The Last Gig In The Sky

pink floyd the endless riverPink Floyd
The Endless River

Mitten in dieser 54-minütigen Abschiedssymphonie tritt er plötzlich ganz unvorhergesehen hervor: Rick Wright sitzt an der großen Pfeifenorgel der Royal Albert Hall und in diesem einen Moment scheint es tatsächlich, als spiele er da seine eigene Totenmesse. Als Requiem auf den und Versöhnung mit dem 2008 verstorbenen Keyboarder wollten Dave Gilmour und Nick Mason dieses wohl letzte Pink Floyd-Album inszenieren. Dafür haben sie die Archive der Aufnahmen zu The Divison Bell (1994) durchkämmt, viele Stunden Ausschussmaterial zu 18 „neuen“ Stücken in vier Sektionen zusammengesetzt.  Doch The Endless River ist eher ein Abgesang auf die Bandversion der Siebziger geworden. Weiterlesen

Eklektizismus ist eine Tugend

meshell ndegeocelloMeshell Ndegeocello
Kaserne Basel 04/11/14

Klein, kurzgeschoren, dicke rote Brille – und über der rechten Hand ein dunkles, flächiges Tattoo, so dass man meint, sie hätte eine Art abgesägten Handschuh an. Nichts passt hier in die Muster der „schönen schwarzen Sängerin“, genauso wenig ihr komplexer Name (Swahili für „frei wie ein Vogel“) und am allerwenigsten ihre Musik. Doch der Abend in der leider nicht gefüllten Kaserne Basel wird lange in Erinnerung bleiben, auch wenn sie kaum mit ihrem Publikum reden mochte. Weiterlesen

Alle 100 Jahre ein Genius

Gilberto Gil: Gespräch über die neue CD und João Gilberto

Es ist natürlich ein schöner Zufall, dass zwei herausragende Persönlichkeiten der brasilianischen Musik den gleichen Namen tragen. Die Namensvetternschaft hat der jüngere unter ihnen nun zu einem Albumtitel gemacht. Und bezeichnet sich trotz weltweiter Berühmtheit immer noch als Lehrling. Ein entspanntes Gespräch mit Gilberto Gil – ganz bewusst nicht über Politik, und auch nicht über Fußball, sondern über sein großes Idol João Gilberto. Weiterlesen

Die Allerheiligenwucht

ed motta yachtEd Motta
Club des Theaters der Künste Zürich, 01/11/14

Wiedersehen nach 12 Jahren. Das erste und bislang einzige Mal, dass ich ihn auf der Bühne gesehen habe, war 2002 in einem riesigen Einkaufszentrum in Brasilia mit dem magischen Namen Taguatinga. Damals war mir seine Musik noch relativ schnuppe, er hatte seinerzeit ein Album namens Dwitza rausgebracht und wirbelte einen – für mich – harmonisch überkomplexen Jazz aus seiner Wurlitzer-Orgel heraus. Fünf Stockwerke hoch hing das Publikum über den Balustraden, lagerte draußen in der Abendhitze der brasilianischen Steppe, um ihn auf Großleinwand zu verfolgen. Da wurde mir klar, dass dieser Mann in seiner Heimat ein Superstar ist.

In Europa hat es Ed Motta bis heute über Spezialistenkreise hinaus nicht geschafft. Der großartige, in aller Hinsicht kolossale Musiker und Entertainer passt nicht in die Brasilien-Schemata unserer dornröschenschlafenden Tagespresse. Umso höher muss man es dem jazznojazz-team anrechnen, dass sie ihn als Abschluss ihres Festivals nach Zürich geholt haben. Sein erster Auftritt in der Schweiz: Eine Allerheiligenwucht in schwitziger Clubatmosphäre. Motta de todos os santos. Weiterlesen

Side Tracks #2: Mit Fello am Fuji

springintgut & blumm - rthe bird and the white noise flagge-japan-flagge-button-50x75flagge-deutschland-flagge-button-50x83Springintgut & F.S.Blumm: The Bird And White Noise
(Pingipung, 2014)

Mich begeistern die organischen Elektronikklänge, die auf dem Label Pingipung eine Heimstatt finden. Der neueste Streich ist jetzt entstanden, während der Akustikgitarrist F.S.Blumm und der Cellist Springintgut alias Andi Otto auf einer Tournee in Japan kreative Höhenflüge erlebt haben. Und Bahnfahrten! Beim Track „In Zügen“ kann man sich aus dem Fenster lehnen, und der Bildschirm verwandelt sich in ein fernöstliches Waggonfenster. Dazu die rhythmisierte, „atmende“ Videokunst von Noriaki Okamoto: kongenial. Auch noch sehenswert: Hier erklärt Springintgut, wie er sein Instrument in ein „Fello“ verwandelt hat.

Springintgut & F.S.Blumm: „In Zügen“
Quelle: youtube

 

Schatzkiste #11: Cooler Retro SciFi-Flow

greg foat group - girl and robot with flowersGreg Foat Group: Girl And Robot With Flowers
(Jazzman Records, 2012)

entdeckt bei: Stadtmusik-Festival Basel

In unserem Sonnensystem kann das Coverbild nicht entstanden sein, man erkennt das schon mit astronomischem Halbwissen. Denn die Welt, die der britische Tastenmeister hier erschafft, ist wirklich out there. Das Ding fängt an wie Miles Davis in seiner besten Cool-Phase und hangelt sich langsam an hauchigem Flügelhorn, melancholischem Flügel, brüllendem Saxophon und flubbernden Analog-Synthesizern zu einem unverschämt lässigen Space-Soundtrack zwischen Disco und Blues mit viel Siebzigerflair empor. Ultimativer Anspieltipp „Have Spacesuit Will Travel“! Schade, dass es das Stadtmusik-Festival im Innenhof des Kunstmuseums Basel nicht mehr gibt. Dort habe ich den Mann am Keyboard 2012 entdeckt.

The Greg Foat Group: „Have Spacesuit Will Travel (part II)“
Quelle: youtube

Klingendes Kleeblatt

tiltan - a road less traveled
Tiltan: A Road Less Traveled (Kululush Records/www.tiltanmusic.com)
Ganz großartige Texturen mit Klarinette, Bratsche, russischem Akkordeon und Gitarre schafft dieses niederländische Quartett um den Saitenmeister David Golek. Irgendwo an der Schnittstelle zwischen dem Neoklezmer des Krakauer Trios Kroke und dem Folkjazz eines Tin Hat Trio siedeln diese Klanglandschaften. Da steigen akustische Traumbilder empor, die sich aus jüdischem Melos, slawischer Schwermut, bluesigen Einsprengseln und der harmonischen Opulenz des Modern Jazz nähren. Wie eine delikat ausgearbeiteter Soundtrack zu einem hintergründigen Autorenfilm in Sepia. „Tiltan“ bedeutet im Hebräischen übrigens vierblättriges Kleeblatt – von genauso rarem, „glücklichem“ Zuschnitt ist diese Kammermusik.

Tiltan live at the Bimhuis Amsterdam: „Machar Hatuna“
Quelle: youtube

 

 

Ein kolossaler Nerd

ed motta - aor

Wein, Vibes und Gesang
– ein Interview mit Ed Motta

Er wirkt seit Ende der 1980er als die Referenzgröße des Soul und Funk in Brasilien schlechthin. Ed Motta, der Neffe des früh verstorbenen Soulgiganten Tim Maia, ist eine Ausnahmeerscheinung in der Musikszene des Riesenlandes. Es gibt keine Musikepoche, in der sich der Vinylfreak nicht auskennt, kaum einen Stil, den er nicht schon mit eigenen Kompositionen selbst beackert hat. Ed Motta: ein umtriebiger Hedonist und in jeder Hinsicht kolossaler Nerd, der zudem auch noch grandioser Hobbykoch, Tee-, Bier- und vor allem Weinkenner ist. Vor seinen Konzerten beim Zürcher Jazznojazz-Festival (1.11.) und im Club des Bahnhofs Ehrenfeld in Köln (5.11.) habe ich ihn befragt. Weiterlesen