Mit den Carolina Chocolate Drops hat sie pionierhaft die Geschichte der schwarzen Stringbands Amerikas aufgearbeitet, nun setzt sie auf Soloarbeit. Die Sängerin, Geigerin und Banjospielerin Rhiannon Giddens ist das neue Gesicht der amerikanischen Folkbewegung, sie vereint Qualitäten von Joan Baez, Odetta, Dolly Parton und Nina Simone, denen sie auf ihrem Debüt „Tomorrow Is My Turn“ (Nonesuch/Warmer) allen ein sehr lebendiges Denkmal setzt. Bevor sie im Sommer einige wenige Deutschlandkonzerte spielen wird, habe ich mit ihr gesprochen. Weiterlesen
Face to Face
Begegnungen mit Klangkünstlern in der realen – und zugegebenermaßen auch manchmal virtuellen – Welt
Dina El Wedidi: Der Spirit vom Tahrir
Foto: Shokry Mannaa
Auf dem Tahrir-Platz in Kairo war sie 2011 als Musikerin dabei und sang der Jugend den Hit „Lasst uns träumen“ entgegen. Heute ist die 27-jährige Dina El Wedidi eine der führenden Songwriterinnen der ägyptischen Nachrevolutionszeit. Sie genoss ein intensives Lehrjahr bei Gilberto Gil und streckt derzeit ihre Fühler nach Afrika aus, indem sie mit den Musikern des Nile Project die verbindende Kultur der größten Lebensader Afrikas zelebriert. Die Zukunft ihres Landes sieht sie zwiegespalten. Ich habe sie während der US-Tour des Nile Projects über Telefon in L.A. erreicht. Das dritte und vorerst abschließende Interview in der Serie mit arabischen Sängerinnen.
Dina El Wedidi, dass der Titel Ihres Debütalbums „Turning Back“, „zurückkehren, sich umdrehen“ heißt, überrascht mich etwas, denn Sie gehören ja zu der Generation der progressiven, nach vorne schauenden Musikerinnen Ägyptens. Warum haben Sie diesen Titel gewählt?
El Wedidi: Bei der Titelgebung habe ich auf eine sehr persönliche Weise an die Geisteshaltung gedacht, die ich während der letzten drei Jahre hatte. Ich probierte musikalisch eine Menge aus, experimentierte mit Rap, Fusion, Folk und Traditionen. Es war mir klar, dass ich einen eigenen Sound finden musste. Und da schien es mir das Beste, zu dem Gefühl zurückzugehen, das ich hatte, als ich allein mit meiner Gitarre in meinem Zimmer saß und anfing, Songs und Texte zu schreiben. Der Moment, bevor man als Songwriter raus zu den Musikern geht. Ein sehr intimer, warmer Moment. Gleichzeitig hat der Titel aber auch damit zu tun, dass wir, die junge Generation, drei Jahre nach der Revolution wieder zum genau gleichen Punkt zurückkehren müssen, an dem wir begonnen haben. Weiterlesen
Oum: Multiples Marokko
Im zweiten Teil meiner kleinen Serie über Vordenkerinnen unter den arabischen Musikerinnen geht es um die marokkanische Sängerin Oum El Ghait, kurz: Oum. Ich habe sie vor kurzem in Strasbourg getroffen. Oum sieht tatsächlich ein bisschen aus wie eine Björk der Wüste, sie hat arabisches und westsaharisches Erbe, spricht mit einer fast poetischen, sanften Stimme und ihr Französisch hat einen sehr lebendigen Tonfall. Während des Interviews trägt sie eine Lederjacke, nachher auf der Bühne eine fantasievolle Tracht Marke Eigenbau. Wie immer folgt hier das Interview in einer ungeschnittenen Fassung.
Soul Of Morocco, der Titel Ihres Albums kann zweierlei heißen: Wollen Sie eine marokkanische Variante des amerikanischen Soul prägen, oder geht es um die Seele Marokkos?
Viele Leute denken, dass ich im CD-Titel auf den Musikstil Bezug nehme. Während ich mich autodidaktisch an die Musik herantastete, gab es tatsächlich eine Menge Soul und Gospel. Aber bei der Benennung des Albums habe ich eher daran gedacht, in gewisser Weise die Seele meines Landes zu zeigen, wie ich sie fühle und in mir trage, wie ich sie für mich übernommen habe. Eine Seele mit vielen Farben, die mit Leichtigkeit Einflüsse aus den Kulturen der ganzen Welt aufnehmen kann, sei es melodisch oder rhythmisch. Deshalb verwende ich auch Instrumente, die nicht zwingend marokkanisch sind. Ich will zeigen, was es heute heißt, Marokkanerin zu sein und Musik zu machen. Denn für den Westen ist es nicht so leicht zu verstehen, wer wir eigentlich sind. Wir sind nicht einfach orientalisch, sondern die westlichsten Menschen im ganzen Orient. Natürlich sind wir Araber, wir sind aber auch Berber und wir sind Afrikaner. Ich betreibe also auch ein bisschen Definitionsarbeit, natürlich auf sehr légere Art, nicht analytisch (lacht). Ich wollte ein eklektisches Album machen, Marokko ist nicht einfach dies oder das, es ist größer, es ist universell.
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Tania Saleh: Nur das Meer kümmert sich
Die Ereignisse in Paris während der letzten Tage dürfen uns Journalisten nicht verstummen lassen – gerade dann nicht, wenn wir über eine arabische Kultur berichten, die sich immer gegen jegliche fundamentalistischen Umtriebe gewehrt hat und weiter wehren wird. Bei einem „Je Suis Charlie“ darf es nicht bleiben, auch nicht bei Schweigemärschen, an deren Spitze Staatschefs marschieren, die sich bald schon wieder von Wahlkampfinteressen leiten lassen, sich „christlich“ nennen und weiterhin Waffen exportieren. Wir müssen den Denkern und Dichtern der arabischen Welt zuhören, die eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gewaltpotenzial im Islam fordern und eine exegetische Aufarbeitung des Korans fürs 21. Jahrhundert anregen. Und wir müssen den Frauen zuhören, die sich von den traditionellen Rollenbildern verabschieden. Ohne die Emanzipation der Frauen wird es in der arabischen Welt nicht weitergehen. Als Musikjournalisten haben wir die Pflicht, diesen Frauen vermehrt eine Stimme zu geben. Deshalb wird es eine kleine Serie mit Interviews geben, die ich mit einigen von ihnen geführt habe und führen werde. Den Anfang macht die Libanesin Tania Saleh.
Wie immer gibt es hier eine Umschrift des kompletten Interviews, ungekürzt und ungeschönt. Für Leser, die sich für eine dramaturgischere Fassung interessieren, kombiniert mit Musik, empfehle ich meine Sendung über Tania Saleh, die WDR 3 open SoundWorld am 3.2. um 23h05 ausstrahlen wird.
„Arabische Männer mögen im Krieg sein, arabische Frauen jedoch sind im Frieden“, sagt Tania Saleh. Die libanesische Sängerin hat 15 Jahre Bürgerkrieg erlebt und überquerte in ihrer Jugend mit Rockbands die feindlichen Linien. In Paris ließ sich sie sich von den Künsten inspirieren, stieg später in die Werbebranche ein und zeichnete auf ihren ersten Alben mit bissigen Kommentaren ein schonungsloses Bild der libanesischen Gesellschaft. Weibliches Selbstbewusstsein und feine Liebespoesie prägen „Shwayit Souwar“, das neue Werk der 46-jährigen, auf dem sie mit Bossa Nova-Rhythmen ruhigere Töne anschlägt. Dabei ist ihre scharfe Zunge ungebremst, angesichts eines Beiruter Alltags, den immer noch Korruption, Sektierertum und tägliche Gewalt beherrschen. Tania Saleh – eine Vorkämpferin für die moderne arabische Frau, deren Heimatstadt Beirut sich tief in ihre Musik eingebrannt hat.
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Alle 100 Jahre ein Genius
Gilberto Gil: Gespräch über die neue CD und João Gilberto
Es ist natürlich ein schöner Zufall, dass zwei herausragende Persönlichkeiten der brasilianischen Musik den gleichen Namen tragen. Die Namensvetternschaft hat der jüngere unter ihnen nun zu einem Albumtitel gemacht. Und bezeichnet sich trotz weltweiter Berühmtheit immer noch als Lehrling. Ein entspanntes Gespräch mit Gilberto Gil – ganz bewusst nicht über Politik, und auch nicht über Fußball, sondern über sein großes Idol João Gilberto. Weiterlesen
Ein kolossaler Nerd
Wein, Vibes und Gesang
– ein Interview mit Ed Motta
Er wirkt seit Ende der 1980er als die Referenzgröße des Soul und Funk in Brasilien schlechthin. Ed Motta, der Neffe des früh verstorbenen Soulgiganten Tim Maia, ist eine Ausnahmeerscheinung in der Musikszene des Riesenlandes. Es gibt keine Musikepoche, in der sich der Vinylfreak nicht auskennt, kaum einen Stil, den er nicht schon mit eigenen Kompositionen selbst beackert hat. Ed Motta: ein umtriebiger Hedonist und in jeder Hinsicht kolossaler Nerd, der zudem auch noch grandioser Hobbykoch, Tee-, Bier- und vor allem Weinkenner ist. Vor seinen Konzerten beim Zürcher Jazznojazz-Festival (1.11.) und im Club des Bahnhofs Ehrenfeld in Köln (5.11.) habe ich ihn befragt. Weiterlesen
Journey into the Otherworld
The Heliocentrics feat. Melvin van Peebles:
The Last Transmission
Ein Gespräch mit Bassist Jake Ferguson
Die Heliocentrics: ein großartiges Kollektiv aus London, das sich für seine Teamworks stets verschrobene Eminenzen aussucht. Den äthiopischen Altmeister Mulatu Astatke, den Ethno-Pionier Lloyd Miller oder die nigerianische Legende Orlando Julius. Ihre Musik pendelt sich ein zwischen Psychedelia, Spiritual Jazz, Afrofunk und musique concrète. Auf ihrem neuesten Werk „The Last Transmission“ (Now Again/Rough Trade) starten sie mit Blaxploitation-Hexer und Spoken Word-Artist Melvin van Peebles ins All. Ich habe den Bassisten Jake Ferguson an der Wirkstätte der Band getroffen. Weiterlesen
Archaik der Neuzeit
Gurdjieff und Komitas – die beiden Säulen armenischer Musiktradition. Ein Gespräch mit Levon Eskenian
Levon Eskenian ist ein führender Kopf in der Bewahrung und Neuentdeckung armenischer Musik. Der Leiter des Gurdjieff Folk Instruments Ensembles hat die Pianomusik des spirituellen Lehrers Georges I. Gurdjieff auf alte Instrumente zurück übertragen. Sein nächstes Projekt befasst sich mit der Musik von Komitas, dem Begründer der modernen klassischen Musik Armeniens. Im Juli habe ich Eskenian beim TFF Rudolstadt getroffen. Weiterlesen