Sie: eine schillernde Persönlichkeit der kurdisch-iranischen Musik, die seit vielen Jahren im Berliner Exil lebt und dort für ihre Musik Zwischenräume im Geflecht von Tradition, Klassik und Electronica geschaffen hat. Er: eine Legende der elektronischen Musik seit 30 Jahren, mit Mouse on Mars bis heute neue Wege zwischen Dancefloor und Performancekunst auslotend. Diese beiden, Hani Mojtahedi und Andi Toma, treffen nun auf das Philharmonische Orchester Freiburg. Klingt abenteuerlich? Wird es mit Sicherheit auch – aber genau das ist der Zweck der Spielwiese, die GMD André de Ridder Ende 2022 mit dem Freiburg.Phil.Club etabliert hat.
Als Kurdin und Sängerin hatte Hani Mojtahedi unterm rigiden, Menschen, Minderheiten und Musik verachtenden Mullah-Regime des Iran gleich mehrfach ungünstige Ausgangsbedingungen. Zunächst wächst sie auf mit der traditionellen Musik vom Land. Ihr Großvater, der tief in der mystischen Sufi-Lehre des Islam verankert ist, gibt ihr das spirituell-musikalische Grundvokabular mit auf den Weg und ist bis heute ein großer Einfluss für sie geblieben. Um die Jahrtausendwende gründet Mojtahedi die erste Frauenband des Iran, muss einen jahrelangen Spießrutenlauf mit den „religiösen“ Autoritäten bestehen. 2004 entscheidet sie sich, Heimat und Familie den Rücken zu kehren, um eine berufliche Zukunft zu haben.
In Berlin wird ihre Musik offener, experimenteller. Sie geht Teamworks mit Electronica-Künstlern ein, tritt aber auch mit großen Orchestern auf, etwa in der hymnischen Symphonie für Kurdistan namens „Peshmerga“. Gleichzeitig nimmt Mojathedi politisch kein Blatt vor den Mund: Bereits 2017 schreibt sie mit „Azadi“ ein Freiheitslied für die unterdrückten Kurden im Iran, nach dem Tod Mahsa Aminis solidarisiert sie sich in etlichen Aktionen mit der „Frau-Leben-Freiheit“-Bewegung. „Hani singt für Gleichberechtigung, und es gibt Menschen, die Angst davor haben – vor ihrer Weiblichkeit, ihrer Stärke“, sagt Andi Toma über seine Kollegin. Wenn man sich durch ihre Videoclips auf Youtube clickt, erhält man den Eindruck einer immensen Vielfältigkeit dieser Stärke: Die kraftvollen, traditionellen Färbungen in ihrer Stimme tragen sie durch tanzbare Pophymnen genau wie durch schmerzlich introspektive Songs.
Hani Mojtahedi feat. Majid Kazemi: „An Improvisation“
Quelle: youtube
Im Phil.Club werden zwei Werke eine Rolle spielen. Zum einen sind da die „Forbidden Echoes“: Hier greift Mojtahedi den iranischen Mythos von Frau Shirin auf. Diese allegorische Figur singt von einem Berggipfel zwischen Irak und Iran ihren Schmerz über den Liebesverlust hinab in die Täler. Mojtahedi deutet die Geschichte mithilfe der elektronischen Echokammern von Andi Toma um, lässt den Gesang der Frau vielfach von virtuellen Felswänden hallen und weit über die Grenzen schweifen – diesen Gesang, der im Iran seit Jahrzehnten von so vielen absurden Verboten belegt sind.
Zum anderen gibt es mit einem DJ-Set einen Vorgeschmack auf Mojtahedis und Tomas gemeinsames Album „HJirok“, das am 1.3. erscheinen wird und nach einem persischen Wassergeist benannt ist. Das Projekt ist das Ergebnis eines Aufenthalts der beiden Künstler im irakisch-kurdischen Erbil. Alltagsgeräusche der Region, Sufi-Trommeln und die Klänge der Langhalslaute Setar finden sich hier zu machtvollen, betörenden Tracks geschichtet. „Der Sufi-Sound ist um die ganze Welt gegangen“, sagt Mojtahedi. „Ich stelle mir das gerne als einen Dialog zwischen den Völkern vor, der mit Trommeln und dem Klang ihrer Stimmen geführt wird.“ Wie der Dialog dieses ungleichen Paares auch noch aufs Orchester ausgeweitet wird, dürfte überaus spannend werden.
live:
Freiburg.Phil.Club, Theater Freiburg, Kleines Haus, 26.1. – 19h
CTM Festival Berlin, Silent Green, 27. + 28.1.
One Of A Million Festival, Baden (CH), 15.2.
© Stefan Franzen, erschienen in der Badischen Zeitung, Ausgabe 23.1.2024