Aufbruch der Dogon

Petit Goro
Dogon-Blues from Mali
(Trikont/Indigo)

Mali ist ja nun wahrlich keine unbekannte Variable in den Weltmusikgleichungen der letzten 30 Jahre. Trotzdem birgt das Land der vielen Ethnien immer noch Überraschungen. Die Musik der Dogon im Südosten galt mit ihren unergründlichen Mythen als bisher eher unzugänglich, als Ressort der Feldforscher und Völkerkundler, die stundenlange Doku-Filme über sie gedreht haben. Mit Petit Goro hat sich in den letzten Jahren aber ein Vertreter der Dogon aus auf den Weg nach Bamako gemacht, um die rituelle Musik seines Volkes in einen Bandkontext zu übertragen – und die Kultur, die von Dschihadisten gepiesackt wird, vor dem Untergang zu bewahren.

Das Album Dogon-Blues From Mali ist das Resultat. Auf den ersten Höreindruck klingen die zehn Tracks mit ihrer fünftönigen Struktur nach einer Kreuzung aus Wassoulou-Musik, Wüstenblues und frühen Habib Koité-Songs, allerdings sind die Rhythmen erheblich widerspenstiger, geradezu „stotternd“. Dazu tritt der fremde Klang der Dogon-Sprache. Die Vocals besitzen eine eigenartige, unreine Melancholie, in den schnelleren Stücken haben sie einen Hauch beschwörenden Charakters. Eine wie durch eine alte Telefonleitung schnarrende Fiedel schleicht sich hinein, sie ergeht sich auch mal im flinken Pizzicato. Schließlich treibt eine unorthodoxe, sehr synkopische Gitarrenarbeit quer, die sich mit dem harten Bass verbündet.

Eine dornenreiche, trockene, nichts beschönigende Savannen-Musik, so schroff wie die Abbruchkante der Felsen, an denen die Dogon siedeln. In diesem Sommer ist Petit Goro unter anderem beim Rudolstadt Festival zu erleben.

© Stefan Franzen

Petit Goro: „Gnonwon“
Quelle: youtube

Goodbye Andy, Goodbye Nana


Zweimal mussten wir in den vergangenen Tagen von herausragenden Stimmen Abschied nehmen.

Am 26.4. verstarb der großartige Andy Bey, der mit seinem profunden, zärtlichen, weichen Timbre für mich immer eine Ausnahmestellung im US-Jazz hatte, aber auch stets weit über das Genre hinaussang, mit indischen, kubanischen, brasilianischen Einflüssen. Ich erinnere mich an ein berührendes Konzert vor sicherlich 20 Jahren im Jazzhaus Freiburg und an sein Stück „Planet Birth“ des Freiburger Duos Intuit, für das ich den Text schreiben durfte. Ins Licht begleiten möchte ich diesen großartigen, warmherzigen Künstler mit seiner Adaption von „O Cantador“ aus der Feder des Brasilianers Dori Caymmi.

Andy Bey: „Like A Lover“ (O Cantador)
Quelle: youtube

Und auch der Caymmi-Klan hat einen Verlust zu beklagen. Doris Schwester Nana, in den 1960ern schon Partnerin von Antônio Carlos Jobim und Gilberto Gil, später Interpretin aller großen Songwriter der Música Popular Brasileira, ist am 1.5. gegangen. Von ihr gibt es das gleiche Stück in der Version auf Portugiesisch, sie hat es schon 1967 beim 3. Festival Internacional da Canção interpretiert.

Nana Caymmi: „O Cantador“
Quelle: youtube

Le Parfum de Muguet

Als der Zweite Weltkrieg vorüber ist, lebt Paris wieder befreit auf. Neue Parfums und neue Namen von Duftkomponisten etablieren sich: Der bestimmende Geruch des Frühlings 1956 sind in Paris die Maiglöckchen. Christian Dior liebt sie über alles und so komponiert er seinen berühmten Duft „Diorissimo“, in dem die Muguets, so der französische Name, eine Liaison eingehen mit den nun sehr beliebten frischen, grünen, grasigen Noten.

Osmothèque de Versailles, Fotos: Stefan Franzen

Das scheint auch auf die Musik abgefärbt zu haben, denn in jenem Jahr schreibt Charles Aznavour sein Chanson „J’Aime Paris Au Mois De Mai“, „Ich liebe Paris im Mai“ – und in dieser überschwänglichen Frühlingshymne an die Stadt darf die ausdrückliche Nennung der Maiglöckchen nicht fehlen.

Charles Aznavour: „J’aime Paris Au Mois De Mai“
Quelle: youtube