeschick.

Auf eurem ersten Album Schwarzer Wald hast du noch Alemannisch gesungen, Riesen ist ausschließlich auf Hochdeutsch. Warum dieser Sinneswandel?

Ganter: Damals hat der Dialekt für mich Sinn ergeben, denn das war die Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln, die Besinnung auf die Herkunft, auch eine Art Verschlüsselung, da ich über die Region hinaus nicht verstanden wurde. Aber die nächste Stufe war: Hey, ich habe Lust verstanden zu werden und ich brauche mich nicht mehr verstecken. Denn jetzt fühle ich mich in Berlin angekommen, hier denke und schreibe ich auf Hochdeutsch. Es wäre ein Umweg, alles wieder ins Alemannische zu verpacken.

Wie wirkt sich Berlin auf dein Songschreiben aus?

Ganter: Die Texte sind verrückter geworden, im Sinne von frei von Konventionen wie: Muss eine Geschichte ganz klar formuliert werden? Brauche ich einen vollen Satz? Alles ist freier, abstrakter, minimalistischer und mutiger. Wenn das Gefühl stimmt, dann erschließt sich auch der Sinn, dann kann ich auch ein bisschen drauf scheissen, was die anderen denken. Diese Punkattitüde, die hat sich hier in Berlin für mich vielmehr etabliert.

Wie würdest du den heutigen Sound jemandem beschreiben, der zum ersten Mal mit Mockemalör in Kontakt kommt?

Ganter: Es ist schon Popmusik, aber mit chansonesken Geschichten, mit einem minimalistischen, elektronischen Touch. Und es ist auch etwas Variété-Artiges drin, das ist vom Berliner Culture Clash beeinflusst, diese bunte Mixtur unterschiedlichster Stilistiken, der Mut zum Ausprobieren schwingt immer sehr stark mit.

In den Elektrosounds kann man starke Einflüsse aus den Achtzigern heraushören, die frühen Depeche Mode, die Neue Deutsche Welle…

Ganter: Ja, ich verstehe, dass du das raushörst. Aber wir hatten keinen konkreten Sound im Ohr,. Das ist immer wieder unser Ansatz: Freimachen von Hörgewohnheiten. Wir gehen improvisatorisch dran und schauen, was aus uns heraussprudelt. Auf jeden Fall ist der Sound elektronischer, aber es ist uns wichtig zu erwähnen, dass unsere Musik immer handgemacht ist, ich spiele ja auch Akkordeon und alle Synthesizer werden live gespielt. Auch Martin mit seinen Drums ist sehr eigen und liebevoll und handmade. Und dann gibt es diesen einen Moment, wo wir sagen: Jetzt klingt‘s „mockig“!

Deine Stimme ist ungeheuer kraftgeladen, da merkt man die klasssiche Ausbildung. Vorteil oder vielleicht sogar hinderlich?

Ganter: Ich empfinde es als großes Glück, dass ich so eine Bandbreite haben darf, von schrillem Schreien bis zu meditativem Gesang. Dass ich eine ausgebildete Stimme habe, ermöglicht es mir eben, ein paar Facetten mehr auszudrücken. Und wenn wir mal eines Tages zwanzig Konzerte pro Monat rocken werden, dann weiß ich durch meine Ausbildung, dass ich mich auf meine Stimme verlassen kann, brauche keine Angst zu haben, dass ich total heiser auf der Bühne stehe.

Die neue Platte Riesen ist ja sehr verspielt und fast anarchisch, was die Texte angeht. Gibt es ein Grundthema?

Ganter: Es ist eine Hommage an unsere Traum- und Fantasiewelt, das Anknüpfen an unsere Wünsche, der Glaube an das eigene Potenzial. Sich mit kindlicher Naivität frei machen von den Leistungsansprüchen unserer Gesellschaft. Es gibt diesen einen Song über die Punkerengel-Kinder, der das gut zusammenfasst. Die haben noch nicht diese Bewertungsmuster, haben ein liberales Gemüt, sich mit offenem Herzen Fragen zu stellen, auf die es vielleicht gar keine direkte Antwort gibt.

© Stefan Franzen

Mockemalör: „Riesen“ (live in der Ufa-Fabrik)
Quelle: YouTube


Mockemalör live:
23.01.2017 Freiburg (D) / w_ PARI SAN / Jazzhaus Freiburg
28.01.2017 Reutlingen (D) / Kulturzentrum franz K.
28.04.2017 Karlsruhe (D) / Heimattage 2017 / Jubez
05.05.2017 Bad Homburg (D) / Speicher
14.05.2017 Nürnberg (D) / Künstlerhaus / Festsaal
19.05.2017 Hamburg (D) / F+K presents @ Birdland -> TICKETS
03.06.2017 München (D) / VUT-Klangfest 2017